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Ausgabe:

1995

Spalte:

453-455

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Ulrich, Jörg

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums 1995

Rezensent:

Holze, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

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die Rettung Israels als eschatologisches Ereignis betrachtet
(261.). Er sah das Anwachsen der heidenchristlichen Kirche,
„den Übergang der Religion von den Juden zu den Heiden";
aber ..in den Kapiteln 9-11 erklärt er, was an der Vollendung
der Religion noch fehlt. Wir leben in einem Übergangszustand,
nicht am Ziel. Das wurde in der christlichen Theologie oft vergessen
, und infolgedessen wurde dieser Teil des Römerbriefes
wenig beachtet. Aber er gehört zum paulinischen Evangelium,
wie die Eschatologie überhaupt zum Evangelium gehört. Gott
ist derselbe von Anfang an und bis an das Ende der Zeiten"
(27). Die Einleitung schließt mit den Worten: „Nur wer Rom 9-
11 ganz ernst nimmt, kann den ersten Teil des Briefes richtig
verstehen" (28). Der Bearbeiterin, den Herausgebern und dem
Verlag gebührt zum Abschluß dieser Edition und Übersetzung
einer so wichtigen Quelle ein besonders herzlicher Dank.

Rostock Gert Haendler

Ulrich. Jörg: Die Anfänge der abendländischen Rezeption
des Nizänums. Berlin-New York: de Gruyter 1994. X, 327
S. gr.80 = Patristische Texte und Studien, 39. ISBN 3-11-
014405-0.

Der vorzustellenden Arbeit liegt eine von H. Chr. Brennecke
betreute und von der Theologischen Fakultät der Universität
Erlangen 1993 angenommene Dissertation zugrunde. Der Vf.
stellt sich darin der Aufgabe, „die Frage nach den Anfängen der
abendländischen Rezeption des Symbols von Nizäa neu aufzurollen
" (1).

Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die seit geraumer
Zeit (Ricken [1969]. Simonetti [ 1975], Stead 11977]) vertretene
These, daß das Nizänum von abendländischer Trinitätstheolo-
gie (Tertullian) nicht beeinflußt sei, sondern „als ein östliches
Bekenntnis" verstanden werden müsse (21). Daß sich Ulrich
dieser Position verpflichtet weiß, unterstreicht seine polemische
Auseinandersetzung mit den von Bienert [1979| vorgetragenen
Gegenargumenten („schwerwiegende Bedenken" 14; „äußerst
tragwürdig", nicht haltbar" 16; „völlig unglaubwürdig", „ganz
unwahrscheinlich" 17). denen er freilich später dann doch „eine
Fülle von Hinweisen" (108, A.510) entnehmen kann.

Der Schlüssel /um Verständnis der abendländischen Rezeption
des Nizänums liegt nach U. in der Synode von Serdika
[342], die aufgrund der Spannungen zwischen Ost und West,
die politisch (Zweiteilung des römischen Reiches nach dem
Tod Konstantins d.Gr.) wie kirchlich (Authebung der Verurteilungen
des Athanasius und Markeil von Ankyra im Westen)
begründet waren, in ..konkurrierende Parteisynoden" (107) auseinanderbrach
, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Für die
Frage der abendländischen Rezeption des Nizänums ist die von
der .westlichen' Teilsynode erstellte Glaubenserklärung, für deren
Authentizität sich U. nachdrücklich ausspricht (98-106),
von entscheidender Bedeutung. Basierend auf der mit leichten
Veränderungen versehenen Edition von Tetz (51-56) bietet er
eine Übersetzung der zwölf Paragraphen des Serdicense (56-
59) sowie einen ausführlichen Kommentar (59-87), in dem er
das theologische Profil dieser ersten ,westlichen' Stellungnahme
im über zwanzigjährigen arianischen Streit analysiert. In ihr
sprechen sich die bischöflichen Verfasser unter Berufung auf Jo
10.30/14.10 gegen den origenistischen Subordinationsgedanken
und für die Gleichewigkeit und Wesenseinheit von Vater und
Sohn aus und entfalten eine prononcierte Einhypostasenlehre.
Für U. bestehen zwischen dem theologischen Programm des
Serdicense und der Theologie Markells von Ankyra und der des
Athanasius von Alexandrien wesentliche Übereinstimmungen.
Sie führen ihn zusammen mit der Beobachtung, daß die Teilnehmer
der Synode von Serdika mehrheitlich griechischer Herkunft
gewesen sind (91-96), zu der dogmengeschichtlichen
Feststellung, daß „das .westliche' Serdicense... in Inhalt und
Form ein ganz von östlichen Emigranten im Westen bestimmter
Text" (91) gewesen ist und mit seiner antiorigenistischen, an
Markeil orientierten Theologie die Rezeption des Nizänums
wesentlich bestimmt hat. In den Jahren nach 342 sei der Westen
darum „dogmengeschichtlich nicht ohne weiteres als ,nizä-
nisch' einzustufen, sondern vielmehr als serdicensisch - einhy-
postatisch." (284)

