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Ausgabe:

1908 Nr. 22

Spalte:

617-619

Autor/Hrsg.:

Geisenhof, Georg (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Bugenhagiana. Quellen zur Lebensgeschichte des D. Joh. Bugenhagen. I. Band. Bibliotheca Bugenhagiana 1908

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 22.

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es begegnen uns die typifchen, der Bibel nachgebildeten
Formen des Wunders, das Bauwunder, das Quellwunder,
das Vermehrungswunder, das Bequemlichkeitswunder und
das Verklärungswunder. Z. hebt aber die Bedeutung des
Wunderglaubens für die fchwere Zeit hervor, der er eine
Quelle des Mutes und der Kraft, der einzige Troft für
die Armen und Kranken und eine Mahnung gegenüber
der Willkür der Mächtigen war. Betreff des Naturgefuhls
führt er den Nachweis, daß es nicht erft in der Renaiffance
erwacht, fondern bereits im frühen Mittelalter wenigftens
in Anfätzen vorhanden war. Und für die novelliftifchen
Züge in den Heiligenleben glaubt er einen Einfluß der
Jokulatoren, der Spielleute, die die Träger des nationalen
Elements, der Volkspoefie als Gegengewicht zur herrfchen-
den Mönchsbildung, waren, annehmen zu dürfen. Uas
Buch von Zoepf, das abgefehen von häufigeren Wiederholungen
gut gefchrieben ift, bietet einen wertvollen
Beitrag zur Klarlegung des Geifteslebens im frühen Mittelalter
.

Heidelberg. Grützmacher.

Bugenhagiana. Quellen zur Lebensgefchichte des D. Joh.
Bugenhagen. Gefammelt und herausgegeben von Paftor
GeorgGeifenhof. I.Band. BibliothecaBugenhagiana.
Bibliographie der Druckfchriften des D. Joh.
Bugenhagen. (Quellen und Darftellungen aus der
Gefchichte des Reformationsjahrhunderts. Herausgegeben
von Pfr. Dr. Georg Berbig. VI. Band.) Leipzig,
M. Heinfius Nachf. 1908. (XI, 472 S.) gr. 8° M. 15 —

Paftor Geifenhof in Lübeck, der uns eine wertvolle
Bibliotheca Corviniana gefertigt hat, plant ein großes
fünf bändiges Werk über Bugenhagen, das umfaffen foll:
I. die Bibliographie der Druckfchriften, 2. die Präfationen,
Zirkularfchreiben und felteneren Schriften, 3. eine Bibliotheca
biblica, eine Bibliographie der unter Bugenhagens
Leitung und Mitarbeit veranftalteten niederdeutfchen Ausgaben
des Neuen Teftaments und der Bibel, fowie fämt-
Iicher Editionen beider, 4. die bisher nicht veröffentlichten
oder in entlegenen Zeitfchriften abgedruckten Briefe und
briefliche Erwähnungen Bugenhagens, 5. fein Leben und
Wirken. Jedes Jahr foll ein Band erfcheinen. Es ift kein
Zweifel, daß damit für unfere Kenntnis Bugenhagens, feiner
Wirkfamkeit und Bedeutung vieles gewonnen wäre, und
es ift Geifenhof nur die ausdauernde Kraft und Gefund-
heit zur Ausführung feines Planes zu wünfchen.

Zunächft bietet er die Bibliographie der Druckfchriften,
die mit großer Hingebung, peinlicher Sorgfalt, zäher Ausdauer
und bedeutenden materiellen Opfern ausgeführt ift.
Denn ohne folche läßt fich ein folches Werk, das Nachfragen
bis in die entlegenften Gegenden fordert, gar nicht
ausfuhren und Geifenhof hat ungefähr 450 Bibliotheken
des In- und Auslandes befragt.

Für die Bearbeitung der Bibliographie hat fich Geifenhof
an die Grundfätze gehalten, nach denen die um-
faffendfte Bibliographie, die es heutzutage gibt, bearbeitet
ift. Es ift dies die Bibliographia Erasmiana des Genter
Oberbibliothekars Van der Haeghen (4 Bände 1897—1907).
Wie diefer, gibt er die Befchreibung jedes Werkes eingehender
, als dies A. v. Dommer in feinen ,Lutherdrucke
auf der Hamburger Stadtbibliothek 1516-1523'(1888) und
,die älteften Drucke aus Marburg in Heften 1527—1566'
(1892) und W. Köhler in Bibliographia Brentiana (1904)
möglich war, indem er nicht nur den Titel und die
Bogenzahl angibt, fondern auch die innere Anlage des
Buches darftellt und damit auch den Unterfchied der
einzelnen Ausgaben genauer beftimmen kann. Da Geifen-
hofs ,Intereffe auf das Theologifche, Hiftorifche und Bio-
graphifche gerichtet war, konnten die bibliographifchen
Unterfuchungen zur Ermittlung der Heimat der ohne Angaben
von Drucker und Druckort erfchienenen Drucke
nicht in dem Umfange vorgenommen werden, in dem der

