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Ausgabe:

1983

Spalte:

637-638

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Stappenbeck, Christian

Titel/Untertitel:

Eine Kirche in der Übergangsperiode - die Entwicklung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im Spiegel ihrer Provinzialsynoden von 1945 bis 1960/61 1983

Rezensent:

Stappenbeck, Christian

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637

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8

638

Stappenbeck, Christian: Eine Kirche in der Übergangsperiode. Die

Entwicklung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im
Spiegel ihrer Provinzialsynoden von 1945 bis 1960/61. Diss. (A)
Berlin 1981.212 S.

Es ist an der Zeit, die Nachkriegsgeschichte der evangelischen Kirchen
in beiden deutschen Staaten gründlich zu erforschen. Für Berlin-
Brandenburg werden mit obiger Arbeit erstmals Grundlinien der
Kirchengeschichte zwischen 1945 und 1961 dargestellt - das heißt in
der geschichtlichen Umbruchszeit des Überganges von der bürgerlichen
zur sozialistischen Gesellschaftsordnung. Hier, auf dem Boden
der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR, wurde (im
Unterschied von den anderen Volksdemokratien) eine protestantische
Volkskirche in diese sozialen Umwälzungen hineingestellt, wobei die
bfandenburgische Provinzialkirche eine eigene, einzigartige Rolle
spielte, da sie - das Westberliner Gebiet mitumfassend - im Brennpunkt
vieler Auseinandersetzungen stand.

Der Bogen spannt sich von den beiden Nachkriegssynoden der
Bekennenden Kirche Berlins und Brandenburgs, die ihre Befugnisse
des Notkirchenregiments 1945 abtraten, bis zu der Zerreißprobe der
Obrigkeitsdebatte auf der Provinzialsynode 1960, abgeschlossen
durch einen Epilog über die Regionalisierung nach dem 13. August
1961.

Die frühere Kernprovinz der preußischen Landeskirche nahm
innerhalb des behandelten Zeitraumes einen außergewöhnlichen
Platz im Rahmen der EKD (Ev. Kirche in Deutschland) ein, bedingt
zum einen durch ihre geographische Lage und zum andern durch die
Tatsache, daß ihr Bischof Dibelius bis 1961 zugleich Ratsvorsitzender
der EKD war.

Die Arbeit zeigt, wie es ihm, dem früheren kurmärkischen Generalsuperintendenten
mit deutschnationalem Parteibuch, gelang, im souveränen
Ausspielen der verschiedenen Kräfte gegeneinander seine
Neuordnung durchzusetzen. Ausgehend von den übriggebliebenen
Organen der Kirchenverfassung des Jahres 1922 und mit Hilfe neuer
Konstruktionen wie Beiratsbildung und Vizegeneralsuperintendentur
gestaltete er ein Kirchenwesen, dessen Spitze in einem gubernato-
risch-repräsentativen Bischofsamt bestehen sollte. Leichter noch als
auf der Ebene der EKD in Treysa setzte sich in Berlin-Brandenburg
die Linie des Episkopalismus, der Einigungswerk-Harmonie und der
Verneinung antifaschistisch-demokratischer Umwälzungen (im
gesellschaftlichen Bereich) durch.

Besonderen Raum in der Darstellung nehmen die in zeitlichem und
sachlichem Zusammenhang mit der Neuordnung entstehenden kirchlichen
Gruppen ein: der Arbeitskreis religiöser Sozialisten (um den
Pfarrer und Synodalen Rackwitz) mit seiner in die Weimarer Republik
zurückreichenden Tradition; der Lutherische Arbeitskreis (später
Lutherische Arbeitsgemeinschaften Berlins und Brandenburgs), der
für eine konfessionell geprägte Kirchenordnung eintrat; der Berliner
Unterwegs-Kreis und der Theologische Arbeitskreis in der Mark
Brandenburg, die~als bruderschaftliche Kreise stark an der Barmer
Erklärung und der Theologie Barths orientiert waren; der Laientag
(um den alten Geheimrat Quaatz); und schließlich jene heterogene
Gruppe oppositioneller Pfarrer, die sich vornehmlich zur Wahrung
ihrer Amtsinteressen zum Freien Konvent (um Kögel und Dilschnei-
der) zusammenschlössen und von der kirchlichen Presse ihrer Zeit
beharrlich totgeschwiegen wurden.

Aus den Mitgliedern der bruderschaftlichen Arbeitskreise rekrutierte
sich später (1957/58) der Kern des bekannten Weißenseer
Arbeitskreises, der für etwa ein Jahrzehnt die synodale Diskussion
entscheidend mitbestimmte. Von ihm wurde die im Unterwegs-Kreis
begonnene, von der Synode 1951 verweigerte Debatte um die Kindertaufe
wieder aufgenommen und damit die traditionelle Volkskirche
mit ihrer kirchlichen Lebensordnung in Frage gestellt.

