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Ausgabe:

1990

Spalte:

384-385

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Brauchen wir ein neues Konzil? 1990

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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383

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 5

384

Gründe, die heute gegen die Frauenordination vorgebracht werden,
beruhen auf „einem frauenfeindlichen Menschenbild*' oder einer
..vorkritischen und überholten Bibelexegese". (23)

E. Theodofou untersucht ..Die Tradition der orthodoxen Kirche in
bezug auf die Frauenordination". Über Argumente, mit denen eine
Frauenordination abgelehnt wird, urteilt er: Sie sind „weder stichhaltig
noch überzeugend". (31) Der Rückgriff auf die Tradition der
Diakonissenordination soll weiterhelfen und ökumenisch vermitteln.
Ordinierte Diakonissen gehören dem „ordinierten Klerus an" (39).
die Möglichkeit der Diakonissenordination bleibt, obgleich kaum
praktiziert, „kifchenrcchtlich in Kraft" und sollte wiederbelebt
werden. (42) Umstritten ist die Zulassung von Frauen zum Presbyte-
riat. Die mögliche Einsicht, daß es dafür „keine theologischen
Hindernisse gäbe", müsse die Gefahr einer „Skandalisierung der
Gläubigen" und des „Auseinanderbrechens der christlichen Einheit"
meiden. (44)

E. Behr-Sigl bedenkt die Ordination von Frauen „im Lichte der
lebendigen Tradition der orthodoxen Kirche". Frühere Stellungnahmen
lehnten einen Priesteramt von Frauen mit traditionellen
Gründen ab. Für die neuere Entwicklung kommen P. Evdokimov
und K. Ware ausführlich zu Wort. Evdokimov ist Gegner der Frauenordination
, unterstützt aber die „Anerkennung der Weiblichkeit als
geistigem symbolischem Wert innerhalb der Kirche". (58) Ware lehnt
die Frauenordination ebenfalls ab. weil männliches Priestcrtum einen
„symbolischen Sinn" hat. Es verweist auf Gott den Vater und die
Männlichkeit Christi in der Inkarnation. (67) Vfn. schließt mit zwei
weiterführenden Fragen. I. Gibt die orthodoxe Tradition, daß ein
Priester Werkzeug Christi und kein alter Christus ist, nicht dem
Priesteramt von Frauen Raum? 2. Spricht es nicht für die Ordination
von Frauen, wenn priesterliches Handeln auch stellvertretend für die
Gemeinde, die-symbolisch weibliche - Kirche geschieht? (70)

J. Viksiröm legt in „Überlegungen aus der Sicht lutherischer Theologie
" dar. daß durch die Bekenntnisschriften die Frage der Ordination
von Frauen „offengelassen" wird. (75) Von Luther wurden aber
die Frauen vom öffentlichem Amt der Kirche ausgeschlossen, weil sie
„nicht die Fähigkeit besitzen, dieser Aufgabe gerecht zu werden." (76)
Frauenordination ist also keine Frage der Amtsauffassung, sondern
der Kirchenordnung (78) und die muß heute im Sinne der Gleichachtung
und -Stellung der Frau gestaltet werden. V. ist der Meinung,
„daß die theologischen Argumente gegen weibliche Pfarrer in einer
lutherischen Kirche heute von außerhalb geholt werden müßten".
(88) Die Position der römisch-katholischen Theologie vertritt H.
Legrand. Er stellt den Begründungszusammenhang und Geltungsanspruch
des amtlichen Papiers „Inier Insigniores" dar und versucht,
dessen Ablehnung der Ordination von Frauen verständlich zu
machen. Es folgen Fragen, die Verständnis gegenüber Kirchen signalisieren
, die Frauen ordinieren. (107) Wenn er als „eigentliche Frage"
allerdings formuliert: Können Frauen Träger des ordinierten Amtes
aller Zeiten sein? (107), dann ist die Antwort für die katholische
Kirche klar.

Zwei Statements schließen den Band ab. A. Jensen fordert u. a., das
Problem der Frauenordination nicht aus ökumenischen Gründen zurückzustellen
und setzt sich für die Aufhebung des Zölibats ein, weil
die mit ihm verbundene Haltung auch heute „eminent frauenfeindlich
" sei. (I 15)

H. Sörensen meint, daß es noch eine ganze Generation dauern wird,
„bis sich auch evangelische Kirchen emotional und strukturell ganz
an die ordinierte Frau gewöhnt haben und ihr den entsprechenden
Raum geben".

Die Beiträge geben einen guten Überblick über die unterschiedlichen
Positionen zur Frauenordination. Schade, daß der Leser nicht
erfährt, ob und. wenn ja, wie es gelungen ist, zumindest auf der
Tagung füreinander Verständnis zu erwecken.

