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Ausgabe: | 1983 |
Spalte: | 610 |
Kategorie: | Dogmen- und Theologiegeschichte |
Autor/Hrsg.: | Subilia, Vittorio |
Titel/Untertitel: | Die Rechtfertigung aus Glauben 1983 |
Rezensent: | Molnár, Amedeo |
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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8
610
indem das byzantinische Schrifttum zur Filioque-Polemik zwischen
Photius und Palamas, dann die asketisch-mystischen Autoren etwa
des gleichen Zeitraumes (allerdings hier beginnend mit Symeon dem
neuen Theologen) und schließlich die Väter des 4. Jahrhunderts zur
Sache befragt werden. Dabei zeigt sich - für die Vfn. wieder ein Anlaß,
ihre Auffassung von der Meyendorffs abzugrenzen - daß wohl die
scharfe Zäsur zwischen wesensimmanenter und ökonomischer Trini-
tät als Vorstufe der Energienlehre des Palamas wahrgenommen werden
kann, keineswegs aber diese selbst. Denn dem gesamten hier
untersuchten Schrifttum gemeinsam ist die tiefgehende Selbstverständlichkeit
, mit der das geistliche Leben auf das Wirken des Heiligen
Geistes als einer Person der Trinität zurückgeführt wird. Allein in
der Gotteslehre des Nysseners findet die Verfasserin einen Anknüpfungspunkt
des Palamismus in der Vätertheologie.
Feststellungen von nicht geringer Bedeutung! Denn ich glaube
nicht, daß die protestantische Theologie, auch die, die nun schon seit
Jahrzehnten intensive Gespräche mit den orthodoxen Kirchen führt,
ein hinlängliches Bewußtsein davon besitzt, daß sie gerade in der Tri-
nitätstheologie der Ostkirchen nicht mit der der Väter des 4. Jahrhunderts
, sondern deren Uminterpretation durch die im 14. Jahrhundert
gefällte Entscheidung zugunsten des Palamas konfrontiert ist. Man
braucht nur die protestantischen Beiträge in dem von L. Vischer herausgegebenen
Band mit Beiträgen zur Filioque-Diskussion „Geist
Gottes-Geist Christi" zu vergleichen, um diesen Satz bestätigt zu finden
. Und die Situation des ökumenisch-theologischen Gesprächs ist
so, daß wir es uns nicht mehr leisten können, wie einst die Tübinger
lutherischen Professoren, es gar nicht zu bemerken, welche metabasis
eis allo genos vor sich geht, wenn die trinitätstheologische Formel
Gregors v. Nazianz „adihairetös dihaireitai" auf die Distinktion von
Usia und Energien angewandt wird. Wenn Gott seine Offenbarung für
seine Geschöpfe artikuliert, so ist dies niemals kommensurabel den
Begriffen, die unser unterscheidendes Denken auf Gott anwendet.
Was uns die Vfn. hier eingeschärft hat. darf nicht wieder in Vergessenheit
geraten, und dies um so mehr, als das von ihr vorgelegte Material
kaum durch anderes zu entkräften sein dürfte.
Weniger einhellig wird die Meinung über die Deutung desselben
sein können. Um an einem fürdie Unterscheidung östlicher und westlicher
Trinitätsauffassung zentralem Punkt einzusetzen: Auch wenn
die Aussage über den Heiligen Geist als den Eros zwischen Vater und
Logos in Gott so vereinzelt im Schrifttum des Palamas dasteht, wie die
Vfn. auf S. 46 dartut - ist das Faktum als solches nicht im Verein mit
den psychologischen Ternaren Gregors (Wendebourg 57) schon ein
großes Fragezeichen hinter jenem traditionellen Konsens, des Augustinus
Lehre über den Geist als innertrinitarisches vinculum caritatis
sei „typisch westlich"? Der Rezensent kann sich auch des Eindruckes
nicht erwehren, daß Meyendorffs Palamas-Interpretation an diesen
Aussagen einen auch von der Vfn. nicht entkräfteten Anhaltspunkt
besitzt.
Und hat nicht die allzu straffe Orientierung auf das Usia - Energie -
Problem in mancher Hinsicht präjudizierend gewirkt? Die Vfn. hat
einleuchtende Gründe für ihre Verweisung der christologischen Fragen
in einen Exkurs beigebracht, aber ist nicht ein neuralgischer Punkt
erreicht, wenn eine Monografie über die Verankerung des christlichen
Lebens das Jesusgebet in eine Anmerkung verweist (Wendebourg
•50)? Und ist die dort vollzogene Scheidung zwischen Spiritualität
und Theologie nicht allzu westlicher Provenienz und für Orthodoxe
kaum akzeptabel?
Aber auch der westliche Leser fragt sich: Was wollte Palamas nun
eigentlich - eine Distinktion in die Gotteslehre einführen bzw. jene
untermauern - oder eine geistliche Praxis gegen Häresieverdacht verteidigen
? Wäre es nicht doch erforderlich gewesen, die freilich schon
°ft dargestellte Barlaam-Kontroverse noch einmal unter dem Gesichtspunkt
dieser Studie zu wägen und zu durchdenken? Möglicherweise
hätte die Neubewertung Barlaams, für die sich Podskalsky eingesetzt
hat, dabei Auswirkungen gezeitigt.
