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Ausgabe: | 1905 Nr. 6 |
Spalte: | 167-169 |
Autor/Hrsg.: | Goetz, Karl Gerold |
Titel/Untertitel: | Die Abendmahlsfrage 1905 |
Rezensent: | Achelis, Ernst Christian |
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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 6.
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wahrfcheinlich fein.] — Kap. V: Der Apoftel Johannes
in Kleinafien. Er ift erft nach der Zerftörung Jerufalems
dorthin übergefiedelt; aber er ift nicht allein gekommen,
fondern umgeben von jenen Apoftelfchülern, welche
Fapias erwähnt. Als Domitian nicht nur die Verwandten,
fondern auch die intimen Vertrauten Jefu auffpürte,
wurde Johannes auf Befehl des Kaifers nach Rom ge-
fchleppt und dort in fiedendes Oel getaucht, ohne
Schaden zu leiden (vom Verf. S. 99 f. ganz ernfthaft als
hiftorifche Tatfache behandelt). Domitian begnügte fich
dann damit, ihn nach Patmos zu verbannen, wo Johannes
feine heben Sendfehreiben und die Apokalypfe verfaßte.
— Von letzterer handeln Kap. VI—VII. — Kap. VIII
ift dem .heiligen Clemens' und feinem Briefe gewidmet,
Kap. IX—X dem Evangeliften Johannes und feinem
Werke. — Kap. XI handelt von den drei johanneifchen
Briefen und dem Tode des Apoftels. Ein kurzer Ausblick
auf die weitere Entwickelung der Kirche (Kap. XII)
befchließt das Ganze.
Als ein wirklich wiffenfchaftliches könnte das Werk
doch nur dann bezeichnet werden, wenn diefer Charakter
erworben werden könnte durch umfaffende Gelehrfamkeit
und glänzende Darftellung ohne kritifches Urteil.
Göttingen. E. Schür er.
Goetz, Pfr. Lic. theol. Privatdoz. Karl Gerold, Die Abendmahlsfrage
in ihrer gefchichtlichen Entwicklung. Ein
Verfuch ihrer Löfung. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung 1904. (VIII, 311 S.) gr. 8°
M. 9—; geb. M. 10 —
Einer fehr mühfeligen Arbeit hat der Verf. fich unterzogen
. Es fehlte ja nicht an tüchtigen Vorarbeiten, von
L. J. Rückert's grundlegenden Schriften an bis auf die
neufteZeit, die befonders durch Hermann Schultz: ,Zur
Lehre vom hl. Abendmahl' (1886) und A. Schweitzer:
,Das Abendmahl im Zufammenhange mit dem Leben Jefu
und der Gefchichte des Urchriftentums, 1. Heft: Das
Abendmahlsproblem auf grund der wiffenfehaftlichen
Forfchung des 19. Jahrh. und der hiftorifchen Berichte'
(1901) würdig vertreten ift. Allein ein Blick in das vorliegende
Werk genügt, um die Arbeit des Verf.s in der
Regiftrierung, Unterfuchung, Begründungund Widerlegung
der außerordentlich mannigfaltigen Aufftellungen über
das hl. Abendmahl, welche die letzten Jahrzehnte gebracht
haben, in ihrem großen Umfange und eindringendem
Scharffinn zu würdigen. In drei fehr ungleiche Teile
gliedert fich das Werk; der erfte Teil behandelt die
Abendmahlsfrage im Mittelalter von Pafchafius Rad-
bertus an S. 1—34; der zweite Teil die Abendmahlsfrage
zur Zeit der Reformation S. 35—IOO, während der
dritte Teil fich über die Abendmahlsfrage in der neueften
Zeit verbreitet und zwei Drittel des ganzen Werkes umfaßt
(S. 101—312).
Die Darfteilung des erften Teils im einzelnen zu
beurteilen, möchte ich den Dogmenhiftorikern überlaffen.
Im zweiten Teil hat mich die Begründung von Luther's
Stellung zur Lehre von der wirklichen Gegenwart des
Leibes und Blutes Chrifti (S. 5of.) befremdet. Der Verf.
führt allerdings eine Reihe von Ausfprüchen Luther's an,
um feine Thefe zu erhärten, daß es ,ficher einzig die
Schrift gewefen fei, die Luther zu der Verteidigung der
wahren Gegenwart (des Leibes und Blutes Chrifti im
Abendmahl) vermocht habe'. Meines Erachtens entliehen
dogmatifche Sätze niemals aus einzelnen Ausfprüchen der
hl. Schrift; die religiöfe Gefamtanfchauung und ganz
beftimmte religiöfe Intereffen liegen der Deutung und
der Verwendung der Dicta probantia ftets zugrunde, j
Das reine Intereffe an objektiver Wirklichkeit ift wiffen-
fchaftlicher Art; aber aus wiffenfehaftlichem Intereffe wer- |
den nicht kirchliche Dogmen geboren. Luther befand ■
fich in einer fchwierigen Lage; einerfeits die entfehiedene i
Ablehnung des römifchen Meßopfers und der Transfub-
ftantiation, anderfeits die nach feiner Meinung durch die
,Sakramentierer' vollzogene Entleerung des heiligen My-
fteriums. Mit diefen wollte er keine Gemeinfchaft haben
und konnte es nicht, weil feine ganze Vergangenheit die
Gegenwart des wahrhaftigen Leibes und Blutes Chrifti
im Abendmahl unbedingt forderte, wenn das Heiligtum
ihm erhalten bleiben follte; um gleichwohl der römifchen
Meffe zu entgehen, kam er auf die Gegenwart des Leibes
und Blutes Chrifti in usu utentis, und der Wortlaut der hl.
