Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1957

Spalte:

653-668

Autor/Hrsg.:

Black, Matthew

Titel/Untertitel:

Die Erforschung der Muttersprache Jesu 1957

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4, Seite 5, Seite 6, Seite 7, Seite 8

Download Scan:

PDF

653

Theologisdie Literaturzeitung 1957 Nr. 9

654

D^Oiip-bs by^ba, „nichtsnutzig sind alle die Heiligen". Es
liegt auch in der Natur der Sache und dem ganzen Geiste des
Psalms, daß seine Absage total gewesen sein muß; yrto ist daher
nicht „im Lande", sondern „auf der Erde" zu übersetzen.

Damit ergibt sich aber auch, wie der fehlende Genetiv nach
THK zu ergänzen ist; dem Parallelismus nach natürlich D^nisa,
das wohl hinter dem ganz überflüssigen rran steckt; das Wort ist
wohl einmal übersprungen und nachher zwischen den Zeilen
nachgetragen worden und später verstümmelt an irriger Stelle
hineingekommen. Es handelt sich um all die anderen göttlichen
Wesen, die auf Erden und die im Himmel. Die Alten wußten
sehr wohl, daß es Götter sowohl auf Erden wie im Himmel gebe;
irdische Götter 6ind z. B. die vielen lokalen Be'alim, die neben
dem großen Himmelsba'al existieren, die beäle haBdämä,
von denen Hiob 31:38 f. spricht. Zu dieser lokalen Verteilung
sind die babylonischen anunnakc und igige, die irdischen und
die himmlischen Kleingötter, zu vergleichen. Statt des folgenden
ba ist dann selbstverständlich ba zu lesen: „ich habe kein Gefallen
an ihnen". — Das "ton, dem Sinne nach überflüssig und
mit der archaisierenden Sprache der Kultpoesie19 nicht übereinstimmend
, darf als spätere prosaisierende (modernisierende) Ausfüllung
betrachtet werden; damit sind sowohl der Gedankenreim
und das Metrum des Stichus in Ordnung, und dieser schließt I
6idi mit vv. 1—2a zu einer Strophe zusammen.

In v. 4 kann rfOK? nur „Plagen" bedeuten; für die Bedeutung
„(Götzen-) Bilder", die man hier hat finden wollen20,
müßte man die maskuline Form orras» erwarten. Das Suffix
kann aber nicht auf die Götter zurückweisen; diese erleiden keine
Plagen, wohl aber nach Ansicht des jahwetreuen Beters diejenigen
, die ihnen nachfolgen. Diese müssen 6omit in v. 4a genannt

1S) S. M. T s e v a t, A Study of the Language of the Biblical Psalms
(JBL Monograph Series, Vol. IX), Philadelphia 1955.

20) So schon G, Aq, Symm, in neuerer Zeit auch Wellhausen,
Buhl (Psalmerae oversatte og fortolkede2, Kebenhavn-Kristiania 1918).

gewesen sein, und lassen 6ich auch leicht rekonstruieren. Was
charakterisiert häufig das Verhältnis der Götzendiener zu ihren
Götzen? Sie „folgen, gehen, laufen, eilen ihnen nach". Diesen Begriff
haben wir in Tina; damit sind alle Spekulationen über einen
Zusammenhang dieses Verbs mit mohar = Brautpreis („diejenigen
, die einen Anderen (Gott) als Braut, bzw. Bräutigam erwerben
", u. a. Wildeboer21, Baethgen), aber auch Grätz's'"'2 Änderung
in Tran hinfällig. Man lese tVtü DHTnN und fasse

den Satz als Subjekt eines zusammengesetzten Satzes und punktiere
mit S, T und BHK3 „viel machen ihre Plagen diejenigen
, die ihnen (d. h. den Göttern) nacheilen".

Wenn wir darin recht haben, daß die zweigliedrige Langzeile
das Metrum des Psalms beherrscht, so muß man feststellen,
daß der parallele Hemistich zu v. 4a ausgefallen ist, was bei dem
verschriebenen Text sehr wohl möglich ist; die Vorlage kann
beschädigt und nur teilweise lesbar gewesen sein. Der Wortlaut
des verlorenen Hemistichs kann natürlich nur erraten werden;
dem Parallelisinus nach mag er etwa folgendermaßen gelautet
haben: iin onb "ton ibffia oder ähnlich. Daran schließt sich
der neue Stichus v. 4b, c, die Versicherung des Beters, daß er an
den Opfern der Götzen nicht teilgenommen habe noch teilnehmen
will und nicht einmal ihren Namen in seinen Mund nehmen
mag (vgl. Ex. 23:13, Hos. 2:19). So sind wir zu der Vermutung
berechtigt, daß auch v. 4 ursprünglich eine Strophe zu zwei Ma-
schalversen gebildet habe.

Der Rest des Psalms macht keine Schwierigkeiten. In v. 6
ist natürlich mit G und S ^nbni und in v. 7 mit G u n k e 1 sg.

mit Jahwe als Subjekt, zu punktieren und in v. 8b ein

NVi zu ergänzen (BHK3). - Daß v. 10 f. nicht von einer Auferstehung
und einem ewigen Leben, sondern von der immer aufs
neue erhofften Rettung aus Todesgefahr sprechen, ist heute von
den meisten Exegeten anerkannt.

