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1961 Nr. 7

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 7

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ßen Aufgabe. Denn, spürt man 6chon deutlich das allen Mitarbeitern
gemeinsame Bemühen, den Text aufs sorgsamste abzuhören
und sein Wort an die heutige Gemeinde wiederzugeben, so kann
doch von einer durch das ganze Buch durchlaufenden einheitlichen
Position nicht die Rede sein. Man überfliege das Mitarbeiterverzeichnis
(z. B. Hermann Diem — Peter Brunner — Wilhelm
Niesei): eine einheitliche Linie ist hier nicht zu erwarten. Eine
theologische Stellungnahme müßte sich in die ganze Vielfalt der
Überzeugungen und Blickrichtungen einlassen und müßte — das
kann bei einem Buch dieser Art gar nicht anders sein — einen
Querschnitt durch das theologische Denken unserer Zeit geben.
Wir nennen nur einige Punkte, an denen das deutlich wird: die
Frage nach „futurischer" und „präsentischer" Eschatologie (um es
abkürzend so zu sagen); die Frage nach dem Wesen der Sakramente
; die Frage nach der Kirche und dem Amt. Die andere Seite
soll aber nicht übersehen sein: ohne irgendwelche Differenzen
verwischen oder relativieren zu wollen, spürt man doch auch
immer wieder die Gemeinsamkeit derer, die das Wort der Schrift
vernehmen. Von den „mancherlei Gaben" wird an einem solchen
Buche immer wieder etwas zu spüren sein, und gerade darin auch
von dem „einen Geist", der sich auch in der Enge und Begrenztheit
unserer Einsichten immer wieder durchsetzen will.

Der Benutzer dieses Buches wird also auch in dieser Hinsicht
zu eigener Arbeit aufgerufen, daß er gefragt ist, was von dem
hier Dargelegten er seiner eigenen theologischen Eineicht assimilieren
kann und was nicht. Für unkritische Leser ist dieser Band
nicht gemacht. Aber wer wirklich mitarbeitet, bekommt auf
Schritt und Tritt Hinweise, Anregungen, Anreiz zur Weiterarbeit.
Die Predigthilfen wenden sich dabei stark an den Intellekt. Das

ist gut und nötig. Wenn „Meditation" — wir sagten schon: diese
Aufgabe hat sich das Buch nicht gestellt — ein Denken mit dem
Herzen und mit allen Sinnen ist, dann bleibt gerade an dieser
Stelle das meiste dem Leser überlassen. Man kann wohl fragen,
ob unserm verdorrten Denken nicht gerade in Predigthilfen ein
wenig mehr Beistand nach dieser Richtung gegeben werden sollte.
Aber darauf kann wohl auch geantwortet werden, daß, wenn
irgendwo, dann hier ein jeder seinen Weg selbst finden muß.

Leipzig/Dölzig Gottfried Voigt

A n d 1 e r, Erich: Kirchenleitung als brüderlicher Dienst.

Die Zeichen der Zeit 15, 1961 S. 121—124.
Boese, Otto: Was wir an Sterbebetten sagen.

Monatschrift für Pastoraltheologie 50, 1961 S. 131—137.
Herde, Anna: Die neugnostischen Sekten als seelsorgerisches Problem.

Theologie und Glaube 51, 1961 S. 122—137.
Kretzschmar, Gottfried: Vergegenwärtigung in martyria, leiturgia

und diakonia.

Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 15, 1961 S. 121—124.
Schmidt, Hans Martin: Was erwartet der Intellektuelle von der
Kirche?

Kirche in der Zeit 16, 1961 S. 115—118.

Till ich, Paul, Prof.: Zwei Predigten. Hanau/M. (Huttenstr. 1): Deutscher
Bund für Freies Christentum 1960. 16 S. 8° = Schriftenreihe
,,Freies Christentum". Beihefte zur Monatsschrift „Freies Christentum
", H. 41. DM —.75.

Warns, Eberhard: Zur Methodik der Bibelarbeit in der Jugendgruppe.
Monatschrift für Pastoraltheologie 50, 1961 S. 93—102.

VON PERSONEN
In memoriam Karl Heussi

16. 6.1877—25. 1. 1961
Rede zur Gedächtnisfeier am 16. 2. 19611

„Pro veritate" stand auf der Schleife des Kranzes, den die Fakultät
ihrem Senior bei der Abschiedsfeier auf dem Friedhof widmete. Es
möge als Leitwort auch über dieser Stunde stehen. Wenn wir früher an
hohen Festtagen dankbare Worte der Verehrung sagen durften, dann
standen sie sozusagen unter dem Gericht dessen, dem sie galten. Nachdem
er die Augen für immer geschlossen hat, ist die Verantwortung
für jedes Wort noch größer geworden, nur die Wahrheit selber ist als
strenge Richterin übrig geblieben.