Schrift fchien ihm erwünfehte Begründung zu bieten. Daß
Luther durch Berufung auf die hl. Schrift: ,es fteht ge-
fchrieben'fich über feine wirklichen Motive felber täufchen
konnte, ift bekannt; fchon allein das Marburger Gefpräch
liefert den Beweis. Wie fehr Luther trotz allem in römifchen
Anfchauungen praktifch befangen war, erhellt unter
anderm aus dem Bericht des M. Johann Hachenburg,
den er in feinen Schriften: ,Wider den jrrthumb der
newen Zwinglianer nötige vnterrichtung' (1557) und ,Vom
anbeten des Sacraments' (1561) veröffentlicht hat. Eine
Frau hatte bei der Kommunion etwas Wein verfchüttet:
Luther und Bugenhagen eilten entfetzt und weinend hinzu,
fogen das Kleid der Frau an den benetzten Stellen aus,
fchnitten das Stück heraus und verbrannten es ufw. Hiezu
kam die zartfinnige, aber auch furchtfame und verhängnisvolle
Nachgiebigkeit gegen das römifch erzogene Volk
und gegen die am Hergebrachten haltenden Pfarrer.
Daher die Halbheit der Flntfcheidung: Licet an in gestato
et incluso sacramento sit corpus Christi, nihil curemus
(de W. 4652 Enders 10 272); daher die Verordnung, das
Reliquum sacramenti müffe völlig verzehrt werden (de
W. 5573. 578); daher das rigorofe Verfahren gegen einen
Diakonus, der auf Luther's und Bugenhagen's Betreiben
abgefetzt wurde, weil er eine ihm entfallene konfekrierte
Hoftie durch eine nicht konfekrierte erfetzt hatte (de
W. 5 776 f.); daher auch die Anordnung der Nachkon-
fekration und die Rechtfertigung der Elevation der Hoftien
damit, daß fie den Chriften es bezeuge: ,fehet. liebe
Chriften, das ift der Leib, der für euch gegeben ift' (Kurzes
Bek. vom hl. Sacrament 1545, Erl. A. 32421; im übrigen
vgl. die Abhandlungen von G. Kawerau in St. Kr. 1896
S. 356f. und in ,Halte was du haft' 1902 S. 293h). Bei
folchen tiefgewurzelten religiöfen Anfchauungen und Vor-
ausfetzungen ift es fchon pfychologifch verfehlt, von alleinigem
Beftimmtwerden Lu t he r 's durch den Wortlaut der
hl. Schrift zu reden, ganz davon abgefehen, daß der Wortlaut
keiner Stelle die wirkliche Gegenwart des wahren
Leibes und Blutes Chrifti in, mit und unter Brot und Wein
in usu utentis auch nur ermöglicht. — Entfchieden zu
kurz gekommen ift die Abendmahlslehre Calvin's, der
keine ganze Seite (98) gewidmet ift. Es wird freilich
hervorgehoben, daß nach fnstit. IV 1711 mitBrot und Wein
als Pfändern und Siegeln der Gnade Leib und Blut Chrifti
nicht nur dargeftellt, fondern auch wirklich dargeboten
werden (exhiberi), aber die Hauptfache ift nicht erwähnt,
daß das Genießen der Elemente nur ein Gleichnis und
paralleler Vorgang des durch den Glauben zu vollziehenden
Genießens des in der Herrlichkeit Gottes thronenden
Chriftus ift; von der Schrift Farel's vom Jahre 1533 an:
La maniere et fasson etc. wiederholt fich durch die Cal-
vinifchen Liturgieen die ftereotype Aufforderung, nicht
mit den Gedanken beim Brot und Wein zu verweilen,
fondern die Herzen dahin zu erheben, wo Jefus Chriftus
ift in der Herrlichkeit feines Vaters, a ester nourries et
vivifiees de sa substance (wie es in La forme des prieres
et chantz etc. von 1542 an heißt).
Der dritte Teil des Werkes (S. ioif.), der die Abendmahlsfrage
in der neuften Zeit behandelt, nimmt die Auf-
merkfamkeit in hervorragender Weife in Anfpruch. Die
Darftellung jedoch mit ihrer faft verwirrenden Menge von
Einzelunterfuchungen, Widerlegungen und Beftätigungen
kritifch zu verfolgen, würde den zu Gebote flehenden
Raum weit überfchreiten. Soweit ich das Dargebotene