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Ausgabe:

1967

Spalte:

826-827

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Heyden, Hellmuth

Titel/Untertitel:

Die Kirchen Greifswalds und ihre Geschichte 1967

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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82")

hexaplarischen Übersetzer, die wegen des Mangels an Material
allerdings nur mit Vorbehalt eingeordnet werden können. Immerhin
findet sich bei dem Gebrauch der Infinitive die übliche
Charakterisierung der Drei bestätigt: Aquila übersetzt wortgetreu
in starrer Gleichmäßigkeit; für Symmachus sind freie Wiedergaben
bezeichnend; Theodotion steht in sedner ganzen Art
den LXX-Übersetzern am nächsten. Im übrigen ist der Wert der
Arbeit unabhängig von den Ergebnissen; er liegt vielmehr in
der Darbietung und Analyse des Stoffes. Der Stoff wird erschlossen
durch das Sachregister zur Verwendung des griech. Infinitivs
und anderer Wiedergaben des hebr. Infinitivs und durch
das Stellenregister, das über 2000 Stellen fast nur aus dem kanonischen
AT umfaßt. Hier bietet sich dem wissenschaftlichen
Übersetzer wie dem Exegeten die Möglichkeit, den ihm vorliegenden
Infinitiv mit dem reichen vom Verfasser zur Verfügung
gestellten syntaktischen Material einzuordnen und in seinem
sprachlichen Charakter zu verstehen und zu erklären.

Fragezeichen bleiben bestehen. Der Verfasser geht mit großer
Vorsicht zu Werke und setzt selbst der Fragezeichen genug.
So kommt er wo auch immer zu wohl abgewogenem, auch in
der Kritik niemals einseitigem Urteil. Dem fremdsprachigen Verfasser
gebührt hohes Lob für seine flüssige und gut lesbar geschriebene
Arbeit. Der Stoff ist sachgemäß und übersichtlich disponiert
, und abschnittsweise kurze Zusammenfassungen erleichtern
die Übersicht über das Ganze. So bedeutet die Arbeit einen
gewichtigen Schritt vorwärts zum Verständnis der Syntax der
Septuaginta.

Gießen Georg Bertram

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES
u. TERRITORIALKIRCHENGESCHICHTE

Moeller, Bernd: Geschichte des Christentums in Grundzügen.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1965). 492 S. 8°. DM 16.80.

Bisher sind kirchengeschichtliche Darstellungen, die die Wiedergeburt
neuer Auflagen erlebt haben, bei dieser Gelegenheit
sämtlich dicker geworden, während die Kollegniederschriften
ihrer Verfasser - ich verdanke die Beobachtung Ludwig Koeh-
ler - eher dünner werden. Das zweite spricht dagegen, das erste
als loquacitas senilis zu erklären. Der Verfasser einer einbändigen
Kirchengeschichte steht vielmehr vor Schwierigkeiten, mit
denen, wie manche meinen, nicht einmal Karl Heussi richtig fertig
geworden ist. Er fordert mit seinem Versuch grundsätzliche
Kritik heraus.

Aufs Ganze gesehen kann ihr Bernd Moeller durchaus standhalten
. Die Stoffverteilung ist vorbildlich ausgewogen. Die Darstellungsweise
ist zwar konventionell, entbehrt aber keineswegs
der Selbständigkeit. „Grundzüge" sind hier, was das Wort eigentlich
sagt: große geistige Zusammenhänge. Deren Herausarbeitung
ist wohlgelungen. Dem Hochmittelalter ist im Verhältnis
zum Ganzen angemessener Raum eingeräumt. Die besondere
Kenntnis, die der Verfasser von der Geschichte des Spätmittelalters
und dem Übergang zur Reformationszeit hat, wirken sich
nicht in die Breite aus, sondern werden besser genutzt; es gelingt
Moeller, im Hinführen zu diesem Übergang und Wegführen
von ihm die Reformation als Herzstück und Kulmination
der ganzen Kirchengeschichte sichtbar und verständlich zu machen
. Er behauptet nicht etwa, daß sie das sei, sondern er zeigt
vielmehr, inwiefern sie es ist. - Ausgezeichnet ist das beigegebene
Literaturverzeichnis; kein Sammelsurium von Buch- und
Aufsatztiteln, sondern in seiner Auswahl eine echte Hilfe für
den, der weiterarbeiten und das Gelesene vertiefen will.

Die Aufmachung verdient kein Lob. Diese Einbandart, für
die es charaktcristischerwcise nicht einmal eine deutsche Bezeichnung
gibt, ist für Bücher am Platz, die man nach flüchtiger Einsichtnahme
wegwirft oder weitergibt. Ein ernsthaftes, zum Lesen
und Arbeiten geeignetes Buch, und das ist diese Geschichte
des Christentums, verdient auch einen zum Lesen und Aufheben
Seeigneten Einband.

Kiel Heinrich Kraft

826

Heyden, Hellmuth i Die Kirchen Greifswalds und ihre Geschichte
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1965). 255 S., 20 Taf. 8=
Lw. MDN 12.20.

