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Ausgabe:

1965

Spalte:

591-593

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Koch, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Priesterschrift 1965

Rezensent:

Rendtorff, Rolf

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 8

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Tontafelfunde eine mehr oder weniger bedeutende Rolle in eben
diesem Raum gespielt hat, genauer auf die Zeit etwa zwischen
1803 und 175 7 v. Chr., dies aufgrund der von ihm übernommenen
, von S. Smith vorgeschlagenen und von A. Parrot weithin
rezipierten Mittleren Chronologie. Für sie gibt er eine kurze
Begründung (S. 22—24) mit einer synchronistischen Tabelle. Das
Ziel, das sich der Verfasser gesetzt hat, ist die Zusammenstellung
aller politischen Nachrichten, die in den Keilschrifttafeln von
Mari, soweit sie bis 1958 veröffentlicht worden sind, zu finden
sind, indem er dabei der Reihe der erwähnten Staaten im syrischen
Raum nachgeht. Das schließt Assyrien selbst aus, obwohl
es immer wieder schon deshalb erwähnt werden muß, weil
Jasmah-Addu als Vertreter seines Bruders, des assyrischen Königs
Samsi-Addu in Mari residiert hat und sich Qatna in dieser Zeit
als Vasall oder Bundesgenosse Assyriens bewährt hat. Qatna
aber gehört zu den syrischen Staaten, die der Verfasser berücksichtigt
. Es sind folgende: Karkemis, Elaljut, Jamljad mit der
Hauptstadt Aleppo, Ugarit, Qatna, Byblos, denen je ein Kapitel
gewidmet ist, während ein weiteres Kapitel Staaten erwähnt, die
nur am Rande in den Urkunden begegnen oder nur durch anderswo
gefundene Denkmäler gewisse Beziehungen zu Mari erkennen
lassen. Es sind Alalah, Neirab, Gabbül, Hama, Ullaza, 'Arqa,
Palmyra, Nazala, Beirut, Damaskus und Tyrus. Es sind ungefähr
50 Jahre vorderorientalische Geschichte, die wir an Hand der zufällig
erhaltenen Briefe von Mari überschauen können, unter denen
sich keine offiziellen Urkunden wie Staatsverträge, Bündnis-
abkommen befinden. Sie werfen daher auch mehr Streiflichter
als wirkliches Licht auf die Vorgänge, die immerhin erkennen
lassen, daß der Vorstoß der Assyrer bis an das Mittelmeer, obwohl
er in Mari noch eine Zeitlang den Flußübergang über den
Euphrat und in Qatna einen bis an die Uferstaaten des Mittelmeeres
reichenden Vasallen festhalten konnte, doch auf die
Dauer nicht zu halten war, weil ein schwacher Herrscher der
Kraft seiner Vorfahren entbehrte, und sein in Mari residierender
Bruder den Vorwurf sich gefallen lassen mußte, er habe mehr
Sorge um seinen Harem, als es zulässig sei. Die Kleinstaaten aber,
die aus diesem Niedergang ihre Daseinsberechtigung und ihre
Expansionsbestrebungen herleiteten, feilschten um kleine Vorteile
, bis Hamurapi stark genug war, um Mari auszulöschen, bis
der Spaten der Ausgräber es wieder zum Leben erweckte. Immerhin
sind die Verhältnisse in Syrien noch etwas großzügiger als
das, was sich einige hundert Jahre später in Südsyrien und
Palästina bei dem Zusammenbruch der ägyptischen Hoheit abspielte
.

Gerade im Hinblick auf diese späteren Ereignisse wird der
Historiker der Geschichte Israels diese sorgfältige Auswertung
leider etwas steriler Briefe aus Mari begrüßen, die den Empfängern
verständlicher gewesen sind, als uns, die wir die konkreten
Anlässe aus Andeutungen erschließen müssen. Daß sich der Verfasser
dieser notwendigen, wenn auch mühsamen Aufgabe unterzogen
hat, wird man ihm gerne danken; — besonders auch für
die beigegebene synchronistische Tabelle und die Übersichtskarte.

Erlangen Leonhard Rost

Koch, Klaus: Die Priesterschrift von Exodus 25 bis Leviticus 16.

Eine überlieferungsgeschichtliche und literarkritische Untersuchung.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1959. 108 S. gr. 8° = Forschungen
zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments
, hrsg. v. R. Bultmann, N. F. H. 53. DM 10.80.

Der schwierigste Bestandteil der Pentateuchüberlieferung ist
zweifellos die „Priesterschrift", genauer: der vielschichtige Komplex
priesterlicher Überlieferungen im Pentateuch, von deren
zureichendem Verständnis die alttestamentliche Wissenschaft noch
immer weit entfernt ist. Wer hier zur Klärung der Probleme beitragen
will, muß sich vor allem um einen neuen methodischen
Zugang zu den Texten bemühen, um über die Ergebnisse der bisherigen
, überwiegend literarkritisch orientierten Forschung hinauszukommen
. K. Koch hat sich um einen solchen Zugang mit
überliefeTungsgeschichtlichen Fragestellungen bemüht, und zwar
mit beträchtlichem Erfolg.