Gerne würde man mit der gelehrten Vfn. auch darüber diskutieren,
welcher Stellenwert der Gotteslehre des Areopagiten in der Vorbereitung
der Palamitischen Usia-Lehre zukommt. Könnte nicht die Verschiebung
von einer theotes pegaia zur pege theotetos ein Moment
dieser Geschichte sein?
Wir brechen hier ab, nicht ohne die Überzeugung geäußert zu
haben, daß dieses den Durchschnitt gedruckter Dissertationen weit
überragende Buch noch viele andere Fragen und Diskussionen provozieren
wird. Dies um so mehr, als es auch für den Nichtexperten gut
lesbar ist, weil die zahlreichen, sehr sorgfältig wiedergegebenen Belegtexte
zuverlässig und genau ins Deutsche übersetzt sind.
Folgende Druckfehler habe ich bemerkt:
S. 8 Anm. 6 lies „Eiert" statt „Ehlert"
S. 105 Anm. 159 lies „phanerosis" statt „phanetosis"
S. 118 Abs. 2 Zeile 6 von unten lies „energetischen" statt „exegetischen"
S. 134 Abs. 2, Zeile 3 von oben lies „charis" statt „garis"
S. 143 Abs. 2 Zeile I von oben lies „Ekdikos" statt „Ekdidos"
S. 198 Abs. I Zeile 3 von unten lies „Eundcm" statt „Eudem"
Berlin Wolfgang Ullmann
Subilia, Vittorio: Die Rechtfertigung des Glaubens. Gestalt und Wirkung
vom Neuen Testament bis heute. Ubersetzung aus dem Italienischen
von Max Krumbach unter Mitarbeit von Kurt-Victor
Selge. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1981. 306 S. 8" =
Göttinger theologische Lehrbücher.
Die grundlegende Arbeit des emeritierten Systematikers der Wal-
denser-Fakultät in Rom, deren Erstausgabe wir in ThLZ 102, 1977
Sp. 895-898 besprochen haben, erscheint in einer zuverlässigen und
gut lesbaren Übersetzung. Im Vorwort zu dieser deutschen Ausgabe
spricht der Vf. die Hoffnung aus, sein Buch werde auch und besonders
in der deutschen Fassung eine Botschaft wieder zu bedenken helfen,
die in den Ohren unserer Zeitgenossen keinen Widerhall mehr zu finden
scheint. Diesem Wunsch ist durchaus beizupflichten. Besonders
der aktuelle Sinn der reformatorischen Rechtfertigungslehre wird im
Werke Subilias ungewöhnlich scharf gesehen und herausgearbeitet
und mag an die heutige Kirche und Theologie lebensnah herantreten.
Die sorgfältige Neuausgabe wurde im Apparat um weitere Belegstellen
und Angaben der neuesten Literatur reichlich vermehrt. Leider
ist das nicht der Fall, was das Kapitel über die Verkündigung der Wal-
denser betrifft (S. 62-72). Hier würde man mit-Interesse und Neugier
dem Urteil des Vf. entgegensehen, hätte er die neuerschlossenen Quellen
zur Synode in Chanforan (1532) und zur Rechtfertigungslehre der
böhmischen Brüderunität seit den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts
berücksichtigt. Das Inquisitionsverfahren des Johannes de Roma
von 1532 gegen den Waldenser-Barben Pierre Griot, das unlängst ausfindig
gemacht wurde (Gabriel Audisio, Le barbe et l'inquisiteur. Pro-
ces du barbe vaudois Pierre Griot par l'inquisiteur Jean de Roma.
Aix-en-Provence 1979), gibt der lutherschen Rechtfertigungslehre in
Chanforan ausdrücklich das Wort. Mag auch die Glaubwürdigkeit
eben dieser Aussagen eher gering sein, wäre eine Überprüfung dieses
Zeugnisses in einem Aufsatz, der über Chanforan spricht (S. 68), doch
angebracht. Über das Rechtfertigungsverständnis der Böhmischen
Brüder eben in bezug auf die Waldenser schrieb ich, auch in Auseinandersetzung
mit Subilia, in meinem Aufsatz I Valdesi e la Riforma
cinquecentesca(Protestantesimo 32, 1977, 73-91).
Prag . Amedeo Molnär
Gregorii Ariminensis, OESA: Lectura super primum et secundum
sententiarum, ediderunt A. Damasus Trapp OSA, V. Marcolino. II:
Super primum (Dist 7-17). Elaboraverunt: V. Marcolino, M. San-
tos-Noya, W. Simon, V. Wendland. Berlin-New York: de Gruyter
1982. VI, 491 S. gr. 8' = Spätmittelalter und Reformation. Texte
und Untersuchungen, 7. Lw. DM 228,-.
Die große Gregor von Rimini-Ausgabe nähert sich ihrem Abschluß
. Es fehlt nur noch Tomus III, der den Rest des ersten Buches