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Ausgabe:

1912 Nr. 7

Spalte:

203-206

Autor/Hrsg.:

Gibson, Margaret Dunlop

Titel/Untertitel:

The Commentaries of Isho‘dad of Merv, Bishop of Hadatha (c. 850 a. d.) in Syriac and English. Vol. I - III 1912

Rezensent:

Diettrich, Gustav

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203

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 7.

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gebotene Lotung des Problems geht dahin, daß nicht
Verwerfung, fondern Verftockung der Mehrheit Israels in
Gottes Abficht lag, um fo Segenswirkungen auf die
Heiden ausgehen zu laffen. Kap. 9 ift als paffende Vorbereitung
der Frageftellung anzufeilen. Hier fucht der
Apoftel feine Lefer auf die rechte Warte zu erheben, von
der aus allein fich das Rätfei löfen läßt. Der Glaube hat
in demütiger Beugung auf Gott zu blicken und alles von
den Regungen feines fouveränen Willens zu erwarten.
Aber wenn Paulus dem Menfchen abfolute, widerfpruchs-
lofe Unterordnung unter Gottes Macht predigt, fo ift das
nicht Selbftzweck, fondern foll der rechten Würdigung
des göttlichen Erbarmens dienen. .Aller Widerfpruch
muß endgültig verftummen, wenn dem feiner Nichtigkeit
innegewordenen, vor dem allgewaltigen Schöpfergott in
den Staub geftreckten Gefchöpf aufgeht, wie alles Walten
Gottes, auch das Zorneswalten, unter dem Zeichen des
Erbarmungswillens fleht' (S. 60).

Ohne Zweifel ift der Löfungsverfuch Webers gefchickt
und der Beachtung wert. Ebenfo gewiß hat er manchen
Fehler früherer Vorfchläge richtig erkannt und bloßgelegt.
Nicht ganz fo ficher erfcheint mir, daß er die endgiltige
Deutung geliefert hat und der Streit der Meinungen an
diefem Punkte nunmehr verftummen werde. Rm. 9—II
ift ein zu kompliziertes Gebilde, als daß man ihm eine
allfeitig befriedigende Erklärung abgewinnen könnte. Bei
Weber tritt hinter der ftarken Betonung der Einheitlichkeit
des Gedankengangs das Gefühl für die Zweifchichtigkeit
der hier von dem Apoftel vertretenen Ideen über Gebühr
zurück. Die Bewertung von Rm. 9 als Vorbereitung für
10 und 11 wird für mein Empfinden den ungewöhnlich
entfchiedenen Ausfagen jenes Kapitels nicht gerecht und
arbeitet mit über den Text hinausgehenden, aus den
fpäteren Partien des Briefes flammenden Reflexionen. Statt
eine Einigung auseinanderftrebender Gedankenreihen zu
verflachen oder eine Reihe der anderen unterzuordnen,
tut man beffer, anzuerkennen, daß hier verfchiedene Verflache
vorliegen, fleh mit einem ebenfo fchwierigen als
unabläffig nach Löfung fchreienden Problem abzufinden,
die nicht miteinander ausgeglichen werden.

Der dritte Abfchnitt des Buches erörtert ,die hiftorifch-
theologifche Bedeutung der paulinifchen Theodizee'. Er
enthält als intereffanteflen Beftandteil eine Betrachtung über
,die religionsgefchichtliche Eigenart des Urchriftentums
im Lichte von Rm. 9—II'. W. fetzt hier auseinander, wie
die heilsgefchichtliche Orientierung im Römerbriefe durchaus
der heilsgefchichtlichen Begründung der urchriftlichen
Frömmigkeit überhaupt entfpricht.

Marburg/Heffen. Walter Bauer.

Gibson, Magaret Dunlop, Hon. D.D., LL.D., M. R. A. S.:
The Commentaries of Isho'dad of Merv, Bishop of Hadatha
(c. 850 a. d.) in Syriac and English. Edited and trans-
lated. In 3 vols. With an Introduction by James
Rendel Harris, M. A. Cambridge, University Press
1911. Lex. 8°. s. 27 —

I. Translation. (XXXVIII, 290 S.) s. 6 —. — II. Matthew and
Mark in Syriac. (238 S. m. 1 Fksm.) s. 10.6. — III. Luke and
John in Syriac. (230 S. m. 1 Fksm.) s. 10.6.

Iso'däd von Hedatha oder, wie man nach der im
Chronikon des Barhebräus gegebenen Erklärung vielleicht
auch fchreiben darf, Hedatta = Neuftadt am Tigris ift
einer der gelehrteften Bifchöfe der neftorianifchen Kirche
gewefen. Seine Blütezeit fällt in die Mitte des 9. Jahrhunderts
. Größere oder kleinere Partien aus feinem
Kommentare zum A. T. find durch den Unterzeichneten
(Abfchnitte aus dem Dodekapropheton und Pfalter), durch
Schliebitz (Hiob) und Euringer (Hohes Lied) veröffentlicht
worden. Hier wird der gelehrten Welt die erfte
größere Veröffentlichung aus Iso'däd's Kommentare zum
N. T. vorgelegt.

