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Ausgabe:

1901 Nr. 13

Spalte:

354-356

Autor/Hrsg.:

Landmann, Florenz

Titel/Untertitel:

Das Predigtwesen in Westfalen in der letzten Zeit des Mittelalters 1901

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 13.

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monieilen Syftems' will den Nachweis erbringen, ,wie ein
mit Formeln überfattiges Gefchlecht zeitweis einer Belehrung
entrathen zu können meinte, welche der Kirche
in früheren Jahrhunderten als unumgänglich nöthig er-
fchienen war'. In den einzelnen Paragraphen breitet W.
hier eine Fülle von gediegenem liturgifch-hiflorifchem
Wiffen aus, anhebend mit einer Unterfuchung über die
,fpanifchen Liturgiker' (Isidor von Sevilla etc) und dem-
nächft das fog. Sacramentarium Gelafianum. Ich kann
über das Detail nicht berichten. Mit Bezug auf das Gelas.
habe ich Bedenken, ob W. es in der uns bekannten Form
nicht noch zufehr als ,römifch' anfleht. Einiges Material
ift ihm entgangen, z. B. dafs eine von Scher er edirte
exhortatio adplebem (die er in anderem Zufammenhang wohl
kennt) hierher gehört (bei mir II, 828, A. 25); ein anderes
Document konnte er noch nicht benutzen j(bei mir 971 ff.).
Sehr fchwierig wird die Beurtheilung des Gelaf., wenn
man fragt, ob es nicht vielleicht fehr alte Einzelmaterialien
enthalte. Ich rechne zu folchen die praefatio und conclusio
bei der traditio symboli. Auch W. fcheint fich überzeugt
zu haben, dafs diefe Stücke mindeftens älter find als Ge-
lafius, mit dem das Sacramentar ja wohl in irgend einem
Maafse zufammenhängt. Ich meinestheils fehe in jenen
Stücken geradezu .urfprüngliche' d. h. bis in's 2. Jahrhundert
hinauf reichende Elemente. Dafs ich mit diefer
Auffaffung bisher nur kurze Ablehnung erfahren habe
(z.B. auch von Loofs, Deutfche Litzeitg. 1901, Nr. 10),
macht mich durchaus nicht irre. Es ift das Vorurtheil
mit im Spiel, dafs fixirte liturgifche Anfprachen natürlich
' der Zeit des Niedergangs angehörten. Auch W.
fleht bei feiner Darfteilung der ,Entwickelung' der Ver-
hältnifse zum Theil mit unter diefem Vorurtheil. Oder
um mich anders auszudrücken: ich bin auch durch feine
Conftruction des Gangs der Dinge nicht überzeugt worden,
dafs ich mich in einem Vorurtheil bewege. Es ift hier
u. a. ein Punkt gegeben, wo es nicht gleichgültig ift, bei
abendländifchen Cultfragen des Orients mitzugedenken.
Orientalifche Quellen laffen früher fixirte liturgifche Gebete
, Formeln etc. erkennen, als occidentalifche. — Was
Einzelnes anlangt, fo bemerke ich, dafs der pfeudoaugu-
ftinifche Sermon 241 nicht um defswillen nach Gallien gefetzt
werden darf, weil er .dreifache Recitirung desSymbols
vorausfetzt' (S. 248). Denn diele Sitte ift keineswegs
fpecififch gallifch; vgl. bei mir II, 463.

Das letzte Capitel, ,das Symbol als Mittel der religiöfen
Volkserziehung im 8. und 9. Jahrhundert', ift das inhaltlich
bedeutendfte. Es behandelt die Taufvorbereitung in
der fränkifchen Miffion, dann das Sacramentarium Gre-
gorianum in feiner Wirkung auf gallifche Verhältnifse (hier
wird Alkuins Bedeutung anfchaulich), darauf fehr forg-
fältig und fachkundig ,das Symbol in der Gefetzgebung
Karls des Grofsen', fowie letzlich die (Wiederaufnahme
der altkirchlichen Symbolerklärung im 9. Jahrhundert'.
Auch hier fehlt es zum Theil nicht an bedeutenden Vorarbeiten
, zumal bezüglich der Beftrebungen Karls (f. zuletzt
befonders Hauck). Allein W. konnte doch vieles
näher präcifiren und genauer auflichten; das gilt vornehmlich
von allem Liturgifchen. Aufgefallen ift mir, dafs W.
nirgends den fog. ordo romanus vulgatus (ed. Hittorp)
mit in die Verhandlungen gezogen hat. Es wäre mir
willkommen gewefen, wenn er auch diefes Werk von
feinen Gefichtspunkten aus beleuchtet hätte. Dafs es in
grofsen Stücken, zumal in feiner Taufordnung (vielleicht
doppelten Taufordnung, f. bei mir II, 799), in die Zeiten
mithinaufreicht, die W. behandelt, ift ficher. Auf Anlafs
der Befprechung der Antwortfehreiben der Reichsbifchöfe
an Karl auf feine Anfrage in Betreff der Taufbräuche hat
W. mir mit Recht einige Correcturen zu Theil werden
laffen, fo mit Bezug auf Leidrad und Maxentius. Mein
Schlufstheil wird ihn inzwifchen überzeugt haben, dafs ich
felbft fchon weiteres gelernt hatte. Wenn ich hoffe, dafs
man bei weiteren Verhandlungen über das Symbol im 8.
und 9. Jahrhundert zumal auch die,Materialien zur Symbol-

