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Ausgabe:

1957 Nr. 6

Spalte:

423-424

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Das Buch Jesus Sirach 1957

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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423

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 6

424

6chichtlichen Methode den Universalschlüssel für ein neues Verständnis
gefunden zu haben. Diese Methode haben schon vor ihm
andere in größerem Umfang und Erfolg, als seine Schrift erkennen
läßt, mit z. T. anderen Ergebnissen angewandt. Neu ist die
Einseitigkeit, mit der sich der Verf. auf die Betrachtung der
Redeformen zur Aufhellung der Gesamtstruktur des Hiobbuches
beschränkt und das Formale zum dominierenden Maßstab erhebt.
Aufs Ganze gesehen verliert er aber dabei den Blick für die
außerhalb und hinter dem Formalen liegenden Wirklichkeiten,
um die es neben der „dramatisierten Klage" im Hiobbuch auch
geht. So bleibt z. B. die gesamte Dynamik des Gotteshandelns,
die von den — in der Arbeit bezeichnenderweise überhaupt nicht
berührten — himmlischen Szenen des Prologs bis zu den Gottesreden
und dem Epilog reicht und der Dichtung erst ihren theologischen
Tiefgang verleiht, außerhalb des Blickfelds. Wenn die
Gottesreden aus der gottesdienstlichen Tradition des priesterlichen
Heilsorakels, die den Hiob zurechtweisenden Gottesfragen
aus dem „Gotteslob" hergeleitet, der 2. Teil der Gottesrede
trotz andersartiger Beschreibung des Behemot und Lewjatan auf
das hymnische Motiv des Preises Gottes als des Herrn der Geschichte
(!) gedeutet werden, so kann man sich des Eindrucks
nicht erwehren, daß dabei die Beweiskraft formgeschichtlicher
Betrachtung überschätzt wird und diese zum Postulat geworden
ist, das den Texten von außen her nicht ohne Gewalt aufgeprägt,
aber nicht aus ihnen selbst gewonnen ist. In der Sicht des von
den Psalmen hergenommenen Schemas werden die sachlichen Unterschiede
einzelner Aussagen verwischt oder nivelliert, so daß
die innere Dramatik der Dichtung nicht mehr zur Geltung
kommt, wie z. B. bei den beiden Bekenntnissen der Zuversicht
in 16, 19—21 und 19, 25—27, wo der Verf. den für die Struktur
des Hiobdramas wesentlichen Hinweis auf die persönliche Gottesbegegnung
des Hiob (19, 27) ebenso übersehen hat, wie den Unterschied
im Weisheitsbegriff des Dialogs und in Kap. 28.

Auch wer bereit ist, der These des Verf.s beizupflichten,
daß der Hiobdichter gar nicht anders reden konnte als in den
durch die Tradition vorgegebenen Rede- und Denkformen, und
der angesichts ihrer fragwürdigen Begründung auffallend scharfen
Ablehnung einer Einbeziehung des schöpferischen Geistes des
Dichters und der Leidensproblematik in die Deutung des Hiobbuches
, ein gewisses Recht zuzugestehen, wird bei der gattungsgeschichtlichen
Methode des Verf.s vermissen, daß er der davon
nicht zu trennenden Frage nach dem Sitz im Leben der herangezogenen
Gattungen nicht weiter nachgegangen ist. Mit dem
Hinweis auf die Abhängigkeit des Hiobdichters von den Redeformen
des Streitgesprächs, der Klage, des Gotteslobs usw., bei
dem der Verf. stehen bleibt, befindet er sich immer nur im Vorraum
des Verständnisses, und die Frage, welche Realitäten des
wirklichen Lebens und seiner einzelnen Beziehungen im Hiobbuch
nicht nur zur Sprache, sondern zur Auswirkung kommen,
ist mit der Feststellung der Redeformen und ihrer Gruppierung
noch nicht beantwortet. Erst von diesen Hintergründen der im
Hiobbuch zutage tretenden Lebenswirklichkeiten her wird ein
tieferes und zutreffenderes Verständnis des Aufbaus und der besonderen
Eigenart dieses Buches gewonnen werden können.

Tübingen Artur Weiser

Schilling, Othmar: Das Buch Jesus Sirach übersetzt und erklärt.
Freiburg: Herder 19 56. XI, 217 S. gr. 8° = Herders Bibelkommentar.
Die Heilige Schrift für das Leben erklärt. Bd. VII, 2.

Die vorliegende Übersetzung und Erklärung des Buches Jesus
Sirach ist ganz und gar durch die Ausrichtung des Gesamtwerkes
, dem es angehört, dem „Leben" zu dienen, bestimmt. So
werden „1. Name und Verfasser des Buches", „2. Ort und Zeit
der Entstehung", „3. Art und Inhalt des Buches", „4. Kanonische
Geltung des Buches", „5. Der Text" nur ganz knapp (S. 1
—3) behandelt, und die — glatte und gut lesbare — Übersetzung
entbehrt jeder textkritischen Begründung. Das Schwergewicht ist
vielmehr auf zwei andere Dinge gelegt, auf die Nachzeichnung
des Inhalts der einzelnen Abschnitte des Buches (Inhaltliche Übersicht
) und auf deren praktisch-religiös-ethische Auswertung (Deutung
). Die ziemlich ausführlichen und gut gegliederten Inhaltsübersichten
erleichtern in der Tat dem einfachen Leser das Verständnis
der einzelnen Abschnitte, und ihre Deutung vermag ihm

wohl für sein eigenes Leben mancherlei zu geben. Einige Proben
mögen die Art dieser Deutungen veranschaulichen.

