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Ausgabe: | 1983 |
Spalte: | 622-624 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Borné, Gerhard F. |
Titel/Untertitel: | Christlicher Atheismus und radikales Christentum 1983 |
Rezensent: | Urner, Hans |
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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8
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wegs repräsentativ) sowie „Jesus und die Irren, die Narren, die Komödianten
und Clowns" geboten.
Der 2. Hauptteil der Arbeit endet mit dem Abschnitt „Knotenpunkte
". Unter diesem Stichwort - offenbar bewußt „untheologisch"
formuliert - finden sich Textbeispiele zu Geburt, Passion und Kreuz
sowie Ostern. Der Ertrag ist nicht allzu umfangreich; allerdings weist
der Vf. ausdrücklich auf folgendes hin: „Wenn in diesem Kapitel
Passion und Kreuz Jesu noch einmal ausdrücklich thematisiert
werden sollen, so darf darüber nicht vergessen werden, daß gerade
Kreuz und Passion immer wieder als zentrale Motive vieler unserer
... Textbeispiele aufgetaucht sind" (275). Dies gilt wohl auch für
die anderen „Knotenpunkte".
Die Arbeit schließt mit einem zusammenfassenden Antwortversuch
auf die Frage: „Christliche Literatur?" (298-320). Noch einmal
wird das Kriterium des Christlichen herausgestellt: „Person und
Sache Jesu Christi" (302). Moderne Autoren haben christliche Literatur
geschrieben, die zwar mit der traditionellen christlichen Literatur
nichts gemein hat; ihre Texte „drängen sich [aber]... als das auf,
was sie faktisch sind: Texte, maßgebend bestimmt von Person und
Sache Jesu Christi, moderne christliche Texte" (303). Der Vf. erklärt
deutlich, daß das den Begriff „christliche Literatur" inhaltlich verändert
; ihm liegt zugleich daran, „nur das für christlich zu erklären, was
einen maßgebenden Bezug zu Jesus Christus und seiner Sache enthält
" (303). Auch wenn Kuschel in diesem Zusammenhang versichert
, das „Nichtchristliche in seinem Selbstverständnis" ernstzunehmen
, bleibt die Frage nach dem Selbstverständnis der betreffenden
Autoren angesichts dieser Neubestimmung von „christlicher Literatur
" noch zu klären. Und auch wenn weiter zu lesen ist, daß nicht alles
„historisch dem .Christentum' Zugewachsene" zu dieser Literatur
gehört, so bleibt doch die Frage, wie es denn zu jener Bestimmung
durch „Person und Sache" Jesu kommt. Schließlich: Der Verfasser
hatte die Diskussion um die Christologie „von unten" zu den Voraussetzungen
seiner Arbeit gezählt. Dies kommt m. E. in der Durchführung
nicht genügend zum Tragen (allerdings 313,3180; auch hätte
man erwartet, daß in einer ökumenischen Arbeit eines katholischen
Verfassers evangelische Positionen zur Sache wie die von Ebeling
erwähnt bzw. berücksichtigt würden.
Der Verfasser hat mit seiner Neubestimmung des Begriffs „Christliche
Literatur" Schriftsteller und Theologen herausgefordert und
kann mit Recht eine klare Antwort erwarten. Der Rezensent kann
ihm wegen der bereits genannten Fragen nicht uneingeschränkt folgen
und würde vorläufig eher der bereits zitierten Aussage von Walter Jens
vom „Jesus der Literaten . . ." den Vorzug geben. Mit anderen
Worten: Daß es außerhalb von Kirche und Theologie Interesse,
Respekt, Sympathie, Inanspruchnahme im Blick auf Jesus gibt, ist
auch und gerade für christliche Theologie und Verkündigung unübersehbar
wichtig und relevant, und die Frage, was das christologisch
bedeutet, muß gestellt und beantwortet werden (gehört etwa auch
diese Seite nicht nur zur Wirkungsgeschichte Jesu, sondern zu seiner
Menschwerdung?). Ob aber Texte, die solches Interesse, solchen
Respekt, solche Sympathie usw. widerspiegeln, christliche Literatur
sind, ist m. E. damit noch nicht endgültig entschieden.
Zwei weitere Veröffentlichungen des Verfassers seien im Rahmen
dieser Besprechung noch kurz angezeigt: Kuschel hatte bereits in
seinem Jesus-Buch Hochhuths „Der Stellvertreter" interpretiert; das
Papstthema hat er nun zu einer selbständigen Monographie ausgebaut
: „Stellvertreter Christi? Der Papst in der zeitgenössischen
Literatur" (1980). Zielstellung ist hier, den Leser „mit Alternativen
[zu] konfrontieren und zur erneuten Überprüfung einmal gewonnener
Vorstellungen vom Papsttum [zu] ermutigen" (9). Als Ergebnis wird
u- a. festgehalten: „Ein im Geist des Nazareners erneuertes universales
Papsttum als Motor einer universal zu erneuernden Kirche: das
ist das Bild, das Schriftsteller heute vom Papsttum zeichnen" (201).
