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Ausgabe:

1955

Spalte:

257-266

Autor/Hrsg.:

Huebschmann, Heinrich

Titel/Untertitel:

Über anthropologische Medizin 1955

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Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. KURT ALAND, HALLE «BERLIN

NUMMER 5 ACHTZIGSTER JAHRGANG MAI 1955

Seite

Ober anthropologische Medizin.

Von H. Huebschmann.......257

Das „Vesperale et Matutinale" des Mat-

thaeUS LlldeCUS (1589). Von O. J. Mehl 265

The And erson-S^iith Report on Theologi-
cal Education in Southeast Asia. (H.Meyer) 304

[Gr6goire:] nAFKAPTIEIA - Melanies
Henri Oregoire. IV (J. Irmscher) .... 269

Heinsius, M.: Das unüberwindliche Wort
(M. v. Tiling)............286

Holl ister, J. N.: The Shi'a of India

(Q. Rosenkranz)...........273

Imschoot, P. van: Theologie de l'Ancien

Testament. I. (O. Eißfeldt).......275

Jahrbuch, Liturgisches. 3. 1953 (L. Fendt) . 289
Johnson, A. R.: TheVitality oftheIndividual

in the Thought of Ancient Israel (W.Eichrodt) 276
Kanitz, H. J.: Das Übergegensätzliche gezeigt

am Kontinuitätsprinzip bei Leibniz

(K. Müller) ............296

Karrenberg, F.: Evangelisches Soziallexikon

(Q. Holtz).............302

Seite

Keller-Hüschemenger, M.: Die Kirche und
das Leiden (E. Kinder)........298

Kinder, E.: „Allgemeines Priestertum" im
Neuen Testament (Q. Schulze-Kadelbach) . 299

Kraus, H.-J.: Alttestamentliche Predigten
(R. Rendtorff)...........278

Luther, M.: Von der Freiheit eines Christenmenschen
. Hrsg. L. E. Schmitt. 3. Aufl.
(K. Bischoff)............285

Micklem,N.:LawandtheLawsbeing (E.Wolf) 301

Pereis, O.: Apostolat und Amt im Neuen
Testament (O. Schulze-Kadelbach) .... 299

Schäfer, K. Th.: Grundriß der Einleitung in
das Neue Testament. 2. Aufl. (W.O. Kümmel) 280

Schmidt, E.: Hegels Lehre von Gott
(H. E. Eisenhuthi..........292

Schmidt, W. f: Der Ursprung der Gottesidee
. Bd. XI, 3. Abt. V. (H. Herrfahrdt) . . 272

Schmitt, L. E., s. Luther, M.......285

Sommerlath, E.: Amtu. allgemeines Priestertum
(O. Schulze-Kadelbach)......299

Stier, F.: Das Buch Ijjob (O. Eißfeldt) ... 277

Seite

Strecker, K.f: Die lateinischen Dichter des
deutschen Mittelalters. 6. Bd. l.Teil (H.Kusch) 282

Stroick, C: Heinrich von Friemar
(A. M. Landgraf)..........281

Von Personen:

Bibliographie Oskar Joh. Mehl.....305

Berichte and Mitteilungen:

„Schürze von Feigenblättern" und „Stellenloses
Blatt" bei Johann Georg Hamann

(W. Koepp)............307

Theologischer Konvent Augsburgischen Bekenntnisses
(A. Kimme)........311

Eine neue tschechische Bibelkonkordanz
(H.Rösel).............313

Zeitschriftenschau:

