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Ausgabe:

1983

Spalte:

580-581

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Halbe, Jörn

Titel/Untertitel:

Das Privilegrecht Jahwes 1983

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8

580

Hand des Pentateuchredaktors." (161) H. vertritt dieses Gesamtergebnis
überall mit Emphase. Die einzelnen Beweisgänge und -mittel
haben unterschiedliche Stringenz. Viele stützen sich gegenseitig, manche
bleiben, für sich genommen, offen oder mehrdeutig. Für den Vergleich
wäre eine Text-Synopse mit graphischen Hervorhebungen eine
große Hilfe gewesen. Kritische Rückfragen können angesichts der
Fülle des Vorgebrachten gar nicht ausbleiben: Die Herieitung des
Sabbatgebotes (56f) z. B. leuchtet mir nicht ein; in Dtn 9f (Exkurs:
147-161) kann ich nicht den Schlüsseltext für die Geschichte des
Tafel-Motivs erkennen - usw.

Natürlich erfordert das Resultat des synoptischen Vergleichs eine
ihm entsprechende Beurteilung der kontextualen Zusammenhänge,
die H. in der zweiten Hälfte thematisiert. Daß er diese beiden fundamentalen
Aspekte der Monographie nicht nacheinander oder gar isoliert
voneinander, sondern uno actu erarbeitet hat, wird man ohnehin
annehmen dürfen. Der Vergleich der D.fassungen „impliziert" also
für H., was auch sonst nicht sehr strittig ist, nämlich „die Arbeitshypothese
einer späten, wahrscheinlich durch den Pentateuchredak-
tor vorgenommenen Einsetzung des Ex-D.s in die Erzählung der
Sinaitheophanie" (163). Dieser ,Redaktor' muß natürlich mit dem
(nach-dtn) priesterschriftlichen Bearbeiter des Ex-D.s zusammengebracht
werden. So verwendet H. beispielsweise auf die Herkunft des
Einleitungsverses Ex 20,1 aus P8 außerordentlich viel Mühe
(166-171). Aber die komplizierte Argumentation zur Erklärung des
„Elohim" (statt des auch priesterschriftlich zu erwartenden „Jahwe")
hinterläßt den Eindruck einer gewissen Künstlichkeit. Am Ergebnis
der Analysen von Ex 20,1.18f muß H. im Gesamtaufriß des Buches
jedoch viel liegen: „Der Ex-D., die priesterliche. Novellierung des
Dtn-D.s, ist von einem priesterlichen Redaktor überlegt in die jeho-
wistische Schilderung der Sinaitheophanie eingesetzt worden." (175)
Mit dem Aufweis einer/dieser priesterlichen Redaktion (neben der
dtr.en!) auch im Bundesbuch und in Ex 19,3-9 (hier: v. 3b/?.9) bleibt
H. überall auf dieser Linie. Besonders interessant ist die Zuweisung
von Ex 24,9-11 zu diesem priesterlichen Redaktor (190-204).

Natürlich gehört eine Gesamtanalyse der Sinaiperikope zu den riskanten
Unternehmungen der atl. Wissenschaft. H. hat sie hier gleichsam
als ,Nebenarbeit' versucht; so dürfen und müssen Fragen offen
bleiben. Die sehr bestimmt vorgetragene Abfolge von J, JE, Dtr und P
(= Pentateuchredaktor!?) in der Sinaiperikope bedürfte nach meinem
Urteil weiterer Arbeit, vor allem an Ex (32-)34 sowie an den strata der
sog. Bundestheologie. Gleichwohl ist es erfreulich, daß H. in einer
Monographie über den D. den Rahmen für die Verantwortung seiner
Hauptthese so weit gespannt hat.

Alles Gesagte gilt auch für H.s sorgfältige Beobachtungen zu Kontext
und Herkunft des Dtn-D.s (214-282). Auch hier ist er auf einleuchtende
Weise .gebunden': „Durch die Entscheidung für die zeitliche
Priorität der Dtn-fassung ist die Option übernommen worden,
daß die dtn Bewegung entweder den D. als erste übernommen oder
selbst hervorgebracht hat" (214). H. sieht übrigens den Ursprungsort
der dtn Mose-Fiktion „in der jehowistischen Sinaitheophanie" (216),
ohne hier genauer zu explizieren, was das literarhistorisch bedeutet.
Hervorragend begründet ist seine Ausgrenzung von Dtn 5 - z. B.
gegen S. Mittmann (217-219). Aber bei der Analyse der einzelnen
Verse des D.rahmens in Dtn 5f (etwa bei 5,1) hört er das Gras wachsen
. Inner-dtr Schichten-Zuweisungen bleiben auf so schmaler Textbasis
schwierig.