Er geht dabei von Beobachtungen des Rezensenten aus, der
die Herausarbeitung einer bestimmten Form der kultischen

Überlieferung versucht hat, für die er die Bezeichnung „Ritual"
vorschlug1. K. greift diese Beobachtungen auf und findet bei
seiner Analyse der Texte von Ex 25 bis Lev 16 die Gattung
des Rituals in großem Umfang verarbeitet, ja, er kommt zu dem
Ergebnis, „daß eine Sammlung von Ritualen die Vorlage für fast
alle Kapitel von Ex 25 — Lev 16 gebildet hat" (S. 96), wie sich
übrigens auch in Hes 40 ff. Rituale nachweisen lassen (S. 104 ff.).
Aber K. bleibt nicht bei der Herausarbeitung der älteren Textvorlagen
stehen. Es geht ihm vielmehr gerade darum, die weitere
Geschichte der Texte zu erhellen, d. h. von der Vorgeschichte
der „Priesterschrift" zu dieser selbst zu führen, ihre Arbeitsweise
und Intention genauer zu erfassen umd schließlich auch die Nach-
geschichte, der bisher überwiegend die Aufmerksamkeit galt, neu
in Blick zu bekommen.

Dabei ergibt sich eine ganze Reihe von wichtigen Beobachtungen
. Zunächst kann K. zeigen, daß der Verfasser der Priesterschrift
neben den Ritualen Sätze der priesterlichen Tora,
deren Merkmale Begrich bestimmt hat, in größerem Umfang aufgenommen
hat, als es bisher erkannt worden war, z. T. in einer
erweiterten Form, die K. „ausgedehnte Tora" nennt (S. 76);
außerdem finden sich Sätze, die K. in enge Beziehungen zu dem
von Alt erschlossenen apodiktischen Recht stellen möchte, sowie
in geringerem Umfang einige weitere Formen kultischer Überlieferung
(S. 98).

Vor allem gelingt es K. nun aber, die Arbeitsweise des Verfassers
der Priesterschrift bei der Verarbeitung des aufgenommenen
Materials näher zu bestimmen. Er kann zeigen, daß P
die Rituale in einem bestimmten Sinne bearbeitet und erweitert
hat. Wo er größere Textstücke selbst gebildet hat, ist ein ganz
bestimmter Stil feststellbar, den K. als „gefügten (Befehls-) Stil"
bezeichnet (S. 7 u. ö.). Ferner ist seine Arbeitsweise darin erkennbar
, daß er den von ihm geschaffenen größeren Textkomplexen
einen bestimmten Rahmen gegeben hat, der bei den
Opfervorschriften der Stilform des kasuistischen Rechts nachgebildet
ist (S. 99 f.). Aber auch in die übernommenen Texte selbst
hat P vielfach eingegriffen. Dabei hat er z. B. Angaben über
Maße und andere Details hinzugefügt; ferner hat er durch Zusätze
und Erweiterungen die Sühnefunktion des ganzen kultischen
Apparates stark herausgestrichen und dabei auch Umdeu-
tungen kultischer Einrichtungen und Riten nicht gescheut.

Besonders interessant sind die Beobachtungen K.'s, an
denen er zeigen zu können glaubt, daß ein beträchtlicher Teil
der Erweiterungen den Zweck habe, Verhältnisse der Jerusalemer
Kultpraxis in die Texte einzutragen, die in ihnen vorher nicht
enthalten waren (S. 14 f. u. ö.); dazu gehört u. a. auch, daß P
überall die Gestalt des Mose eingeführt hat, während die Rituale
nur Aaron kannten (S. 97 und 100). Daraus folgert K. nicht
nur — was bisher schon meistens angenommen wurde —, daß P
speziell in der Jerusalemer Tradition wurzelt, sondern auch, daß
die Rituale von einem anderen, außerjerusalemer Heiligtum stammen
müssen (S. 35 u. ö.). Man wird diese Überlegungen zweifellos
sehr ernsthaft zu prüfen haben, wenn sie wohl auch nicht die
einzige Möglichkeit darstellen, den überlieferungsgeschichtlichen
Sachverhalt zu erklären, der auch auf kultische Entwicklungen
und Veränderungen an einem Heiligtum (also Jerusalem) zurückgehen
könnte. Besonders kühn sind die Schlußfolgerungen K.'s
im Blick auf die I^ade: er glaubt aus der Tatsache, daß P zwar
Ladeüberlieferugen in den Ritualen vorfand, daß diese aber nicht
mit den tatsächlichen Gegebenheiten am Jerusalemer Ladeheiligtum
übereinstimmten und deshalb von P entsprechend überarbeitet
wurden, auf das Vorhandensein mehrerer Laden in Israel
schließen zu können, von denen die (aus Silo stammende) Jerusalemer
Lade allerdings die bedeutendste gewesen wäre (S. 17).
Hier wird man abwarten müssen, ob K. mit dieser These Gefolgschaft
finden wird.

Überzeugender hingegen erscheinen die Folgerungen für die
Struktur der Priesterschrift. K. hat hier mit einleuchtenden
Gründen an verschiedenen Punkten die gängigen Zuweisungen
zur Priesterschrift im engeren Sinne (Pg) bzw. zu ihren Erweiterungen
korrigiert. So zeigt er, daß die Sätze vom Erscheinen

') R. Rendtorff, Die Gesetze in der Priesterschrift, 1954 (19633).