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Ausgabe:

1897

Spalte:

110-112

Autor/Hrsg.:

Kolde, Theodor (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte. 2. Bd 1897

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 4.

Wiffenfchaft und feinen Freunden. Mit der Fortführung
der Arbeit betraute die hiftorifche Commiffion einen
jungen Gelehrten, der fich fchon vortheilhaft hervorge-
than hatte, Dr. Brandi, jetzt Privatdocent in Göttingen,
und man wird zugeftehen muffen, dafs die Aufgabe
befferen Händen wohl kaum hätte anvertraut werden
können. Die Arbeit war für Brandi nicht leicht; mufste
er fich doch in einen ihm fremden Stoff hineinarbeiten,
was umfo fchwieriger war, als Druffel „Literaturnotizen
oder Hinweife oder gar kritifche Anmerkungen nicht
hinterlaffen hatte," dennoch hat er in trefflicher Weife
fich feiner Aufgabe entledigt. Sorgfältig hat er das von
feinem Vorgänger gefammelte Material verwerthet, neue,
wichtige Stücke aus dem Wiener Staatsarchiv herangezogen
, das Ganze mit gründlicher Literaturkenntnifs, eindringender
, befonnener Kritik verarbeitet, fo dafs der
Band fich feinen Vorgängern durchaus würdig anfchliefst.
Ueber die Grundfätze, die ihn bei feiner Arbeit geleitet
haben, giebt Brandi in der Vorrede erwünfchten Auf-
fchlufs; man wird fich mit dem dort Gefagten wohl
allenthalben einverftanden erklären können, glücklich er-
fcheint die Aenderung in der Anordnung der Anmerkungen
.

Es ift felbftverftändlich an diefer Stelle nicht möglich
, auf den reichen Inhalt des Bandes ausführlich einzugehen
, wir müffen uns darauf befchränken, einige
gröfsere Gruppen daraus hervorzuheben. Die Correfpon-
denz zwifchen Karl V. und Ferdinand bringt werthvolle
Ergänzungen, theilweife willkommene Verbefferungen zu
den aus Lanz und Buchholz bekannten Stücken. Von
nicht geringem Intereffe find die drei grofsen, bisher
unbekannten Denkfchriften (nr. 129, 348, 401) aus der
Feder des Vicekanzlers Seid, befonders deren zweite,
welche die kaiferliche Erklärung über die Verträge von
Paffau nnd Metz enthält. Bemerkenswerth ift ferner,
trotz der grofsen Redfeligkeit ihres Verfaffers, die lange
Serie von Berichten, die Zafius aus dem Reiche und
vom Reichstage an König Ferdinand oder Maximilian
erftattet. Des letzteren vertrauliche Correfpondenz mit
dem Bayernherzog geftattet einen Einblick in den fo
verfchieden beurtheilten Charakter Maximilians. Unter
den Fürften des Reiches ragt Moritz von Sachfen unftreitig
bei weitem hervor. Für die vielverfchlungene Politik
des Albertiners, für fein „Ausfehauen überallhin nach
zuverläffigen Verbindungen," für feine Verhandlungen
mit dem römifchen Könige, andererfeits mit Albrecht
von Brandenburg, erhalten wireineFülle neuen,intereffanten
Materials. Auf die befonnene Würdigung von Moritzens
Antheil an den Heidelberger Fürftenverhandlungen,
April 1553, fowie auf die Beurtheilung feines Verhält-
niffes zum Brandenburger fei befonders verwiefen (nr. 93
nt 1, nr. 144 nt. 1). Die völlige Aenderung in der kur-
fächfifchen Politik nach Sievershaufen und die durchaus
friedliche Haltung des Kurfürften Auguft illuftrieren zahlreiche
Stücke. Die vergeblichen Verfuche der Erneftiner,
wieder in den Belitz der Kur zu gelangen, feien erwähnt,
einen um fo breiteren Raum nehmen die Korrefpon-
denzen der füddeutfehen und rheinifchen Fürften ein,
vor allem der Heidelberger Bundsverwandten. Voigts
Monographie über Albrecht von Brandenburg wird ergänzt
und berichtigt. Mancherlei Neues erfahren wir
über die Stellung Albrechts von Bayern zur Neuwahl
im benachbarten Salzburg. Die Hauptmaffe der Acten
und Briefe aus dem Jahre 1555 bezieht fich auf den
Augsburger Reichstag. Wenn fchon unvollftändig (f. Vorrede
S. 8) erweitern fie doch unfere Kenntnifs jener
Vorgänge beträchtlich; auf die forgfamen Zufammen-
ftellungen über Entftehung und Wortlaut des Artikels
über den Religionsfrieden in nr. 671 fei befonders hin-
gewiefen.