gefchichte aus der Zeit nach 700', die ich II, 816—874
zufammengetragen habe, benutzen werde, fo wünfehe ich
doch, dafs man fich vielmehr an W. halte, wenn man fich
ein anfehauliches Bild der in Betracht kommenden kul-
tifchen Verhältnifse machen will. Bei mir flehen immer
die Textfragen im Vordergrund. — Bei der Schilderung
der .Wiederaufnahme' der Symbolerklärung hätte W.
die Alkuin zugefchriebene Disputatio puerorum nicht
übergehen follen. Sie gehört vielleicht zum Material für
die Hoffchule Karls des Grofsen und würde dann die
Frage nach dem Wege, auf welchem der textus receptus
des Symbols emporgekommen, wahrfcheinlich definitiv
erledigen; (II, 866f.).

Zum Schlufse nur die Bitte, dafs W. nicht zu lange
zögern möchte, die Fortfetzung bezw. den Abfchlufs feines
werthvollen Werks zu liefern.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Landmann, Dr. Florenz, Das Predigtwesen in Westfalen in
der letzten Zeit des Mittelalters. Ein Beitrag zur Kirchen-
und Kulturgefchichte. (Vorreformationsgefchichtliche
Forfchungen. Herausgegeben von Heinrich Finke.)
Münfter, Afchendorff, 1900. (XVI, 253 S.gr.8.) M. 5.50

Dem Predigtwefen nur in Weftfalen und nur innerhalb
des kurzen Zeitraumes von 140 Jahren (von 1378
bis 1517) ift das vorftehende Werk gewidmet. Es ift
eine keineswegs zu weitläufig angelegte, aber höchft
gründliche Forfcherarbeit, die uns in dem Werke dargeboten
wird; fie zeigt, wie unendlich viel uns noch fehlt, bis
wir zu einer den wiffenfehaftlichen Anfprüchen der Hiftorie
genügenden ,Gefchichte der Predigt' werden gekommen
fein. Sind doch nicht weniger als — wenn ich recht
gezählt habe — 133 handfehriftliche Papier- und Pergamentcodices
, fowie eine grofse Reihe von Incunabeln-
drucken u. f. w. gefammelt und durchforfcht, und jede
Seite des Werkes giebt davon Zeugnifs, mit welcher
Sorgfalt fie alle excerpirt find; die königliche Paulinifche
Bibliothek in Münfter hat den gröfseren Theil der Quellen
geliefert, dann auch das Staatsarchiv und die Bibliothek
des Vereins für Gefchichte u. f. w. Weftfalens in Münfter,
die königliche öff. Bibliothek in Berlin, das Städtifche
Archiv in Soeft, die Theodorianifche Bibliothek zu Paderborn
, Bibliotheken und Archive in Osnabrück, Strafsburg,
Düffeldorf. Einen Zweiten, der diefelben Studien in dem-
felben Umfang gemacht hätte, giebt es nicht; der Re-
cenfent hat daher mit feinem Urtheil über die Voll-
ftändigkeit und die Art der Benutzung der Quellen fich
fehr zu befcheiden und vermag nur dem Eindruck dankbarer
Bewunderung des Fleifses und der Solidität der
Forfchung Worte zu verleihen.

Nach einer Einleitung über die kirchlichen und
politifchen Zuftände Weftfalens am Ausgange des M. A.
theilt der Verfaffer feinen Stoff in drei Theile nach den
Fragen: Wer hat gepredigt? Wie ift gepredigt? Was ift
gepredigt? ein. Der erfte Theil (S. 5—71) führt uns eine
grofse Reihe von Predigern aus den Orden der Minoriten,
der Predigerbrüder, der Auguftinereremiten, der Benediktiner
, Cifterzienfer, Kartäufer, der Brüder des gemein-
famen Lebens und der Windesheimer Regularkanoniker,
dann auch der Prediger aus dem Weltklerus vor. Die
überlieferten Predigtbände geben nicht die Predigten,
wie fie gehalten find; wir haben nur die lateinifchen
Niederfchriften, die, abgefehen von den Klofterpredigten
und den an den Klerus gehaltenen, für die deutfche
Predigt die Vorlage bildeten. Der .Weltklerus* fällt
allerdings gegen die Ordensleute fehr ab; nur auf 6 Seiten
kann von den .Weltgeiftlichen in der Heimath' berichtet
werden gegen 55 Seiten, die uns von den Ordenspredigern
berichten. Der Verfaffer wünfeht es zu erweifen, dafs
auch von dem Weltklerus regelmäfsig gepredigt fei; wir
halten den Erweis für nicht erbracht. An fpäterer Stelle,