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Ausgabe: | 1983 |
Spalte: | 595-597 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Kim, Seyoon |
Titel/Untertitel: | The origin of Paul's gospel 1983 |
Rezensent: | Wolff, Christian |
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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8
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Kim, Seyoon: The Origin of Paul's Gospel. Tübingen: Mohr 1981.
XII, 391 S. gr. 8* = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen
Testament, 2. Reihe, 4. Kart. DM 78,-.
Mit dieser von F. F. Bruce und O. Betz betreuten und von der Universität
Manchester 1977 angenommenen Dissertation stellt sich ein
koreanischer Neutestamentier der internationalen Fachwelt vor.
M. Hengel macht in seinem Vorwort eigens auf die ökumenische Bedeutung
dieses Vorgangs aufmerksam.
In der „Introduction" zeigt Kim den Ausgangspunkt seiner Untersuchung
auf: Nach dem Zeugnis des Paulus (Gal 1,11-17) ist sein
Damaskus-Erlebnis der Ursprung seines Evangeliums. Dieses Selbstzeugnis
des Apostels gilt es ernstzunehmen. Kapitel 1 ("Preliminary
Considerations") diskutiert jene Position (G. Lohfink, G. Bornkamm
), wonach das Damaskus-Erlebnis keine zentrale Rolle für Pls.
gespielt haben soll, da er nur selten und kurz darauf zu sprechen
kommt. Demgegenüber macht Kim geltend, daß außer den bekannten
Stellen (1 Kor 9,1; 15,8-10; Gal 1,13-17; Phil 3,4-11) noch weitere zu
berücksichtigen seien, in denen auf dieses Ereignis Bezug genommen
wird: Rom 10,2-4; IKor 9,16f; 2Kor 4,1-6; 5,16-18; Eph 3,1-13 (!);
Kol 1,23-29. Am überzeugendsten wirkt das ausführlich begründete
Verständnis von 2Kor 4,1-6. Die Kürze der brieflichen Bezugnahmen
auf das Damaskus-Geschehen wird einsichtig motiviert: Pls. schreibt
an Gemeinden, die von seiner Bekehrung bereits erfahren haben
(Gal 1,13); denn in der pln. Missionsverkündigung war die Begegnung
des Apostels mit dem Auferstandenen mitenthalten (vgl. IKor
15,3-8). - Kapitel 2 ("Paul The Persecutor") behandelt in informativer
Weise das Leben des Pls. vor seiner Berufung und seine Verfolgertätigkeit
. - Kapitel 3 ("The Damascus Event") arbeitet vor
allem heraus, daß die wahrscheinlich mit einer Wortoffenbarung verbundene
Christophanie von Anfang an die Berufung zum Heidenapostel
bedeutete; der apologetische Charakter von Gal 1,11 F. 15 f
schließt eine erst später erfolgte derartige Entwicklung aus.
Die folgenden Kapitel untersuchen verschiedene Aspekte des pln.
Evangeliums, zunächst Kapitel 4 "The Revelation". Der Gebrauch
von „Offenbarung" in Gal 1,12.16 zeigt, daß der auf der Damaskus-
Erfahrung beruhende Inhalt des pln. Evangeliums Christus als gegenwärtige
Heilswirklichkeit und als erwartete Heilsvollendung ist; denn
Pls. sah mit der Erscheinung des Auferstandenen zugleich die antizipierte
Parusie (Gal 1,16). Dem entspricht, nach apokalyptischer Terminologie
, die Charakterisierung des Evangeliums als „Geheimnis",
sofern es nämlich Christus als die Verkörperung von Gottes Heilsplan
, der dem Apostel jetzt offenbart wurde, zum Inhalt hat. In diesem
Sinne wird IKor 2,6 ff angemessen interpretiert. Fraglich erscheinen
dagegen die Überlegungen zu Rom 11,25f: Nach Kim habe Pls. seine
Berufung im Lichte von Jes 49,1-6 und (im Anschluß an O. Betz) Jes
6 verstanden; von Jes 6 her werde das „Geheimnis" in Rom 1 l,25f
(teilweise und zeitweise Verstockung Israels) verständlich; Pls. habe
diese Einsicht entweder durch Reflexion des Damaskus-Erlebnisses
erlangt oder aber direkt bei seiner Berufung erhalten. Der Rückgriff
auf Jes 6 ist jedoch nicht überzeugend, da Pls. auf diese Stelle weder im
Kontext noch sonst Bezug nimmt.
