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Ausgabe:

1955 Nr. 4

Spalte:

240-241

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Rex, Helmut H.

Titel/Untertitel:

Das ethische Problem in der eschatologischen Existenz bei Paulus 1955

Rezensent:

Rex, Helmut H.

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239 Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 4 240

mann ist zu dem Ergebnis gekommen, der von Jeremia verkündete neue
Bund sei im Grunde genommen gar kein neuer Bund; jedenfalls unterscheide
er sich inhaltlich nirgends vom alten Bund. Er kann die» auch
so ausdrücken: Jeremia verheißt nicht die Aufrichtung eines neuen Bundes
, sondern die Erneuerung des alten.

Gegen diese in ihrer Einseitigkeit überspitzte und den Texten
nicht von gerecht werdende These versucht die Arbeit in ihrem VI. Abschnitt
aufzuzeigen, inwiefern Jeremia in seiner Verkündigung vom
neuen Bund — als Textgrundlage ist neben Jeremia 30 und 31 auch Jeremia
3 heranzuziehen — trotz all seiner Verhaftung im Alten über
den alten Bund hinausgeht.

Zunächst wird aufgezeigt, daß der neue Bund auf einem völlig
neuen, unberechenbaren und kontingenten Heilshandeln Jahwes beruht,
das seinen zentralen Ausdruck in der Phrase „Schub schebuth" findet.
Darüber hinaus aber will die Arbeit zeigen, wie auch die inhaltliche
Bestimmung des neuen Bundes durch Jeremia die Vorstellung vom alten
Bunde überschreitet, wie der Begriff des Bundes — der mit seinen
Wurzeln entgegen dem Urteil R. Kraetzschmars wohl bis in die Anfange
der altisraelitischen Amphiktyonie zurückreicht — von Jeremia
tatsachlich mit neuem Inhalt gefüllt wird. Dies wird an fünf Punkten
nachgewiesen:

1. ) Die Gotteserkenntnis. Zwar ist auch schon im alten Bund die
Erkenntnis Janwes gefordert und gegeben. Aber es ist mittelbare, durch
den Priester vermittelte Erkenntnis. Jeremia verheißt für den neuen
Bund eine ursprüngliche, unmittelbare und allgemeine Erkenntnis
Jahwes.

2. ) Die Zugehörigkeit zur Heilsgemeinde. Im alten Bund war die
Zugehörigkeit zur Hellsgemeinde und die Teilhabe am Heil an die
blutsmäßige Zugehörigkeit zum Volke Israel gebunden. Jeremia richtet
die Verheißung des neuen Bundes ausschließlich an das Bundesvolk des
alten Bundes, allerdings an dies Volk in seiner Gesamtheit über alle
politischen Trennungen hinweg, an Israel und Juda (z.B. Jer. 30, 3.4).
Und doch ist die Zugehörigkeit zum Bund nicht mehr an die Volkszugehörigkeit
gebunden, sondern an die „da'at Jahwe", also an einen
personalen Vorgang im Individuum. Damit ist auch hier wenigstens
grundsätzlich die Linie des alten Bundes überschritten.

3. ) Die Gegenwart des Heiles. Im alten Bund ist die Gegenwart
des Heiles an bestimmte Kultstätten, an heilige Gegenstände, Personen
Riten und Orte gebunden. Im neuen Bund ist die Bindung an die Lade
(Jer. 3,16) und an die Beschneidung (Jer. 4,4) grundsätzlich aufgehoben.
Eine Verbindung mit Jerusalem bleibt bestehen. Doch ist die Gegenwart
des Heils an Jerusalem nicht kraft sakralen Rechtes gebunden; sie
bleibt mit diesem Ort verbunden, weil sich dort nach altem Herkommen
die Bundesgemeinde versammelt. Somit ist auch hier der alte Bund
prinzipiell, wenn auch nicht praktisch aufgehoben.

4. ) Die Stellung des Gesetzes. Ortmann begründet seine These,
daß der von Jeremia verkündete neue Bund ganz im Rahmen des alten
bleibe, u.a. auch damit, daß nach Jer. 31,33 der entscheidende Inhalt
des neuen Bundes das Gesetz sei. Gewiß geht es für Jeremia um das
Gesetz, aber nun eben nicht um das Gesetz als Heilsweg, sondern als
die Kundmachung des Willens Jahwes, als seine „Willensoffenbarung"
(Weiser). Der Grund des neuen Bundes aber ist nicht das Gesetz, sondern
die Vergebung (Jer. 31, 34).