Vom Vf. wird das als theologische Herausforderung angenommen (auf
diese Untersuchung wird in der ThLZ noch einmal in anderem
Zusammenhang eingegangen werden).
Zu nennen ist schließlich ein dritter Titel: „Der andere Jesus. Ein
Lesebuch moderner literarischer Texte" (1983). Diese von Kuschel
herausgegebene Sammlung soll den Umgang mit den zwei vorausgegangenen
Büchern des Autors erleichtern. Texte sehr unterschiedlicher
Herkunft und Bedeutung sind hier zusammengestellt; so gern
man es auch liest - die These des Vf., „dieser Jesus von Nazaret [sei]
die große, einmal offene, einmal geheime Bezugsgestalt der zeitgenössischen
Literatur" (12), ist durch diese Auswahl nicht bestätigt - und
sie läßt sich wohl auch in dieser Ausschließlichkeit nicht halten.
Überblickt man das Ganze der hier vorgestellten, sehr kundigen
Arbeiten eines Theologen, der zugleich germanistisch ausgebildet ist,
so bleiben zwei Grundfragen: Wird nicht doch die Bedeutung moderner
Literatur für die „Christologie" überschätzt? und: Wird nicht
auch die Bedeutung Jesu von Nazaret für die moderne Literatur überschätzt
? Darüber wird jedenfalls weiter gearbeitet werden müssen;
dem Autor verdanken wir wesentliche (neue) Anstöße und erste
Lösungsvorschläge.
Leipzig Ernst-Heinz Amberg
Borne, Gerhard F.: Christlicher Atheismus und radikales Christentum
. Studien zur Theologie von Thomas Altizer im Zusammenhang
mit Ketzereien der Kirchengeschichte, der Dichtung von
William Blake und der Philosophie von Georg Friedrich Wilhelm
Hegel. München: Kaiser 1979. IV, 309 S. 8°. Kart. DM 36,-.
Mit diesem sehr verdienstlichen Buch hat sich der Vf. seine Forschungsarbeit
unnötig erschwert, indem er bei Thomas Altizer (geb.
1927) eingesetzt hat. Altizer, Schüler von Joachim Wach, später von
Mircea Eliade, ist Religionswissenschaftler in den USA, der sich
dankbar auf Tillich beruft. Nur eines seiner Bücher ist bisher in die
deutsche Sprache übersetzt worden: The Gospel of Christian
Atheism. Philadelphia 1966 (...daß Gott tot sei. Versuch eines
christlichen Atheismus. Zürich 1968). Von dieser frohen Botschaft
heißt es dort, sie „kann uns von der Furcht vor einem fremden Jenseits
erlösen ... und uns für eine totale Teilnahme an der Wirklichkeit des
unmittelbaren Augenblicks" freimachen (S. 169). Dies aber hat gerade
Tillich m. E. weit besser, gründlicher und praktischer erreicht
mit seinem Buch: Der Mut zum Sein. Stuttgart (1953). Altizer beruft
sich aber auch ohne Vorbehalt auf Nietzsche, daß dieser mindestens
indirekt den Faschismus rechtfertigen kann, während Borne in seiner
Dissertation deutlich die „reaktionären" von den „emanzipatori-
schen" Elementen bei Nietzsche trennt (Maschinenschrift S. 702).
Altizer hat aber in seinen vorliegenden Veröffentlichungen auch auf
William Blake (1757-1827) zurückgegriffen, was ich in Übereinstimmung
mit Borne für wesentlicher halte als seine Berufung auf Nietzsche
. Borne hat es unternommen, diesen und andere Zeugen eines
„christlichen Atheismus" in der Geistesgeschichte, auf die Altizer
sich beziehen kann, genauer zu analysieren. Eine Beschränkung auf
Blake hätte aber dieser Arbeit zu größerer Konzentration verholfen.
Die sehr sorgfältigen historischen Analysen und Auseinandersetzungen
verdecken für den Leser mehr und mehr die Grundfrage Altizers:
„Wie läßt sich die Allmacht des (theistischen) Gottes angesichts des
Elends auf der Welt moralisch rechtfertigen?", wobei beachtet werden
muß, daß nicht Abschaffung, sondern Weiterentwicklung der Tradition
, aber ein Zusammenhang der theologischen Grundlagenkrise mit
den gesellschaftlichen Verhältnissen erkannt wird. Darin ist der Vf.
mit Altizer einig (S. 10-12). Die religionsphilosophischen Fragen werden
von Borne aufgenommen, aber nicht systematisch, sondern innerhalb
der Auseinandersetzung mit den historischen Gewährsmännern
Altizers erörtert. Das Einleitungskapitel über das Bibelverständnis
Altizers und das Schlußkapitel über Nietzsche in der Dissertation sind
im Buch weggefallen, was schon vom Umfang her hinreichend begründet
ist.
Für Joachim von Fiore (S. 20-38) wird über Altizer hinaus gegen
Herbert Grundmann das revolutionäre Programm ebenso wie die