S. 6 zu 1,1—35, dem Prolog der griechischen Übersetzung: „Für
das rechte Verständnis des dogmatischen Inhaltes der Heiligen Schrift
kann nur das unfehlbare Lehramt garantieren. So ist es also nicht Engherzigkeit
der Kirche und eine ungehörige Bevormundung, wenn sie
ihren Gläubigen Übersetzungen Andersgläubiger vorenthält und auch
für eine Übersetzung aus katholischer Hand Erklärungshinweise fordert
." S. 188 zu 44, 16—23 (Henoch, Noe usw.): „So wie Noc, ist jeder
geschichtliche oder endzeitliche Rest in der Heilsgeschichte eine Brücke,
über die die Treue Gottes trotz der Gerichtsnotwendigkeit an den Menschen
die alten Verheißungen der Verwirklichung entgegenführt. Auch
die Kirche ist eine Phase des heilsgeschichtlichen Restes. Ob auch der
moderne Staat Israel?". S. 193 zu 45,1—26 (Moses, Aaron, Phinees):
„Das Priestertum der katholischen Kirche hat nicht weniger als das des
Alten Bundes repräsentative Bedeutung. Doch steht es in einer besonderen
Spannung, insofern es einerseits den Gekreuzigten und die Armut
im Geiste zu verkörpern hat, anderseits aber auch den Sieg des Auferstandenen
und die göttliche Majestät. Neben der persönlichen Demut
und Einfachheit ist das Priestertum in gleicher Weise verpflichtet, die
Würde und Bedeutung des Reiches Gottes zu manifestieren. Hierin ruht
die Berechtigung der liturgischen Gewandung auch heute noch und die
zeremoniell-betonte Stellung etwa der Bischöfe und des Papstes. —
Phinees trat, wie Num25, 6 ff. erzählt wird, mit gewaffneter Hand gegen
ein unsittliches Paar in Israel auf. Er hat also eine Tatkraft und
einen persönlichen Einsatz gezeigt, der vorbildhaft ist. Nicht nachahmenswert
mag die Form sein, wie er vorging. Man kann die sittliche
Haltung nicht mit der Lanze verbessern. Doch sollte man sich über diese
Unvollkommenheit der Form des Phinees und anderer alttestamentlicher
Helden nicht allzusehr entrüsten. Es fragt sich, wo der Tiefstand größer
ist, bei diesen Menschen, die in echtem Eifer sich in der Form vergriffen
, oder in unserer Zeit, in der man sich nicht entblödet, tapfere Jugend
, die die Reklametafeln schmutziger Filme überklebt, vor den
Richter zu zitieren, während die Verfasser und Darsteller dieser Filme
sich des besten Lebens erfreuen, weil wir eine .Demokratie' sind. Der
Zweck heiligt nicht die Mittel, aber auf den Wertmaßstab kommt es an.
Und den haben ein Phinees und die genannten tapferen Jungen klarer
bewiesen als manche, die sich über sie entrüsten."

Halle/Saale Otto Eißfeldt

K o e h 1 e r, Ludwig, und Baumgartner, Walter: Lexicon in Ve-
teris Testamenti libros. Wörterbuch zum hebräischen Alten Testament
in deutscher und englischer Sprache. Leiden: E.J.Brill 1953.
LXVII, 113 8 S. 4°.

Das Lexicon in Veteris Testamenti libros, dessen hebräischen
Teil L. Koehler bearbeitet hat, während das biblisch-aramäische
Material von W. Baumgartner dargeboten wird, stellt das modernste
größere Wörterbuch dar, das wir gegenwärtig besitzen.
Hierbei lohnt sich ein Vergleich mit der 17. Auflage des Handwörterbuches
von W. Gesenius, die zugleich die 5. und letzte,
seither immer wieder nachgedruckte Bearbeitung durch F. Buhl
darstellt. Ein solcher Vergleich zeigt die gewaltige Erweiterung des
lexikographischen Blickfeldes, die in erster Linie bedingt ist durch
das Anwachsen des Vergleichsmaterials, das uns seit dem ersten
Weltkriege zugänglich geworden ist. Zugleich aber wird deutlich
, welche trefflichen Vorarbeiten sachlicher und methodischer
Art — abgesehen von W. Gesenius, dem sich beide Verfasser vor
allem verbunden wissen — gerade F. Buhl geleistet hat.

L. Koehler, der Verf. des hebräischen Teiles, ist stark bemüht
, der semitischen Sprachwissenschaft und damit der Sprachvergleichung
einen angemessenen Platz anzuweisen. So macht er
S. VIII darauf aufmerksam, daß die hebräische Lexikographie
zwar einerseits durch zahlreiche Entdeckungen auf west- und ostsemitischem
Sprachgebiete weithin stark bereichert worden ist,
daß sie aber andererseits durch Häufung von Vergleichsmaterial
vielfach mit Hinweisen belastet worden ist, für die man den Beweis
des echten historischen Zusammenhanges vergeblich sucht.
Verf. bemüht sich daher, einen Mittelweg zu gehen, und neigt
eher zu einer Reduktion des Vergleichsstoffes, ohne allerdings die
wesentlichen Nachbar- und Seitendialekte des Hebräischen, ganz
abgesehen etwa vom Akkadischen, Aramäischen, Arabischen und
Äthiopischen, nicht laufend zu Worte kommen zu lassen.

Sein besonderes Augenmerk richtet Verf. auf die Bedeutungsentwicklung
der einzelnen Stämme und Wörter. Mit Recht sagt
er a. a. O., daß „die theologische und auch die weiter reichende
religiöse Begriffswelt... vielfach aus der allgemeinen Begriffswelt
entstanden" ist. Mit der Betonung der Semantik, die in