Im zweiten Teil seiner Arbeit untersucht U. die abendländische
Rezpetion des Nizänum in den auf Serdica folgenden Jahrzehnten
. Das Ergebnis fällt unterschiedlich und bisweilen überraschend
aus. So ist nach U. bei Ossius von Cordoba eine
Fehlanzeige zu vermelden. Als kaiserlicher Berater und Vorsitzender
der Synoden von Nizäa und Serdica sei er zwar „grundsätzlich
gegen den Arianismus" gewesen (135), für die Nizäa-
Rezeption habe er aber keine relevante Rolle gespielt. Diese
setzt, so U., erst bei dem im östlichen Exil weilenden Hilarius
von Poitiers ein, der i.J. 357 das Nizänum erstmals ins Lateinische
übersetzt und damit dem Westen zugänglich gemacht
habe. Dem Serdicense folgend habe er das .homoousios' als
,una substantia' interpretiert, sei aber auch offen für eine theologische
Position gewesen, „die neben der substanziellen Einheit
auch die Zweiheit von Vater und Sohn zu betonen bestrebt ist"
(145). Hinter diesem Programm habe, so U., die Hoffnung gestanden
, den zwischen Ost und West aufgetretenen Bruch im
Sinne einer „antihomöischen Allianz" (156) überbrücken zu
können. Deutlicher auf seiten des Serdicense habe Phoebadius
von Agen gestanden, obwohl er sich in „Contra Arrianos" [358]
mehrfach auf Hilarius' Liber 1 bezieht. Freilich übernimmt er
daraus, wie U. zeigt, nur dessen „verbale Attacken" (182) gegen
die 2. sirmische Formel, versteht ansonsten aber „das Nizänum
im Sinne des ,una substantia'" des Serdicense (178). Um jeden
Vorwurf des Sabellianismus zu entkräften, gebraucht Phoebadius
eine trinitätstheologische Formel, die von einer Substanz und
zwei Personen spricht. Das erinnert an Tertullian. dessen „Ad-
versus Praxean" wiederholt zitiert wird, und läßt fragen, ob der
Gedanke einer abendländischen Herleitung des .homoousios'
mit dem Argument, Phoebadius habe sich allein für die antisa-
bellianischen, nicht aber für die trinitarischen Gedanken Tertul-
lians interessiert, überzeugend widerlegt wird. Ähnlich wie
Phoebadius hat Gregor von Elvira in „De fide orthodoxa" sowohl
das ,homoousios' gegen die Homöusianer „als Aussage
der Hinheil der Substanz von Vater und Sohn" (201) verteidigen
, also auch den Gedanken einer „personale(n) Differenzierung
innerhalb der Trinität" (210) vertreten können.

Als einen streitbaren Vertreter der serdicensischen Interpretation des
N izänums beschreibt U. Luzifer von Calaris, räumt jedoch ein. daß dessen
recht ,,schlagwortartig[e]" (226) Argumentation von der Polemik gegen
Konstantius II. als vermeintlichem Verteidiger des Arianismus überschattet
wird. Noch begrenzter ist der Beitrag des Liberias von Korn, dessen Bedeutung
für die Nizäa-Rezeption nach U. vor allem darin liegt, daß er - obwohl
nur mit einem einzigen (!) Satz - noch 366 die Einhypostasenauffassung
von Serdica vertreten habe, „als die neunizänische Lösung... längst in der
Diskussion" war (240f). In diese neue Richtung weist von den lateinischen
Theologen der beiden Jahrzehnte nach Serdica allein Marius Victorinus, der
sich „als erster abendländischer Theologe bewußt dem Problem [stellt], wie
das nizänische Schlüsselwort homoousios ins Lateinische zu übersetzen
sei" (247). Mit den Begriffen .eiusdein substantiae' oder .simul (con-)sub-
stantiale' betont er die „Identität der Substanz von Vater und Sohn" (248).
lehnt aber die bei Phoebadius u.a. anklingende Unterscheidung nach Personen
ab und greift stattdessen auf den Abbildgedanken zurück. Wichtiger ist
jedoch, daß bei dem Victoriner. wenn auch nur in einem griechischen Zitat,
bereits die „neunizänische Lösung" (254) mit ihrer Unterscheidung von
,ousia' und .hypostasis', für die U. eine „neuplatonisch-philosophische
Quelle" vermutet, anklingt, auch wenn sie noch „keinen erkennbaren Einfluß
auf sein Verständnis der Trinität" (259) gehabt hat.

Mit Athanasius, dem Teilnehmer der Synoden von Nizäa und
Serdica, kehrt die Untersuchung wieder an den Ausgangspunkt
zurück. Die „Epistula ad Afros" [369], mit der sich der Alex-