Daß Heyden seinem Buch „Die Kirchen Stralsunds und ihre
Geschichte" (1961; vgl. ThLZ 1963, 525) das hier anzuzeigende
Werk folgen ließ, wird nicht überraschen. Der fleißige, erfolgreiche
Erforscher der pommerschen Kirchengeschichte bringt die
Ernte einer Lebensarbeit ein.

Ein Vergleich beider Bücher ist lehrreich und reizvoll. Zwei
Nachbarstädte machen eine sehr unterschiedliche Entwicklung
durch! Beide waren Hansestädte, Stralsund mit Hirn, Herz, Geist
und Tat, Greifswald mehr nur passiv. Greifswald war immer
konservativer als das bewegte, unruhige Stralsund. Es ist verständlich
, daß bei Volksunruhen zu Beginn der reformatorischen
Bewegung führende Stralsunder in Greifswald in Deckung gingen
. Was für Stralsund der Handel und die enge Verflechtung
in die Politik im Ostseeraum war, wurde in Greifswald die völkerverbindende
Pflege der Wissenschaft.

Über den Aufbau des Buches braucht nicht referiert zu werden
, weil die Darstellung nach den üblichen kirchengeschichtlichen
Epochen gegliedert ist. Sie bricht mit dem 30. 4. 1945 ab,
dem Tag der kampflosen Übergabe der Stadt an die Siegermacht
; hier begönne „ein neues Blatt der Kirchengeschichte, das
zu beschreiben einer späteren Zeit vorbehalten bleiben soll".

Die Hervorhebung einiger Besonderheiten in der kirchengeschichtlichen
Entwicklung wird hier nützlich sein.

1. Greifswald ist siedlungs- und kulturgeschichtlich ein Kind
des Zisterzienserklosters Eldena (Hilda) gewesen. Besonders die
reichen Salzvorkommen zwischen der Stadt und dem Bodden,
die ursprünglich dem Kloster gehörten, förderten das rasche Entstehen
und Aufblühen Greifswalds. Die Stadt wuchs schnell aus
drei Teilen mit drei Kirchen zur Einheit zusammen. Daß Eldena
das Patronat über die Greifswalder Kirchen ausübte, versteht
sich fast von selbst. Was Heyden über eine frühe Parochialtei-
lung schreibt, hat uns nicht überzeugt. 1209 hatte Eldena im
Zuge der Siedlungspolitik das Recht erhalten parochias et pres-
biteros instituendi. Das wird auf die zahlreichen Landpfarren gehen
, über die Eldena das Patronatsrecht ausübte. Die Greifswalder
Priester aber werden nicht presbyteri, sondern plebani genannt
. Sie zu parochi zu erklären, wird schwerlich richtig sein.
Plebani sind Vikare, auch als Platzhalter höchster Prälaten, aber
in beschränkter parochialer Vollmacht, die in vollem Umfang
dem Kloster vorbehalten geblieben sein wird. Erst 1390 wird
die Nicolaikirche ecclesia parochialis genannt. Greifswald wird
zu den vielen Städten in Deutschland gehören, welche die Paro-
chialeinteilung, die sich auf dem platten Lande seit der Zeit Karls
d. G. durchsetzte, bis ins hohe Mittelalter nicht mitgemacht hatten
. Daraus kann sich dann erklären, daß auch in lutherischer
Zeit nur zögernd eine Parochialeinteilung sich durchsetzte, aber
der Parochialzwang überhaupt nicht. Die enge Verbundenheit
zwischen Stadt und Kloster setzte sich in der Geschichte der Universität
fort. Wie sehr Kirchen- und Universitätsgeschichte ineinander
greifen, sieht man daran, daß Eldena auf die Patronats-
rechte in Greifswald zugunsten der Hochschule verzichtete. Dadurch
wurde möglich, daß die Nicolaikirche durch den Landesherrn
zur Kollegiatkirche mit zwanzig Präbenden erhoben wurde,
die an Dozenten der Universität fielen. Dem Einfluß der Universität
wird es zuzuschreiben sein, daß man in Eldena mehr
als in anderen Zisterzienserabtein wissenschaftlich interessiert
war.

2. Die reformatorische Bewegung verläuft im Gegensatz zu
Stralsund auffallend ruhig. Erregende Momente fehlen so gut
wie ganz, wohl auch deshalb, weil der einflußreiche Humanismus
der Hochschule mäßigend und dämpfend wirkte. Über das
Ende der Bettelklöster, die in vielen norddeutschen Städten noch
lange starke Bollwerke des alten Kirchentums blieben, erfahren
wir leider nichts, wohl weil die Quellen schweigen. Von weittragender
Bedeutung wurde, daß seit 1558 die ersten Geistlichen
der Stadt gleichzeitig in die Hauptlehrämter der Universität berufen
wurden, - eine Verbindung, die bis hoch ins 19. Jahrhundert
bestand. So war Cremer 1870 gleichzeitig in die Professur

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11