Buch des Monats: März 2013

Bernd Schröder

Religionspädagogik

Tübingen: Mohr Siebeck 2012. XVI, 733 S. ISBN 978-3-16-151710-5 (Leinen), ISBN 978-3-16-150979-7 (Broschur)

Zahlenmäßig liegt die Religionspädagogik seit einiger Zeit an der Spitze der theologischen Disziplinen. Sie ist mit Professuren nicht nur an den Theologischen Fakultäten, sondern an vielen Instituten in philosophischen oder ähnlichen Fachbereichen vertreten. Zudem übersteigt die Zahl der Theologiestudierenden, die sich auf das Lehramt vorbereiten, bei weitem die derer, die in den Pfarrberuf streben. Doch wird wohl kaum jemand behaupten, dass diese Vorrangstellung auch für die wissenschaftliche Reputation gilt.
Die Religionspädagogik als die jüngste Disziplin der Praktischen Theologie blickt nur auf eine recht junge Geschichte zurück; sie verdankt sich der Initiative von Religions(ober)leh¬rern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Von daher ist ihr eine Engführung auf das Feld des schulischen Religionsunterrichts mitgegeben, noch dazu in seiner besonderen deutschen Verfassung. Auch scheint der damit gegebene Praxisbezug dem wissenschaftlichen Ansehen entgegenzustehen.
Doch seit einiger Zeit ändert sich diese Beschränkung: Weitere Praxisfelder kommen (verstärkt) in den Blick (Stichworte: Gemeindepädagogik und Lernorttheorie), die Geschichte pädagogischer Bemühungen wird hinsichtlich konzeptioneller und tatsächlicher Entwicklungen genauer erforscht (Stichwort: Historische Religionspädagogik) und die religionspädagogische Theorie und erzieherische Praxis in anderen Ländern findet zunehmend Aufmerksamkeit (Stichwort: Vergleichende Religionspädagogik).
Der in Göttingen lehrende Religionspädagoge Bernd Schröder hat zu allen drei Bereichen in Buch- und Aufsatzform wichtige Beiträge geleistet. Mit dem jetzt vorgelegten 750 Seiten starken Opus magnum – das umfangreichste bisher erschienene Werk des Fachs – präsentiert er diese Vorstöße und Weiterentwicklungen in systematisch kohärenter Weise. Damit hebt er die Religionspädagogik auf ein neues Niveau.
Konzeptionell integriert Schröder in seiner systematischen Bestimmung des Fachs vorliegende praktisch-theologische und religionspädagogische Theorieansätze. Er entwirft so Religionspädagogik „als Verbindung von empirischen, historischen und vergleichenden Einsichten mit Grundsätzen der christlichen Überlieferung zu einer Theorie der Kommunikation des Evangeliums im Medium von Lernprozessen, die sowohl die Bildungs(mit)verantwortung der Kirche als auch das professionelle Handeln von Lehrenden christlicher Religion und die Bildung einzelner Getaufter zu orientieren vermag“ (172).
Die damit gewonnene Weite wird wohl am deutlichsten bei der vergleichenden Perspektive (Kap. 4). Zwar liegt – entsprechend der Disziplingeschichte (1. Kap.) – das Schwergewicht des Buchs auf der deutschen Situation und Theoriebildung (2. Kap.). Doch finden sich mit Ausführungen zu „Religiöse Erziehung und ihre Theorie im Judentum“ und im Islam sowie zur Religionspädagogik in Frankreich und England aufschlussreiche Ausblicke. Künftige religionspädagogische Arbeit wird hinter das damit erreichte Problemniveau nicht mehr zurückfallen können.
Positionell ist das vorliegende Werk klar auf Kirche hin orientiert (§ 15), insofern diese die „>story< christlicher Religion“ pflegt (253). Damit gelingt Schröder ein direkter Anschluss an die in Deutschland rechtlich verankerte Praxis religiöser Bildung und Erziehung und deren Institutionen. Es wird zu prüfen sein, ob so auch neue Formen der Kommunikation des Evangeliums jenseits der überkommenen kirchlichen Organisation(en) hinreichend in den Blick kommen (können).
Dass „der Schröder“ klar gegliedert und in der Literaturverwendung durchweg auf dem neuesten Stand ist, präzise und umfassend über gegenwärtige Praxisfelder informiert (S. 425-703!) und durch sorgfältige Register den Lesern vertiefte Zusammenhänge eröffnet, sei nur der Vollständigkeit halber nachgetragen. Wer sich einen Einblick in den gegenwärtigen Stand der Religionspädagogik verschaffen will, wird zu diesem Buch greifen müssen – und durch vielfältige Anregungen (auch über die Religionspädagogik hinaus) belohnt werden.

Christian Grethlein (Münster)

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