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Ausgabe: | 1988 |
Spalte: | 693-695 |
Kategorie: | Ökumenik, Konfessionskunde |
Titel/Untertitel: | Johannes Paul II. Papst, Enzyklika über den Heiligen Geist im Leben der Kirche und der Welt 1988 |
Rezensent: | Kirchner, Hubert |
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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 9
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Diese Schwierigkeiten deuten auch auf die Sachfragen hin, die man
als evangelischer Theologe an Tillard richten möchte. Wir heben drei
hervor, die uns für den ökumenischen Dialog entscheidend scheinen
:
- Die erste Schwierigkeit ist die für die reformatorische Theologie
ungenügende Unterscheidung zwischen Christus und der Kirche. In
Lumen Gentium 8 spricht das Konzil bekanntlich von einer Analo-
8ie, J. M. R. Tillard tut desgleichen, versteht aber die Analogie im
engsten Sinne des Wortes. So kommt es immer wieder, wenn nicht zu
einer Identifizierung, so doch zu einer nicht deutlichen Differenzierung
zwischen Christus und seiner Kirche (z. B. S. 39, 41. 47,. . .). In
manchen katholischen theologischen Schulen wurde im letzten Jh. die
Kirche immer wieder als Christus prolungatus verstanden. Nicht nur
reformatorischc, sondern auch katholische Theologen (wie z. B. K.
Rahner), baten um genaue Unterscheidung (nicht Trennung) zwischen
Christus und seiner Kirche. Tillard unterscheidet, man möchte
aber an dieser Stelle genaueres von ihm erfahren.
- In früheren Veröffentlichungen hat der Vf. sehr die aktive Rolle
der Kirche im Meilsgeschehen betont. Er tut es auch in diesem Buch.
Er bemüht sich aber stets zu zeigen, daß das Wirken der Kirche immer
nur von Gottes zuvorkommendem Handeln abgeleitet werden kann.
Doch kann man sich auch damit noch nicht zufrieden geben. Hier
muß noch manches besprochen werden, z. B. die Behauptung, der
■ Heilige Geist füge durch die Taufe den Gläubigen ein erstes Mal in die
Gemeinschaft der Kirche ein, die Kirche tue dies danach auf gleiche
Weise Tür den bußfertigen Sünder, dem vergeben wurde (S. 311 f). Die
Erage nach der genauen Definition des Handelns der Kirche als Instrument
im Hcilswerk Gottes ist ein zentrales Thema auf der Tagesordnung
der Ökumene. Vieles in den Dialogen läuft an diesem Punkt
zusammen. Tillards Sti mme muß in diesem Kontext gehört werden,
auch wenn sie für den evangelischen Theologen die Transparenz des
Handelns der Kirche für das einzige Hcilshandeln Gottes nicht immer
deutlich genug erscheinen läßt.
- Die dritte Frage betrifft die Kirchlichkeit der nicht mit Rom verbundenen
christlichen Kirchen. Hier reichen die kurzen Hinweise in
"en letzten zehn Seiten des Buches nicht aus. Für Tillard besteht kein
Zweifel, daß die römisch-katholische Kirche der einzig wahre Fluß sei
W. 65). Er spricht sogar von der ..Lüge" der Kirchen, die nicht mehr in
der „katholischen Tradition" stehen und durch ihre Eucharistiefeiern
e,ne nicht existierende Gemeinschaft vortäuschen. Die römisch-
katholische Kirche scheint hier nicht gemeint zu sein, sie scheint
selbstverständlich in der „katholischen Tradition" zu stehen (S. 58).
Auch hier möchte man mehr erfahren. „Kirche der Kirchen" ist ein
ckklesiologischcs Modell, das in den reformatorischen Kirchen bereits
eine gewisse Geschichte hat. Kirche als Gemeinschaft von selbständigen
Ortskirchen. Gemeinschaft der Gläubigen, verbunden durch ein
Semeinsames Verständnis von Wort und Sakrament und ein gemeinsames
geistliches Amt, ist fester Bestandteil jeder reformatorischen
Ekklesiologie. Es bleibt zu wünschen, daß in einer weiteren Arbeit
M. R. Tillard aufgrund der hier vorgelegten römisch-katholischen
Ekklesiologie sich mit den nicht-römischen Modellen auseinandersetzt
.
Strasbourg Andre Birmele
^aPst Johannes Paul II.: Knzvklika Über den Heiligen Geist im
Leben der Kirche und der Welt. Deutsche Übersetzung. Leipzig: St.
Benno 1987. 93 S. 8" = Kirchliche Dokumente nach dem Konzil,
24. Brosch. M 2,40.
Aus guten Gründen sind bisher päpstliche Enzykliken nur ganz ver-
e'nzelt einmal in der Thl.7. zur Rezension gelangt. Sic sind ja nicht
theologische Literatur im üblichen Sinne, sondern hochrangige Ver-
'autbarungen des höchsten römisch-katholischen Lehramtes, wobei
^hon diskutiert wurde, wie weit der Anspruch päpstlicher Unfehlbarst
auf sie anzuwenden sei. So müßte denn eigentlich eine ausführ-
'"che Stellungnahme geschrieben werden, will man sich nicht mit
einer kurzen Anzeige begnügen, wofür hier aber kaum der richtige Ort
wäre. Der Versuch, es trotzdem hier mit einigen charakterisierenden
Hinweisen bewenden zu lassen, bedarf insofern der Nachsicht.