Territorialkirchengeschichte......313

Neue Bücher...........317

Zum vorliegenden Heft.......319

Über anthropol

Von Heinrich H u e b s

Daß es mit der Krankheit eine besondere Bewandtnis habe,
ist niemals ganz vergessen worden, nur das 19. Jahrhundert betonte
auf eine extrem einseitige Weise ihre reine Körperlichkeit.
Heute aber gilt es vielfach schon fast als eine Selbstverständlichkeit
, neben der Naturseite der Krankheit auch ihren seelischgeistigen
Anteil zu beachten, und dies nicht nur bei den Nervenkrankheiten
, den Neurosen und Psychosen, sondern auch bei
richtigen körperlichen Erkrankungen. Es ist sogar eine neue Spe-
zialdisziplin entstanden, die psychosomatische Medi-
z i n, welche sich ausdrücklich der Erforschung der leibseelischen
Beziehungen widmet. Doch handelt es sich nicht darum, daß die
große Zahl der Spezialdisziplinen um eine weitere vermehrt wird,
sondern eine recht verstandene psychosomatische Medizin zielt
auf eine Überwindung des in heilloser Weise immer anspruchsvoller
werdenden Spezialistentums. Ist ja doch der Begriff des
Psychischen, der dem Sorna zugeordnet wird, nicht auf das Psychische
allein beschränkt, sondern darüber hinaus ganz wesentlich
das Medium für Realitäten ganz anderer Art, für Realitäten,
welche in der Sphäre des Gesellschaftlich-Sozialen und des Geistig
-Geistlichen beheimatet sind.

Damit hängt es zusammen, daß die traditionelle Feindschaft
zwischen dem Heilkundigen und dem Seelsorger ihre Schärfe verloren
hat. Zahlreiche Gespräche zwischen den einstigen Gegnern
, sei es von Mann zu Mann, sei es auf Tagungen, Akademien
und sogar Universitäten, haben zu fruchtbaren Begegnungen geführt
. Man erkennt auf beiden Seiten das gemeinsame Anliegen,
daß es letzten Endes um den Menschen und seine Rettung
geht.

Andererseits läßt sich nicht verschweigen, daß auf diese Annäherungsbestrebungen
auch wieder Reaktionsbewegungen entstanden
sind, welche auf die Grenzen hinweisen, die im Interesse
einer sachlichen, sauberen Forschung und Amtsausübung
zu respektieren seien. Der Theologe empfindet die Bemühungen
des Mediziners um eine Beseelung und Durchgeistigung seiner

ogische Medizin

c h m a n n, Heidelberg

immer mehr zu reiner Technik entartenden Tätigkeit nicht nur
als Fortschritt und Bereicherung, sondern auch als einen unzulässigen
Übergriff, welcher dem theologischen Anliegen Abbruch
tun könnte. Der Theologe ist besorgt, eine Auffassung wieder
Boden gewinnen zu sehen, welche wie Schleiermacher die
Religion als eine Äußerung der menschlichen Seele betrachtet und
schließlich in irgendeiner Form von natürlicher Theologie endigt.
Umgekehrt argwöhnt der Mediziner als Anwalt des Leiblich-
Natürlichen, daß seine mühsam erarbeiteten und auf besonderen
Erfahrungen beruhenden neuen Vorstellungen zu rasch in ein
theologisches Begriffsgebäude eingeordnet und heimgeholt werden
könnten.

Wie denn überhaupt keine Rede davon sein kann, daß die
jahrhundertealte Spaltung der Fakultäten über einen bloßen Heilungsansatz
hinausgekommen wäre.

Die Folge aber ist, daß die Last der Frage, wie sich denn
nun die beiden Sphären zueinander verhalten, dem zerrissenen
Menschen unserer Zeit selbst aufgebürdet bleibt. Und wenn noch
ein Mann vom Range Max Plancks aus der Geborgenheit einer
unerschütterten wissenschaftlichen und soziologischen Situation
heraus sagen konnte, das Leib-Seele-Problem sei ein Scheinproblem
, so besteht die ganze Not unserer Tage eben darin, das
Reich des Geistes und das der Materie in das rechte Verhältnis
zueinander zu bringen. Die Wendung vieler Physiker zur Metaphysik
, das neu erwachte Interesse vieler Ärzte für die Religion,
das Medizinstudium mancher Pfarrer sind Anzeichen für diese
Not — vielleicht auch schon Ansätze, diese Not zu beheben, indem
der Versuch gemacht wird, die Gegensätze in derselben Person
zu vereinigen. Aber auch dann ist noch keine Gewähr für
eine echte, d. h. produktive Überwindung der Spaltung gegeben.
Betont christliche Ärzte, aus Furcht, rückständig zu erscheinen,
zeichnen sich oft aus durch eine besonders rückhaltlose Hingabe
an die technische Routine der Medizin, ihr christlicher Glaube
bleibt Idealismus, er genügt nicht, um den Alltag, den Beruf zu

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