Ein vorzüglich gearbeitetes Regifter — Stichproben
ergaben feine Zuverläffigkeit — und Nachträge befchliefsen
den Band, für deffen Herausgabe die Forfcher auf dem

Gebiete des 16. Jahrhunderts Dr. Brandi zu aufrichtigem
Danke verpflichtet find.

Leipzig. Trefftz.

Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte, hrsg. von Prof.
Dr. Thdr. Kolde. II. Bd. Erlangen, Junge, 1896.
(IV, 312 S. gr. 8.) M. 4.-.

In der kleinen Flugfchrift „Die hiftorifchen Vereine
vor dem Tribunal der Wiffenfchaft" hat Ref. f. Z. gegenüber
der fcharfen, aber wunde Stellen berührenden Kritik
Ge. Haags zu beweifen gefucht, dafs die Wiffenfchaft die
Arbeit der Dilettanten nicht entbehren kann und nur
dann ein Recht hat über ihre Arbeit an der Provinzial-
gefchichte den Stab zu brechen, wenn fie die Hand geboten
, um die Provinzialgefchichte auf eine höhere Stufe
zu bringen, und dann keine Frucht fieht. Was fo aus
der Provinzialgefchichte werden kann, das zeigt aufs
Neue der zweite Band der Beiträge für bayerifche Kirchen-
gefchichte, welche unter Koldes Fittigen eine Stellung
zu gewinnen fich anfehicken, dafs auch die Männer der
Wiffenfchaft diefen Blättern Beachtung fchenken müffen,
und wäre es auch nicht das eine Stück „Dr. Johann Eck's
Denkfchriften zur deutfehen Kirchenreformation 1523,"
das dazu nöthigte. Um diefem Stück nachher eine eingehendere
Befprechung widmen zu können, fei zunächst
ein Ueberblick über den hier zeitlich geordneten Inhalt
gegeben.

In die Zeit am Ende des zehnten Jahrhunderts führt
die Arbeit Albrechts über die Briefe Wigos, des Feucht-
wangers Mönches, eine fehr fchätzenswerthe Quelle für

! jene Zeit. Albrecht gibt eine Ueberfetzung, kurze Erläuterungen
und Datirungsverfuche. Leider hat er nur
die erfte der Abhandlungen des Ref. über diefe Briefe
(Württb. Vierteljahrshefte 1881, 67, 231, 287) benützt.
Darum weifs er über den Grafen E., die Salzquelle und
den Sohn Richards, die dort befprochen find, nichts zu
fagen. Zu dem dort angenommenen Benitz des Kloflers
Feuchtwangen am Kocher dürfte der Name des Ortes

j Nagelsberg ftimmen, der fich trefflich als Befitz des heil.
Nagels zu Feuchtwangen erklärt, obwohl fich der Befitz

j nicht mehr urkundlich nachweifen läfst. Der mittelalterlichen
Kirchengefchichte gehört nur noch die Arbeit
Jordans über den heil. Geiltfpital zu Nürnberg mit dem
Nachweis, dafs derfelbe nichts mit dem Orden der Brüder
vom heil. Geilt zu thun hatte. Der Löwenantheil ifl der

| Reformationsgefchichte zugefallen. Enders fetzt feine
Mittheilungen aus Cafpar Löners Briefbuch, der ergiebigen

| Quelle für die Gefchichte Naumburgs und Süddeutfch-

! lands, fort. Befonders zu beachten ift der Brief von
Cafpar Brufch S. 306 und der Nachweis eines Briefwechfels

I Luthers mit dem Carthäufer Prior Sudermann in Chrift-
garten S. 38. Kolde felbft veröffentlicht den Briefwechfel
von Urban Rhegius mit dem Markgrafen Georg, der
1528 Urban Rhegius und dann Kaftenpauer in feine Dienfte
ziehen will, fowie einen Brief desfelben Markgrafen, von
1529, der beweift, dafs das Lied „Mag ich Unglück nit

1 widerftan" wirklich von der Ungarnkönigin Maria flammt.
Kawerau giebt einen intereffanten Brief eines Augsburger
Bürgers von 1528 mit ftark fubjektiv gefärbten Nach-

) richten über die dortigen Zuftände, das Täufertum und
den Zwinglianismus. Georg Müller einen Bericht des

j Herzogs Wilhelm von Bayern an Herzog Georg von

: Sachfen über die Hinrichtung eines Wiedertäufers in

| München 1527. Der leider früh verftorbene Weitermayer
weift nach, wie die demütigende Weife, auf welche Pirk-
heimer und Spengler aus dem Bann kamen, auf Rechnung
des Nürnberger Rathes zu fetzen ift, der die ganze
Sache aus politifchen Rückfichten in die Hand nahm.
Hopf Hellt über Hans Jakob Wehe Bekanntes hübfeh

| zufammen. Aus Stuttgarter Konfiftorialakten konnte Ref.
das Bild, das AI. Knöpfler (Die Kelchbewegung in Bayern