Lambrechtshagen Karl-Matthias Siegert

Ökumenik: Catholica

Seeber. David [Hg.]: Brauchen wir ein neues Konzil? Erfahrungen mit
dem II. Vaticanum. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1987. 191 S.
kl. 8' = Herder Taschenbuch, 1400. Kart. DM 10,90.

Am 11. Oktober 1962 eröffnete Papst Johannes XXIII. das II. Vatikanische
Konzil. 25 Jahre sind seither vergangen - „höchste Zeit für
eine Zwischenbilanz" dessen, was sich seither ereignete an Aneignung
und Umsetzung. „Was ist aus den großen Hoffnungen geworden? . ..
Wo wurden Ansätze aufgenommen? Wo gingen Entwicklungen in
eine ganz andere Richtung? Wo sind neue Impulse unumgänglich?" -
so die Leitfragen dieser „Zwischenbilanz" und deshalb auch der schon
fast ein Ereignis vorwegnehmende Titel: „Brauchen wir ein neues
Konzil?"

Die Autoren, die sich diesen Fragen stellen, sind mehrheitlich
Laien und stehen auch keineswegs alle in kirchlichem Dienst, drei
kommen aus Österreich, einer aus der Schweiz. So ist die Optik von
vornherein relativ weit, freilich aber noch nicht weit genug, um auch
wirklich die ganze Fülle der Probleme zu erfassen und dabei vor allem
die globalen Herausforderungen der Kirche von Anfang an mit zu
bedenken. Man bleibt weithin „mitteleuropäisch" und die Bilanz
insofern begrenzt. Das ist zu bedauern und eigentlich auch ein wenig
verwunderlich für eine Publikation „aus der Werkstatt der Herder-
Korrespondenz".

Brauchen wir ein neues Konzil? Ein solches hätte die Aufgabe - so
F. Csoklich in dem ersten Beitrag „Die Welt horcht auf. Das Konzil
und das offene Wort in der Kirche" (S. 9-17)-angesichts der „gegenwärtigen
Schwierigkeiten", der „vorherrschenden Apathie", und in
einer Situation, in der „schon die Behauptung des Status quo als Erfolg
gewertet wird", aber „der Wille zu einer weiteren zukünftigen
Veränderung fehlt"(l2), den „toten Punkt" zu überwinden, d. h. „die
Resignation vieler Katholiken". Es hätte die Aufgabe, zu einer
„Besinnung auf das Zentrum des Glaubens" zu führen und „Synthesen
zu finden, wo nach dem zweiten Vatikanum ungelöste Gegensatzpaare
zurückgeblieben sind: Synthese von Gesetz und Freiheit;
Einheit und Vielfalt; Synthese einer Kirche, die vernehmbar von Gott
redet und den Dialog mit der Welt pflegt; Synthese der Autorität des
Papstes und der Kollegialität der Bischöfe: der Kompetenz vatikanischer
Zentralstellen und der Verantwortung der Teilkirchen: Synthese
von Hierarchie und Gemeinschaft der Gläubigen: von Leitungsfunktionen
in der Kirche und der Partizipation des Volkes Gottes:
Synthese zwischen den großartigen Konzilsaussagen über die Laien
und deren oft recht dürftige Position auf allen Ebenen der Kirche
..." (140. Eine Chance dafür sieht S. in „Runden und Zirkeln", in der
allgemeinen und offenen Meinungsbildung, die auch vor Meinungsverschiedenheiten
nicht kapituliert. Denn „ob der beständige Auftrag
zur kirchlichen Erneuerung gelingt, steht und fällt mit dem offenen
Wort in der Kirche." (17)

Dies ist gleichsam ein programmatischer Artikel, dessen große
Linien dann auf einer Reihe der wichtigsten Ebenen näher ausgezogen
werden. Von mehr grundsätzlicher Bedeutung ist noch der zweite.
P. Hünermann, Die Hypothek des Ersten Vatikanums (S. 18-27). Er
sieht den Grund für die „Ambivalenz", von der die Aussagen des
II. Vatikanums geprägt sind, in „unterschiedlichen Typen theologischen
Denkens", nämlich des verstandesmäßigen Rcflexionsden-
kens und eines „spekulativen Vernunftgebrauches", und diese sei
noch nicht hinreichend aufgearbeitet.

In den anschließenden 14 Beiträgen werden dann solche Feststellungen
quasi konkretisiert. Dabei geht es um eine Vielzahl von Aspekten
und Themen: Kultur und Volk Gottes, Liturgie. Bibel und
Gemeinde, Frauen in der Kirche, das Verhältnis zu den Juden und zu
den Religionen, die Besonderheiten des deutschen Katholizismus und
nicht zuletzt der „Katholische Ökumenismus", sogar „von einem
Protestanten gesehen" - jeder einzelne Beitrag ausgesprochen
anregend, zuweilen aufregend, aufalle Fälle weiterführend.