Der im II. und III. Bande enthaltene fyrifche Text
ift im wefentlichen ein Abdruck einer für J. Rendel Harris
angefertigten Kopie einer Urmiaer Handfchrift (H). Die
Fußnoten enthalten die Varianten aus folgenden Manu-
fkripten: a) Cambridge, University Library Nr. 1973 = C,
gefchrieben 1687 n. Chr. b) Oxford, Privateigentum des
Prof. Dr. Margoliouth = M, undatiert, c) Cambridge,
University Library Nr. 1998 = S, undatiert und frag-
mentarifch. Nicht weniger als 6 '/2 Jahre hat der Druck
der beiden Bände in Anfpruch genommen. Wer da weiß,
was eine gewiffenhafte Drucklegung orientalifcher Texte
für Opfer an Kraft, Zeit und Ausdauer erfordert, der
wird der verehrten Herausgeberin, auch wenn fie fach die
Hilfe ihrer Zwillingsfchwefter gefallen ließ, den Dank für
die gelehrte Gabe nicht vorenthalten.

Die Überfetzung, für deren Revifion Mrs. Gibfon die
forgfältige und viel bewährte Hand Eberhard Neftle's zu
gewinnen gewußt hat, darf trotz der großen Schwierigkeiten
, die die abgeriffene und prägnante Ausdrucksweife
Iso'däds bereitet, nach den von mir vorgenommenen Stichproben
als gut bezeichnet werden.

Xur folgende Ausftellungen notiere ich: Die fyrifchen Perfekta dürfen
im Englifchen nicht durch Praesentia wiedergegeben werden, cfr. S. 7,
Z. iaf.: as he calls him; S. 22, Z. 33: some figure; S. 36, Z. 31:
falsehood is evident; ufw. — S. 58, Z. 30f. überfetze nicht; that it
possesses refining power and things that purify the humours and the
I expectorations, fondern: ,daß es die Fähigkeit befitzt, zu läutern, die
Elemente zu reinigen (L».£°? purificatio ift Singular und hat von den
J Schreibern nur deshalb die Sejäme erhalten, weil es mit dem folgenden
I ev^iiss als Einheit aufgefaßt wurde) und auszufcheiden'. Es handelt fich
um eine dreifache Fähigkeit. — S. 71, Z. 2if. überfetze nicht: Now
he saw angels singing in two choirs, fondern: ,Es fah aber diefer (nicht
damals in feiner Kindheit, fondern zu irgend einer Zeit feines Patriarchats)
die Engel in zwei Chören fingen'. Es liegt hier ein freies Zitat aus der
Kirchengefchichte des Sokrates vor (cfr. meine jakobit. Einleitung in den
Pfalter S. 124fr.). — S. 71, Z. 25 f. überfetze nicht: because it was thought
of Him, that He would now say something absurd, who will be great
before that probation, fondern: ,Denn er dachte bei fich: (Nur) ein Tor
fragt jetzt fchon, wer einmal vor jener großen Prüfung groß fein wird'. —
S. 100, Z. 30 f. überfetze nicht: Some [think] that some of them are
angels in Heaven, fondern: ,Einige (denken), daß die Einen von den
Engeln im Himmel exiftieren'. ^omütf im Zufammenhange

mit ^ooiJLio (hier Vsr-A') "eißt oi fisv — Ol <5« die Einen —

die Andern. — S. 93 wird ein korrumpierter Text überfetzt. Z. 15 ift
von der Eutrückung mehrerer Apoftel die Rede, Z. 17 von der eines
Apoftels. Im übrigen läßt fich eine in zeitlicher und räumlicher Abfon-
derung von den Gerechten (Z. 19) vor fich gehende Entrückung der Apoftel
(refp. des Apoftels) fchwer denken. Ich vermute daher, daß jenes ) «»N *-
fowohl, wie diefes ) ■-- V. * in HS») (Elias) emendiert werden muß. —
S. 71, Z. 30f.: that each of you there should excel his comrade wird
das überlieferte ^ooiAStf ohne weiteres in ^oalie verwandelt. Aber auch
dadurch werden Text und Überfetzung noch nicht glatt. — Ebenfo wird
S. 58, Z. 3lf.: because it preserves bodies ein korrumpierter Text
(Lj-JJ in ixfJ) emendiert, ohne daß in eiDer Anmerkung darauf hin-
gewiefen wurde. Da Iso'dad's Kommentar auch viele des Syrifchen unkundige
Benutzer finden wird, fo kann das böfe Konfequenzen haben. —

Daß die Herausgeberin die Hinweife auf den hoilus
deliciarum am Rande der Überfetzung fchon nach dem
zweiten Druckbogen hat fallen laffen, braucht fie fich
nicht zum Vorwurfe zu machen. Die Gannath Busame,
auf deren Verhältnis zu Iso'däd übrigens fchon der Unterzeichnete
in einem ,Bericht über neuentdeckte handfchriftl.
Urkunden zur Gefchichte des Gottesdienftes in der neftorianifchen
Kirche' (Nachrichten der Kgl. Gefellfchaft der
Wiffenfchaften zu Göttingen, Philologifch-hiftorifche Klaffe,
1909 S. 173 f.) aufmerkfam gemacht hat, muß befonders
herausgegeben und bearbeitet werden. —

In ihrer äußeren Anlage gleichen die vier Evangelienkommentare
den fchon veröffentlichten Kommentaren zu

I den Büchern des A. T.'s. Auffällig lang ift die Vorrede
zu Matthäus. Doch findet das feine Parallele in den noch
unveröffentlichten Vorreden zum Genefis- und Pfalmen-
kommentar. Die Anfchwellung ift bedingt durch den
Paffus über die Redeweife der heil. Schrift (S. 3, Z. 33 —
S. 6, Z. 13). Hätte fich die Herausgeberin mehr um den

1 Quellennachweis bemüht, fo würde fie wohl bemerkt