Der Sinn dieser Stunde liegt nicht in einer Gesamtwürdigung eines
viele Jahrzehnte umfassenden Lebenswerkes, dazu bedarf es eines größeren
Abstandes, sondern in dem Versuch, etwas von dem auszusagen,
was der Heimgegangene für uns und unsere Universität bedeutet hat.

jähre hundert Prozent seiner Zeit für seine Ausbildung zur Verfügung
hatte. Die damalige Leipziger Theologie konnte den nach freier Entscheidung
Strebenden nicht befriedigen, und so ist er mit seinem
Freunde Mulert oft nach Halle hinübergefahren, um die anregenden
Vorlesungen Eichhorns zu hören. In Berlin hat ihn der Altmeister der
Kirchengeschichte, Adolf von Harnack, in seinen Bann gezogen, immer
wieder hat er dankbar dieses seines Lehrmeisters gedacht. In Marburg
hat Wilhelm Herrmann den stärksten Eindruck auf ihn gemacht. Mit
uneingeschränkter Hochachtung vor seinen Lehrern verband sich stets
das warme Gefühl der Dankbarkeit. Unter den Männern der älteren
Generation, die ungeheuer anregend auf ihn wirkten, dürfen die Namen
von Wilhelm Dilthey und Ernst TroeIt6ch nicht fehlen. In Leipzig

damit auch die studentische Jugend, die ihn nicht mehr persönlich ge- I aber förderte ihn vor allem Karl Lamprecht, der große Historiker mit

kannt hat, den Verlust für die Wissenschaft und den Schmerz, der uns
bewegt, ermessen kann.

Bei der Feier seines 7 5. Geburtstages hat Karl Heussi seine
Dankesrede unter das Pauluswort gestellt: Was ha6t Du, das Du nicht
empfangen hättest? Er, der Historiker, ist sich immer in besonderem
Maße der Geschichtlichkeit seiner Existenz dankbar bewußt gewesen.
Seine Schweizer Abkunft, sein Großvater ist ein Schüler Pestalozzis gewesen
, hat ihn stets beglückt, er hat den rationalen Zug seines Wesens
von dort her verstanden, und leine Herkunft aus Gelehrten- und
Kaufmannskreisen hat die Unabhängigkeit seines Sinnes geformt. Daß
der am 16. Juni 1877 in Leipzig Geborene einziges Kind seiner Eltern
war, auch das ist nicht ohne entscheidenden Einfluß auf sein Leben geblieben
. Er besuchte das Nicolaigymnasium seiner Vaterstadt. Noch in
dem alten Manne brachen mitunter Erinnerungen an die Schulzeit hervor
, die der damaligen Pädagogik kein durchweg günstiges Urteil
sprachen. Seine Äußerungen bezogen sich nicht auf den Stoff, die jungen
Leute haben damals dort sehr viel gelernt, sondern auf die Behandlung
des Schülers. Die Studienjahre in Leipzig, Berlin und Marburg gaben
dem Drang nach selbständiger Entwicklung den genügenden Raum. Es
ist uns manchmal in bezug auf das eigene Können ein wenig traurig
zumute gewesen, wenn er uns erzählte, daß er während seiner Studien-

') Der ungekürzte Wortlaut der Rede wird abgedruckt in der
Wissenschaftlichen Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena,
Jg. 10, 1960/61.

eigener Note, bei dem er 1903 mit einer Arbeit über „Die Kirchengeschichtsschreibung
Johann Lorenz von Mosheims" die Würde eines
Doktors der Philosophie erwarb. Seine theologischen Studien schloß er
1901 und 1903 mit dem ersten und zweiten theologischen Examen ab.
Von 1904—1924 war er Oberlehrer, später Professor am König-Albert-
Gymnasium seiner Vaterstadt. Während dieser Zeit hat er eine intensive
pädagogische Tätigkeit mit der stillen Arbeit des Gelehrten zu verbinden
gewußt und geduldig gewartet, bis der Ruf an ihn erging, der
ihn ganz für die wissenschaftliche Arbeit frei machte.

1911 hat er die Würde eines Lizentiaten der Theologie bei Hans von
Schubert in Heidelberg erworben. Die theologische Fakultät der Universität
Gießen, dort wirkte damals Gustav Krüger als Kirchenhistoriker,
verlieh 1919 dem schon weithin bekannten Gelehrten den Doktor der
Theologie ehrenhalber. Die Berufung auf den kirchengeschichtlichen
Lehrstuhl der Universität Jena 1924 bedeutete für ihn die Erfüllung
eines immer gehegten Wunsches, sich ganz der Wissenschaft widmen zu
können, die Bereinigung eines Unrechts und die späte Anerkennung
einer schon vorhandenen Lebensleistung. Die dreißigjährige öffentliche
Wirksamkeit an unserer Universität — die Emeritierung erfolgte Ende
August 1953, die letzte Vorlesung hielt er am 13. Mai 1954 — bedeutete
für ihn den Höhepunkt seines Lebens. Seine wissenschaftliche Tätigkeit
hat er bis in die letzten Wochen seines Lebens fortsetzen können.

Unsere Würdigung gilt dem Gelehrten, dem Professor und dem
Menschen Karl Heussi.

In einer immer gewünschten und selten gelebten Einheit verkör-