Berufsbibliograph es zu tun pflegt'. Aber er bietet dem
letzteren in der Befchreibung der Titelbordüren und der
Angabe der Fundorte ein willkommenes Hilfsmittel. Auf
Vollftändigkeit der letzteren mußte Geifenhof verzichten,
da ihm dies noch mehr Mühe und Koften verurfacht
hätte. Aber vielleicht ift es ihm möglich, im zweiten
Band zur Erleichterung der künftigen Forfchung noch
einen Nachtrag über die ihm inzwifchen bekannt gewordenen
weiteren Fundorte zu geben. Hier fei darauf
aufmerkfam gemacht, daß die ,Acta der Disputation zu
Flensburg' 1529 (S. 290, Nr. 256), für welche nur die
Univ.-Bibl. Kiel genannt ift, fich m. W. auch in derScheurl-
bibliothek des Nationalmufeums in Nürnberg finden.

Außer der Befchreibung gibt Geifenhof in den Anmerkungen
vielfach noch kurze Auskunft über die Drucker
und die in den Schriften vorkommenden Perfonen, ohne
hier vollftändig erfchöpfende Angaben geben zu wollen,
die oft mit den heutigen Mitteln nicht möglich find. So
wird die künftige Forfchung noch feftzuftellen haben,
wer Theodoricus Lebbaeus ift (S. 16), und wie er fich
zu Theophilus Lebeus, dem Verfaffer des Onomasticon
Theologicum (1557 u. 1560) verhält, ferner wer Cafpar
Turnauer (S. 88), Peter Tydemand (S. 167), Joh.
Hippinus (S. 355), Ant. Kolb von Heyda (S. 395) ift.
Überrafchend find Ref. die Notizen über den fpäteren
Lebensgang Auguftins von Getelen (S. 243), der
weiterer Nachforfchung wert wäre. Entgangen ift Geifenhof
die Abhandlung über ConradRyß vonOfen(S. 2C9)
in den Zwingliana 1,29, wonach es vier Drucke diefer von
Michael Keller in AugsburgverfaßtenSchrift(Roth, Augsburgs
Ref.-Gefch. 1,202,213) gibt, deren erftes Erfcheinen
noch in das Jahr 1525 fallt, denn Zwingli kennt fie am
23. Dez. d. J., Zwingliana 29. Zu Maximiiianus Maurus
wäre zu bemerken, daß dies der jüngere Mörlin ift.
R. E. 133, 2476". S. 51 wäre der Nachweis erwünfeht, daß
Campegius der Kardinal war, dem Melanchthon die
Schrift Nr. 28 zufandte. Vgl. Württb. Kirchengefchichte
! (Stuttgart u. Calw 1893) S. 273. S.449, Z. 17 follte bemerkt
fein, daß mit ,ifindero' der von Wittenberg nach Königsberg
gefandte Profeffor Kinder gemeint ift. Das find
kleine Defiderien, zu denen Ref. noch den Wunfeh eines
Regifters fügen möchte, wie es Köhler in der Bibl. Brent.
in dankenswerter Weife gab. Denn diefes Regifter erleichtert
die Hebung des Gewinns aus dem Werk dem
Forfcher ungemein.

Aber der Gewinn, den das Buch auch in feiner
jetzigen Geftalt gibt, ift fehr anfehnlich. Nicht weniger
als 408 Drucke befchreibt Geifenhof. Nr. 1 ift für die
Gefchichte Bugenhagens als Schulmeifter von Wert, denn
wir lernen hier die 1519 gedruckten Regule grammatices
Ioannis Bngenhagii, auete in qitinta regula de verbis im-
persolanibus, ein Unikum der K. Kopenhagener Bibliothek
kennen. Einen ähnlichen Schatz der dortigen Bibliothek
lehrt uns Nr. 138 S. 177 kennen. Ein Unikum ift auch
Nr. 255 S. 289 der Univerfitäts-Bibliothek Dorpat und die
von Hölfcher erwähnte, aber bisher wieder verfchollen
gewefene Kirchenordnung von Herford von 1534 Nr. 284
S. 331. Gewiß hat Geifenhof recht, wenn er den von
Adam Anonymus in Bafel gedruckten holländifchen
Pfalmenkommentar als Druck Ad. Petris anfleht. Ebenfo
richtig wird die Annahme fein, daß Petrus Stephanus
von Gent als Drucker und Genf als Druckort der Folioausgabe
jenes Kommentars pfeudonym find, aber es wäre
fehr der Mühe wert, diefen Druck, der für die Gefchichte
der Reformation in den Niederlanden von Bedeutung ift
noch weiter zu verfolgen und feine Entftehung und Verbreitung
zu unterfuchen. Von Intereffe ist auch, daß
I Bugenhagens Paffionsgefchichte, die nicht weniger als
70 mal gedruckt wurde, am Karfreitag in allen Kirchen
Dänemarks vorgelefen werden mußte und auch in die
isländifche und polnifche Sprache überfetzt wurde.

Wir fehen jetzt auch, wie beliebt Bngenhagens
Schriften bei feinen Zeitgenoffen waren, während nach

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