Beachtenswert ist schließlich die Analyse des dtn D.s selbst
(240-262), die mit dem für die Hauptthese wichtigen und plausiblen
Resultat endet: „Die ,klassischen' Spannungen im D. . . . haben sich
großen Teils auflösen lassen durch die Hypothese einer umfassenden
dtr Redaktion des D.s, die den D. erst zu den ,Zehn Geboten' auf zwei
Tafeln gemacht hat (sie pro „haben"!). Sie beschränkt sich nicht auf
Ergänzungen eines ,Urdekalogs', weil ihre Vorlage kein D. ist und sie
diesen erst herstellt. Sie bearbeitet eine vorgegebene Gebotsreihe."
Von daher kann H. dann nach der .originalen Komposition und möglichen
Vorstufen' zurückfragen (262-282). Bei dieser Rückfrage

bezieht sich H., der doch sonst jeden Halbvers umdreht, relativ unkritisch
wieder auf das sog. Privilegrecht von Ex 34 als einen „Basistext
" und wichtigsten „Ahnen" des D.s. Die entscheidenden Stadien
in der Biographie des D.s bleiben demnach der „früh-dtr" Grundtext
und der spätere dtr Ausbau, den der Pentateuchredaktor schließlich
für seine Zwecke novellierte. So hat der D. für H. im Dtn seine Wurzeln
, aber seine Gestalt bekam er in der dtr Schule.

H. gebraucht alle methodischen Instrumente des Exegeten, und die
bewährten unter ihnen am meisten. Er ist ein ausgezeichneter Literar-
kritiker, nur ein bißchen zu wohlgemut in der Zuweisung von Haibund
Viertelversen. Abschnitt für Abschnitt befindet er sich auch im
klugen Dialog mit der gesamten neueren D.forschung. Wer diesem
Buch im ganzen widersprechen will, darf es sich jedenfalls nicht leicht
machen. Die Monographie ist auf dem Stande der Forschung und
rückt ihn höher. Ob das Ergebnis .bleibt', ist schwer zu sagen, da das
Gesamtbild von einer Flut von Details abhängt. Aber H. hat eine
wichtige literarhistorische Frage gestellt und strikt mit literarhistorischen
Mitteln beantwortet. Seine Arbeit unterscheidet sich durch die
solide methodische Grundlage wohltuend von all den verschwornme-
nen .Literaturtheorien', mit denen neuerdings auch im dtn/dtr Bereich
die literarhistorische und schließlich die historische Arbeit ersetzt
wird.

Göttingen Lothar Perlitt

Halbe, Jörn: Das Privilegrecht Jahwes Ex 34,10-26. Gestalt und
Wesen, Herkunft und Wirken in vordeuteronomischerZeit. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1975. 571 S. gr. 8' = Forschungen
zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 114.
Lw. DM 99,-.

Angesichts der seit einer Reihe von Jahren die alttestamentliche
Wissenschaft prägenden Tendenz eines sog. Deuteronomismus
nimmt man eine Arbeit zu einem Gesetzestext des Pentateuch mit
besonderer Aufmerksamkeit zur Hand. Und wenn im Untertitel gar
das Stichwort „vordeuteronomische Zeit" auftaucht, dann klingt das
schon fast wie ein Kampfprogramm. Und das erhöht den Reiz der
Lektüre. Zwar wird der Leser dann doch mitunter etwas ungeduldig,
weil er gar zu viele Seiten lesen muß. Eine durchgehende Straffung
hätte diesem „Werk" gut getan. Am Schluß aber legt er doch das Buch
zufrieden aus der Hand und dankt dem Vf. für alle Belehrung und Anregung
.

Die Aufgabe dieser Kieler Dissertation von 1973 (Betreuer: Prof.
Beyerlin) ist klar umrissen: Der gemeinhin als kultischer Dekalog des
J bezeichnete Text Ex 34,10-26 soll eingehend untersucht werden.
Die Textanalyse erbringt eine Abgrenzung von vier Teileinheiten: die
vordeuteronomische kultische Gebotsparänese (v 10a/?.b-l 1 a), das
Hauptgebot der Bundesworte (v 11 b—15a), eine vorhoseanische
Nachinterpretation (v 15b—16), eine Komposition von Einzelbestimmungen
(v 17-26), aus der zweimal drei Glieder von Prohibitiven als
Grundbestand herauslösbar sind. Im Lichte der Rahmenaussagen
(v 10aa.27) wird die Einheit des Ganzen erkennbar. Der Hauptbestand
ist ein für den mündlichen Vortrag bestimmtes und schriftlich
verfaßtes privilegrechtliches Corpus, das den Bund Jahwes mit Israel
konstituiert. Literargeschichtlich sind die v 10-26.27 fester Bestandteil
der J-Erzählung und somit die Fortsetzung von Ex 19, während
v 1-9 von RJE herrühren. Seine Weiterführung findet Ex 34 in der
J-Version von Num 22; 24 sowie in Num 25,1-5. Durch diese Texte
wird das Thema der Landnahme in das Kerygma des J in der durch die
Territorialpolitik Davids herausgeforderten Weise aufgenommen.
Weil die Bundesworte Gottesrede sein wollen, setzen sie eine kultische
Situation voraus, in der das Geschehen am Sinai je und je für das seßhaft
gewordene Israel vergegenwärtigt wurde. Die zuletzt gestellte und
besonders ausführlich behandelte (S. 341-505) Frage, welche Hinweise
Dtn 7, Jos 9, Ri 2,1-5 und Ex 23 für die geschichtliche Heimat
der Bundesworte geben, wird dahingehend beantwortet, daß die Bundesworte
eindeutig diesen Texten bereits vorlagen, also aus der vor-