Buch des Monats: April 2016

Opitz, Peter

Ulrich Zwingli. Prophet, Ketzer, Pionier des Protestantismus.

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2015. 119 S. m. Abb. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-290-17828-4

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Vielleicht hat Zwingli ja tatsächlich jenen »›reformierten‹ Frömmigkeitstypus geschaffen, der sich dadurch auszeichnet, dass er wenig von sich selbst zu sagen weiss« (11). Umso mehr weiß nun freilich der an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich lehrende Kirchenhistoriker Peter Opitz von jenem »Pionier des Protestantismus« zu sagen. Seiner Kurzbiographie des Zürcher Reformators gelingt der anspruchsvolle Spagat zwischen hoher wissenschaftlicher Niveauwahrung und breiter Allgemeinverständlichkeit. Aus der Fülle der auf das Reformationsjubiläum 2017 zuzielenden Publikationen ragt dieses Büchlein auf höchst angenehme, durch sachnahe Seriosität ausgezeichnete Weise hervor.

Das erste Kapitel schildert »Die Anfänge Zwinglis als Reformator«. Zu Recht erhält dabei der im Frühjahr 1522 an der Limmat inszenierte Fastenbruch, der als das »Zürcher Wurstessen« legendär geworden ist, den Charakter einer symbolischen Initialhandlung zugewiesen. Mit diesem kirchenkritischen Demonstrationsakt beginnt die im zweiten Kapitel dargestellte Zürcher Stadtreformation. In bewundernswertem wissenschaftlichen Pointillismus kommen dabei die beiden Disputationen von 1523, die konfessionsbegründenden theologischen Grundentscheidungen, die Problematik der Zürcher Täufer- und Zehntenfrage sowie, in gebotener Differenzierung, die vielschichtige Umgestaltung des kirchlichen und sozialen Lebens zur Vorführung.
Das dritte Kapitel weitet den Blick sodann auf »Zwingli und die Reformation in der Eidgenossenschaft«. Die politischen Implikationen evangelischer Theologie, die Zwingli mit seinem Protest gegen das »Reislaufen« genannte schweizerische Söldnerwesen schon früh expliziert hatte (16), konkretisierten sich ebenso in dem Einsatz des Zürcher Reformators für eine wahrhaft christliche Regulierung des öffentlichen Lebens wie in dessen Wehrhaftigkeit gegen den Vorwurf der Ketzerei, der Produktion von Bekenntnisschriften oder der im Marburger Religionsgespräch von 1529, das ein tragisches Auseinanderbrechen des protestantischen Lagers zur weitreichenden Folge hatte, geführten Auseinandersetzung mit Luther, den Zwingli im Übrigen durchaus als einen reformatorischen Weg- und Kampfgefährten zeitlebens zu schätzen wusste. In diesem theopolitischen Kontext wird auch verständlich, weshalb Zwingli die beiden Kappeler Kriegszüge befürwortet und aktiv begleitet hat – bis hin zu seinem Tod im Feld am 11. Oktober 1531.
Das letzte, den »Wirkungen« Zwinglis gewidmete Kapitel »sollte eigentlich das längste sein« (109), ist aber mit seinen fünfeinhalb Textseiten bei Weitem das kürzeste geblieben. So kam es dabei über andeutende Fingerzeige auf die Spuren, die Zwingli in der neuzeitlichen Christentums-, Politik- und Geistesgeschichte hinterlassen hat, nicht mehr hinaus. Man möchte wünschen, dass sich Opitz für die Entfaltung dieser oft subkutanen, aber allemal instruktiven Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte ebenfalls noch Zeit und Gelegenheit nehme. Dabei ließen sich manche Brückenschläge, die in ihrer bloß thetischen Andeutung zunächst etwas kühn anmuten, gewiss differenzierter darlegen und erörtern, so etwa der Vorschlag, Zwinglis Agieren im Abendmahlsstreit als die Keimzelle »einer innerevangelischen ›versöhnten Verschiedenheit‹« (89) zu begreifen oder die Barmer Theologische Erklärung von 1934 als eine »aktualisierende Umsetzung der Grundentscheidungen Zwinglis« (111) zu deuten.

Die reich illustrierte Darstellung leistet das Beste, was ein Sachbuch zu leisten vermag: Sie dient dem Kenner zur kritischen Repetition seiner Wissensbestände und dem unbelastet Interessierten zu verlässlicher Basisorientierung – und sie verlockt beide zu noch näherer Familiarisierung mit der Geschichte der Zürcher Reformation.

Albrecht Beutel (Münster)

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