5. ) Das Heilsverständnis. Ein weiterer Grund für Ortmann, den
neuen Bund Jeremias vom Neuen Testament her gesehen einfach dem
alten gleichzusetzen, ist der „ausgeprägte Diesseitscharakter" dieses
neuen Bundes. Es ist zuzugeben, daß z.B. in Jer. 31,4. 5 und 31, 12—14
von irdischen Segnungen und Gütern die Rede ist. Aber dies als den
entscheidenden Inhalt des von Jeremia verkündeten neuen Bundes zu
bezeichnen, geht nicht an. Der entscheidende Inhalt des neuen Bundes
ist die Gnade und Liebe Jahwes (3, 12b; 31, 2 f.; 31, 20) und die Vergebung
(31, 34).

Man kann immer nur dialektisch reden, wenn man die Verkündigung
Jeremias vom neuen Bund darstellen will. Er bleibt einerseits im
alten Bund befangen — Ortmann hat vieles richtig gesehen —, aber er
geht gleichzeitig in merkwürdiger Inkonsequenz über ihn hinaus. —

Diese Verbundenheit und Verflochtenheit Jeremias mit dem alten
Bund und seinem Kult kommt in den Abschnitten III—V der Arbeit zur
Sprache, wo über die Vorstellung Jeremias vom alten Bund und die
dafür verwendeten Bilder sowie über die Verwurzelung Jeremias in den
Traditionen des altisraelitischen Kultes (im Sinne der traditionsgeschichtlichen
Forschung) gehandelt wird. In Abschnitt VII wird zu der
in den Kapiteln Jer. 3, 30 und 31 vorauszusetzenden geschichtlichen Situation
Stellung genommen.

L i 11 g e, Otto: Das patristische Wort olxovoftia; seine Geschichte und
seine Bedeutung bis auf Origenes. Diss. Erlangen 1955. 125 S.

Es handelt sich um die Untersuchung eines in der patristischen Literatur
häufig vorkommenden und in seiner Anwendung keineswegs einhelligen
Begriffs. Aus den Wurzeln ofxoc-Hatu und v«/4a>-zuteilen gebildet
, ist oixovouia im Profangriechischen 1.) Haushaltung, Hausverwaltung
, die Fähigkeit, einen Haushalt zu führen; es ist 2.) Einrichtung,
Ordnung, Naturordnung; 3.) Disposition einer Rede oder eines Schriftwerkes
und 4.) Akkommodation, Anpassung, Berechnung oder Nützlichkeitserwägung
auf sittlichem Gebiet (Stoa). Auch als terminus technicus
in der Politik kommt es vor. Die lateinischen Äquivalente sind dispo-
sitio und dispensatio. Philo und Josephus halten sich an diesen klassischen
Sprachgebrauch. In den Papyri erfährt er eine große Ausweitung.
Hier läßt sich eine sechsfache Bedeutung feststellen. In der LXX kommt
oixovouia nur zweimal (Jes. 22, 19 u. 21) vor (= Stelle, Amt).

Einen neuen Inhalt gibt Paulus dem an sich neutralen Wort. Er verwendet
es zur Bezeichnung seines apostolischen Amtes und in der Bedeutung
„Heilserziehung" (l.Tim.). Folgenschwer ist die Verwendung
des Begriffes im Eph.-Brief; hier bedeutet oixovo/ua Heilsveranstaltung.
Das Wort wird zu einem soteriologischen Begriff. Gottes Heilsveranstaltung
weist zurück auf seinen Heils- oder Geschichtsplan. Ignatius führt
noch über den paulinischen Sprachgebraudh hinaus. In Ign. Eph. 6 wird
oixovo/tia zum Bereich der apostolischen Verwaltung, gleichbedeutend
mit Kirche; in Ign. Eph. 20 ist oixovoftia als der auf den „neuen Menschen
Jesus Christus" abzielende Heilsplan Gottes zu verstehen. — Bei
den Apologeten zeigt die Verwendung des Begriffes eine große Mannigfaltigkeit
, oixovouia ist Heilswerk, Heilsplan, insbesondere die Inkarnation
und die Passion des Logos. Bei Tatian und Athenagoras taucht
zum ersten Mal die „ökonomisch-binitarische" Vorstellung auf: oixovoftia
dient zur Kennzeichnung des Verhältnisses von Gott und Logos. Im
allgemeinen vertreten die Apologeten keine heilsgeschichtliche Theologie
. Eine Ausnahme bildet Justin, der Bekanntschaft mit der „kleinasiatischen
Theologie" verrät. So findet sich bei ihm bereits der Gedanke
der recapitulatio.