Zunächst sei ausdrücklich begrüßt, daß auch diese Enzyklika - mit
Datum vom 18. Mai am 30. Mai 1986 der Öffentlichkeit übergeben -
so bald in einer handlichen Ausgabe auch in der DDR greifbar ist.
Daß die Veröffentlichung nur in deutscher Sprache erfolgt, mag mancher
bedauern, hat aber sicher seine guten Gründe. Die Originalsprache
ist aber (wie im Osservatore Romano zu lesen war) ohnehin
nicht das übliche Latein, sondern das Polnische. Zu bedauern ist
jedoch, daß wiederum nur der bloße Text geboten wird ohne jeden
einführenden und aufschließenden Kommentar. Denn die Enzykliken
Johannes Pauls II. sind ja nicht mit den herkömmlichen Maßstäben
zu messen. Hans Urs von Balthasar, der dem gegenwärtigen
Papste in seiner Art zu schreiben wohl verhältnismäßig nahestand,
schreibt in seinem Kommentar zu dieser Enzyklika von einem „langen
Schreiben, das viele Gedanken wiederholt, durch lange Zitate aus
dem Konzil, zumal aus ,Gaudium et Spes', den Gedankenfluß gelegentlich
aufhält und in seinem spiralenförmigen Aufwärtskreisen zuweilen
fälschlich den Eindruck erweckt, am Ort zu treten. Der Leser
vergesse nicht, daß das Ganze sich in der Sphäre des unergründlichen
Mysteriums der Dreieinigkeit Gottes bewegt, dessen Räume sich nach
allen Seiten hin öffnen, und das sich jedem säuberlich vom Menschen
gebahnten Weg entzieht. Das hier ausgeschüttete Füllhorn zeugt von
der Überfülle des von Gott Geschenkten, so daß- wie in einem Kaleidoskop
- immer neue Aspekte und Konstellationen, Begegnungen
von Einzelmomenten, Durch- und Ausblicke sich öfihcn." So ist die
Lektüre nicht gerade einfach. Man muß sich schon selbst ganz mit
hineinnehmen lassen in diese Art zu denken.
Hinzu tritt ein weiteres: Die Lehrschreiben Johannes Pauls II. unterscheiden
sich von denen seiner Vorgänger auch insofern, als der
Papst mit ihnen zumeist nicht aktuell diskutierte Lehrpunkte zu einer
Entscheidung führen oder zu bedrängenden Entwicklungen oder Situationen
der Kirche Stellung beziehen will, sondern recht unabhängig
von äußeren Gegebenheiten ein weitgespanntes theologisches Programm
entfaltet. So muß diese Enzyklika eng zusammen mit ihren
Vorgängerinnen Redemptor Hominis (1979) und Dives in Misericor-
dia (1980) über Christus, den Erlöser, und Gott, den Vater der Barmherzigkeit
, gesehen werden. Mit ihnen zusammen bildet sie eine in
sich geschlossene Betrachtung der Trinität, was für die Gesamtentfaltung
der Theologie nicht ohne Belang sein kann.
Als Absicht der Enzyklika nennt der Papst, „in der Kirche das Bewußtsein
dafür zu entwickeln, .daß sie im Heiligen Geist angetrieben
wird mitzuwirken, daß der Ratschlag Gottes, der Christus zum Ursprung
des Heils für die ganze Welt bestellt hat, tatsächlich ausgeführt
werde"' (Nr. 2, S. 8 in Aufnahme eines Satzes des II. Vatikanischen
Konzils), und das (schon hier wie inzwischen auch in anderen Publikationen
immer häufiger) angesichts des kommenden 3. Jahrtausends
der christlichen Geschichte (vor allem in den Abschnitten 49-53,
S. 60-66).
Zu dieser Mitwirkung gehört es vor allem zu erkennen, „daß jedes
Nahekommen und Gegenwärtigwerden Gottes gegenüber dem Menschen
und der Welt... in unserer menschlichen Wirklichkeit auf
Widerstand und Ablehnung stößt" (Nr. 55, S. 670- Die Spannung, die
sich daraus ergibt, ist zwar schon im menschlichen Wesen als
„Fleisch" und „Geist" selbst grundgelegt. Sie erfährt ihre Konkretion
in der menschlichen Sünde. Doch tritt zu dieser gleichsam „inneren
Dimension" eine „äußere", indem sich der „Widerstand gegen den
Heiligen Geist" als Inhalt der Kultur und der Zivilisation, als philosophisches
System, als Ideologie, als Aktions- und Bildungsprogramm
für das menschliche Verhalten konkretisiert (Nr. 56, S. 70), besonders
zugespitzt einerseits in Materialismus und Atheismus, andererseits
in Zeichen des Todes wie Rüstungswettlauf, Hunger, Abtreibung
und Terrorismus. So komme es darauf an. daß die Menschen sich
wieder selber finden und in der Kirche das „Sakrament der innigen
Vereinigung mit Gott" (S. 78) erkennen und so den Weg in das dritte