Während man die berlin-brandenburgische Grundordnung aus
Gründen der Kirchenräson schnellstmöglich verabschiedet hatte,
wurde die Ordnung des kirchlichen Lebens langfristig erarbeitet und
ausführlich auch von den Kreissynoden diskutiert. Dabei ging es ganz

wesentlich um das Verhältnis von Gesetz und Evangelium und um die
Alternative: Buße aus timor poenae oder aus amor iustitiae dei.

War die erste Hälfte der 50er Jahre noch sehr stark von dem kirchlichen
Einheitsfrontdenken geprägt, so traf mit dem Zusammentritt
der dritten Nachkriegssynode Berlin-Brandenburgs (1955) der
Dibelianismus auf eine spürbar wachsende Kritik. Sie betraf die drei
für den Dibelianismus typischen Erscheinungsbilder: a) den autokratischen
Führungsstil im innerkirchlichen Bereich, b) den Anspruch
auf äußere Macht und auf ein geistiges Zensuramt über der Gesellschaft
, c) die Forderung nach einheitlicher Frontstellung gegen
Angriffe von ,außen'.

Nach dem unheilvollen Militärseelsorgevertrag 1957 und dem
Kommunique Staat-Kirche 1958 gipfelten die Auseinandersetzungen
im Obrigkeits-Streit: Ausgelöst durch jene kleine Schrift von Dibelius,
welche die Illoyalität gegenüber der DDR in den Rang einer theologischen
Doktrin erhob, ging es dabei um die Frage, ob die Arbeiter-und-
Bauern-Macht als Obrigkeit im Sinne von Römer 13 anzuerkennen
sei und ob sich die evangelische Kirche darin über den Bonner Alleinvertretungsanspruch
hinwegsetzen solle.

Zwar verweigerte die Obrigkeits-Synode von 1960 gegenüber der
bischöflichen Irrlehre das beantragte schriftgemäße Zeugnis der
Wahrheit, das nur von einer Gruppe von Synodalen vor der Synode
ausgesprochen wurde. Dennoch signalisierte diese Synode das Ende
der Ära Dibelius, jener zeitlich und inhaltlich mit der Ära Adenauer
und der Politik der Konfrontation am Rande des Krieges korrespondierenden
Phase der Kirchengeschichte.

Die Ära Dibelius in der berlin-brandenburgischen Geschichte
erweist sich zugleich als ein weiteres Kapitel illegitimer konstantinischer
Bindung der Kirche, einer Bindung nicht an die schon (in der
DDR) herrschende Arbeiterklasse, die solches auch gar nicht anstrebte
, sondern an das noch (in der BRD) herrschende Besitzbürgertum
. Im Wissen darum rief Heinrich Vogel den Synodalen 1960 zu,
„daß es bereits vor 13 Jahren meine große Sorge war, es möchte die
Begegnung zwischen der Kirche des Evangeliums und der Welt des
Kommunismus entarten zu jenem in der Wurzel verdorbenen Gegensatz
zwischen einer evangelischen und einer atheistischen Front".

Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg brachte aber nach
dem 13. August 1961 kein Eingeständnis ihres Versagens und keine
Buße zuwege, sondern ein zauderndes Einlenken unter dem Druck der
Realitäten.

Berichte und Mitteilungen

Hermann-Leberecht-Strack-Preis

Der Hermann-Leberecht-Strack-Preis der Landeskirchlichen Stiftung
für evangelische Theologie wird hiermit zum fünften Mal ausgeschrieben
.

Thema: Die Stellung des Fremden im Alten Testament.
Zugelassene Teilnehmer: Student(inn)en der evangelischen Theologie
, die sich auf ein theologisches Examen vorbereiten; ferner, wer ein
evangelisch-theologisches Examen bestanden hat und als Pfarrer,
Katechet, Publizist usw. tätig ist.
Einreichungsfrist: 30. Juni 1984.

Einreichung in zwei Exemplaren in Maschinenschrift in deutscher
Sprache ohne Namensnennung-jedoch mit einem Kennwort - sowie
unter Beifügung eines mit demselben Kennwort bezeichneten verschlossenen
Briefumschlags, der Name, Beruf und Anschrift des Verfassers
enthält. Die Arbeit darf noch nicht veröffentlicht sein. Ein Programm
mit weiteren Informationen ist erhältlich vom Vorsitzenden
der Landeskirchlichen Stiftung für evangelische Theologen.

Prof. Dr. Richard Hentschke
Teutonen Str. 18
1000 Berlin (West) 38