") Theologisch Tijdschrift 1893, S. 612.
2) Angeführt nach B u h 1 z. St.

Die Erforschung der

Von Matthew Black,

Jesus und seine Jünger verwandten eine Form der semitischen
Sprachen, die als palästinisches Aramäisch bekannt ist. Das
schließt nicht aus, daß sie mit anderen Sprachen vertraut waren,
die im Palästina des 1. Jahrhunderts gebraucht wurden, wie Hebräisch
und Griechisch. Es ist aber im allgemeinen unwahrscheinlich
, daß Jesus je das Griechische als Vermittlung für seine Lehre
verwendet hat; Hebräisch mag er wie Aramäisch bei feierlichen
Gelegenheiten gebraucht haben, etwa bei der Einsetzung des
Abendmahles.

Wenn wir weiter fragen, welche Quellen für die Wiederentdeckung
der von Jesus und seinen Jüngern gesprochenen aramäischen
Sprache zugänglich sind, so müssen wir gleich antworten
: gleichzeitige Quellen sind überhaupt nicht vorhanden. Abgesehen
von den aramäischen Texten aus Qumrän (über die ich
gleich sprechen werde), ist keine aramäische Quelle, kein Dokument
von irgendwelcher Bedeutung aus der Periode von 100
v. Chr. — 70 n. Chr. auf uns gekommen. Aramäische Quellen
liegen hinter einigen Büchern aus der Zeit zwischen den beiden
Testamenten, den sogenannten Apokryphen und Pseudepigra-
phen des Alten Testaments. Aber die Original-Texte von ihnen
sind verloren. Es gibt audi einige aramäische Inschriften aus dieser
Zeit, aber keine, die für unsere Zwecke von Bedeutung sind1.

Das hier abgedruckte Manuskript, für dessen freundliche Übertragung
in« Deutsche ich meinem alten Lehrer und Freund Prof. Paul
Kahle aufrichtigen Dank schulde, hat den Gastvorlesungen zugrundegelegen
, die ich im Mai 1957 auf Einladung verschiedener Theologischer
Fakultäten und Kirchlicher Hochschulen in Deutschland gehalten habe
(Kiel, Berlin, Halle, Göttingen). Die hauptsächlichen Resultate erscheinen
in gekürzter Form gleichzeitig englisch im Juli-Heft der New Testament
Studies.

') Vgl. S. A. C o o k, A Glossary of the Aramaic Inscriptions
(C. U. P., 1898), S. 3 ff.

Muttersprache Jesu

=>t. Andrews/Schottland Otto Eißfeldt zum 70. Geburtstag

Gerade in der Zeit, die für uns von dem größten Interesse ist,
!00 v.Chr.— 100 n.Chr., besteht tatsächlich eine vollständige
Lücke in unseren Quellen an Material für die Wiederentdeckung
der Spradie Jesu.

Das will nicht besagen, daß wir an Quellenmaterial für die
Kenntnis des palästinischen Aramäisch aus vor- und nachchristlicher
Zeit Mangel leiden; und es ist leicht, den Unterschied zwischen
der von den Jüngern Jesu gesprochenen Sprache und etwa
der Sprache der älteren jüdischen Midrasche zu übertreiben. Im
wesentlichen müssen sie in der grammatischen Struktur und im
Vokabular identisch gewesen sein. Änderungen in der Sprache,
zumal fundamentale Änderungen, treten nur im Laufe einer langen
Zeitperiode ein. Immerhin, sie treten ein, und es ist bei der
Erforschung der Sprache Jesu von Wichtigkeit, sich daran zu erinnern
, daß diese nicht ganz dieselbe gewesen sein kann wie die.
welche in den uns erhaltenen Quellen vorliegt. Das Problem für
uns ist zu entdecken, welche von den uns zugänglichen Quellen
der beste Repräsentant des palästinischen Aramäisch des 1. Jahrhunderts
gewesen ist.

Es ist ferner wichtig, von vornherein daran zu denken, daß
das, wonach wir in den erhaltenen Quellen suchen, nicht ein
verwaschenes Patois des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung
ist. Wir suchen nach einer Sprache, die geeignet war, Trägerin
solch unvergleichlich großer literarischer Kompositionen zu werden
, wie es das Vaterunser oder Teile der Bergpredigt gewesen
sind. Ich habe das einmal so ausgedrückt:

„Jesus hat nichts schriftlich hinterlassen, aber durch Verwendung
der poetischen Form und Sprache hat er dafür gesorgt, daß seine Worte
nicht vergessen worden sind. Der Eindruck, den sie im Aramäischen
machen, ist der einer sorgfältig vorbedachten und wohlstudiertcn Ausdrucksweise
. Wir haben es mit prophetischen Äußerungen nach Stil
und Größe eines Jesaia zu tun, in einem Medium, das in geeigneter und