Irenäus ist der eigentliche Vater der sog. heilsgeschichtlichen Theologie
; wenn heute in der Theologie von „Heilsökonomie" gesprochen
wird, so ist das ein Erbgut des Irenäus. Er kennt oixovouia auch in seiner
klassischen Bedeutung, verwendet das Wort aber vornehmlich als
soteriologisch-heilsgeschichtlichen Terminus. Dabei kommt der Inkarnation
eine besondere Bedeutung zu. Der Sinn der oixovofiia ist die recapitulatio
. Neben die eschatologische Fassung von recapitulatio (ntl.
Eph. 1, 10) tritt bei Irenäus die perfektive: in Christus ist die recapitulatio
bereits erfolgt. In diesem Zusammenhang stehen bei Irenäus der
Bundesgedanke und die Typologese des AT. oixovoftia kann auch die
heilsgeschichtliche Verschiedenheit von Gott-Vater und Gott-Sohn zum
Ausdruck bringen. Im Begriff der Ökonomie schwingt bei Irenaus auch
der Gedanke der Heilserziehung mit. Der Plural oixovofiiat bezeichnet
die Stufen der Heilsgeschichte oder auch die Heilstaten Christi. Die
oixovouia findet in der recapitulatio ihren Abschluß. Irenäus ist kein
Anhänger des griechischen kyklischen Denkens; recapitulatio ist nicht
nur Wiederholung, sondern auch Vollendung. Der Zentralbegriff bei
Irenäus ist aber nicht recapitulatio, sondern oixovoftia.

Tertullians Beitrag zum Thema liegt in der Ausbildung der ökonomischen
Trinitätslehre. Er zeigt sich sowohl von den Apologeten wie von
Irenäus beeinflußt. So findet sich auch bei ihm der Gedanke der Heilsveranstaltung
, der Heilserziehung. Als Konsequenz der Heilsökonomie erscheint
aber die ökonomische Trinitätslehre, die er im Kampf gegen die
Monarchianer entfaltet. Eine „ökonomisch-transeunte" Trinitätslehre verficht
auch Hippolyt: Vater, Sohn und Geist erfüllen je eine verschiedene
Funktion.

Einen neuen Einschlag in die Geschichte des Begriffes bringt Clemens
Alexandrinus. Das heilsgeschichtliche Denken des Irenäus ist ihm fremd.
oixovouia ist Heilstheorie und Pädagogie. Die Erlösung besteht in der
Gnosis; sie ist vom Menschen aus gesehen üeojoia, von Gott oder vom
Logos aus Pädagogie. oixovouia ist die Erziehungsweise Gottes; der
Logos ist der natdayvjyö?. oixovouia bekommt den Charakter des
Ethischen. Clemens greift auf die griechische Philosophie zurück. — Als
Erziehungsweise Gottes erscheint die oixovouia auch bei Origenes.

In der Gnosis ist oixovouia keine eindeutige Größe. In den semi-
gnostischen apokryphen Apostelakten findet sich der gemeinkirchlidie
Sprachgebrauch von oixovouia.

In der Verwendung des Begriffes oixovo/xia stellen sich so drei
Haupttypen heraus, die durch Irenäus, Tertullian und Clemens vertreten
werden. Bei Irenäus ist oixovouia ein heilsgeschichtlicher oder geschichts-
theologischer Begriff, bei Tertullian ein Strukturbegriff zur Bezeichnung
einer innergöttlichen Relation, bei Clemens ein stoisch-ethischer Begriff.
Geblieben ist von diesen 3 Typen die heilsökonomischc Betrachtungsweise
des Irenäus.

Rex, Helmut H.: Das ethische Problem in der eschatologischen Existenz
bei Paulus. Diss. Tübingen 19 54.

Die Diss zielt auf eine grundsätzlich neue Auslegung von l.Kor. 7
hin. Die Exegese arbeitet unter der Voraussetzung, daß das ethische
Problem bei Paulus auf die eschatologische Existenz bezogen werden