Weil Pls. sein Evangelium streng christologisch definiert, nehmen
Kapitel 5 und 6 ("Christology") zu Recht den breitesten Raum des
Buches ein. Hier versucht Kim zunächst den Nachweis, "that the
ideas of the pre-existence, mediatorship in creation, and sending and
giving-up the Son of God are a Pauline contribution and they are
grounded ultimately in Paul's Damascus experience" (114). Kim
macht geltend, daß Pls. bei Damaskus Christus als Ende des Gesetzes
erfuhr: Der Gekreuzigte und damit vom Gesetz Verfluchte wurde als
Gottes Offenbarung erkannt; er hat also die Tora als Offenbarung verdrängt
, ist nun selbst anstelle der Tora die wahre Weisheit (IKor
1,24.30). Aus diesem Grunde habe Pls. Weisheitsvorstellungen und
-prädikate auf Christus übertragen. Der für die Charakterisierung des
Evangeliums gebrauchte Gottessohntitel "is the best suited to
designate the exalted one who by superseding the Torah has proved
himself to be the true divine Wisdom, the one who stood in an inti-
mate relationship with God from the beginning, acted as his agent in
creation and was sent forth into the world to redeem us from $in and
the law" (1340- Das Problem, daß Weisheitsaussagen vorzugsweise in
als vorpaulinisch angesehenen Stellen begegnen, wird im Zusammenhang
mit Kapitel 6 erörtert, wo die Vorstellung von Christus als der
Imago Dei untersucht wird. Kim möchte hier bei der Besprechung der
einschlägigen Stellen den Nachweis pln. Verfasserschaft für Phil 2,6
bis 11 und Kol 1,15-20 erbringen. Aber die knappen und oft mehr
suggestiv fragenden als wirklich argumentierenden Überlegungen
überzeugen nicht recht. Darüber hinaus fehlen zu lKor.8,6 jegliche
Erörterungen hinsichtlich des weithin angenommenen nichtpauli-
nischen Charakters. Der Nachweis eines paulinischen Ursprungs der
Übertragung weisheitlicher Vorstellungen auf Christus scheint mir
also nicht erbracht zu sein. Weitere für die Imago-Christologie bedeutsame
Stellen wie Phil 3,20f und Rom 8,29 werden dagegen gut
begründet als von Pls. selbst stammende Aussagen verstanden.
Kim gelangt nach der Sichtung der betreffenden Stellen zu dem Ergebnis
, daß die Imago-Christologie und die Vorstellung von der Verwandlung
der Christen in das Bild Christi spezifisch pln. seien und im
Damaskus-Erlebnis gründen. Damals sah Pls. den erhöhten Christus
in Herrlichkeit als das „Bild Gottes", wie 2Kor 4,4 in Verbindung mit
V. 6 zeige. Dem Nachweis dieser These dienen die sich anschließenden
religionsgeschichtlichen Überlegungen. Hier wird herausgearbeitet
, daß in alttestamentlich-jüdischen Epiphaniebeschreibungen häufig
vom „Bild" des sonst unsichtbaren Gottes bzw. himmlischer
Wesen die Rede ist (z. B. Ez 1,26-28; 8,2f; Dan 7,13); andererseits
erscheinen Menschen, die in die himmlische Welt bzw. ins Jenseits
entrückt sind, „wie Gott". Philon betont wiederholt, daß in den Theo-
phanien nicht Gott selbst, sondern sein „Bild" zu sehen ist, das als
Logos verstanden wird; der Logos ist also Theophanieträger. - In Analogie
zu den Visionen der Propheten und Apokalyptiker soll Pls. den
ihm erschienenen Christus, insofern er menschliche Konturen hatte,
„wie einen Menschen", auf Grund seiner himmlischen Herrlichkeit
aber zugleich „wie einen Sohn Gottes" oder als „einen wie Gott", als
Theophanieträger und somit als Imago Dei verstanden haben. Den
überzeugendsten Beweis dafür findet Kim in 2Kor 3,1-4,6. Dieser
Abschnitt sei ganz von der Damaskus-Erfahrung geprägt; die antithetische
Typologie in 2Kor 3 besage: Wie Mose Gottes Herrlichkeit auf
dem Sinai sah, so erblickte Pls. den in Herrlichkeit erscheinenden
Christus, und zwar als das Bild Gottes (4,1-6). 3,16-18 gebe diese Erfahrung
wieder und übertrage sie auf alle Christen, die sich zum Herrn
bekehrt haben und die vollkommene Offenbarung Gottes in Christus
sehen. - Es sei nicht bestritten, daß sich in 3,1-4,6 die Damaskus-
Erfahrung des Pls. niedergeschlagen hat. Aber 3,18 läßt sich kaum von
daher verstehen. Pls. will gerade den Korinthern gegenüber (vgl.
IKor9,1; 15,8-11!) schwerlich voraussetzen, daß er den erhöhten
Christus wie im Spiegel reflektiert, "indirect and somewhat blurred"
(232), sah. Der Apostel spricht hier vielmehr von einem gegenwärtigen
Sehen der Herrlichkeit, das allen Glaubenden durch den Geist ermöglicht
ist. - Kim stellt dann traditionsgeschichtliche Überlegungen
zu den Throntheophanien und zur Gestalt „wie ein Menschensohn"
an. Dabei werden unterschieden die apokalyptische Linie, in der Gott
in menschlicher Gestalt erscheint bzw. Gottes Herrlichkeit hyposta-
siert ist „wie ein Mensch", und die weisheitliche Linie, in der die
Weisheit bzw. der Logos als Theophanieträger fungieren und die
Imago Dei darstellen. Für Jesus vermutet Kim, daß Jesus sich mit der
Dan 7,13 aufgreifenden Bezeichnung „Menschensohn" zugleich als
Gottessohn verstand, weil der Menschensohn bei Daniel eine himmlische
Gestalt ist. Kim vermutet weiter, daß Pls. durch sein Damaskus-
Erlebnis unmittelbar auf Dan 7,13 geführt wurde, weil er eine himmlische
Gestalt „wie einen Menschensohn" sah und daß er von daher
auch die ihm wohl schon früher bekannte Selbstbezeichnung Jesu verstand
. Gegenüber seinen heidenchristlichen Hörern und Lesern gebrauchte
der Apostel diesen mißverständlichen Titel jedoch nicht,
sondern den Gottessohntitel. - Da Pls. nirgends aus Dan 7 zitiert oder