Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1885

Spalte:

169-171

Autor/Hrsg.:

Warneck, Gust.

Titel/Untertitel:

Protestantische Beleuchtung der römischen Angriffe auf die evangelische Heidenmission. Ein Beitrag zur Charakteristik ultramontaner Geschichtsschreibung. 2. Hälfte 1885

Rezensent:

Strack, Carl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

169

Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 7.

bcgriffs, welcher offenbar in den Grundzügen mit dem I oder hinzufetzt, wie es ihr Intereffe verlangt, dafs fie
chriftlichen Gottesbegriff übereinftimmt. Auch hier fcheint i diefelben verfälfcht? Die Unfruchtbarkeit der proteftanti-
uns die Ausführung den Rahmen einer pfychologifchen , fchen Miffion ift den Katholiken ein Axiom, für das fie
Unterfuchung zu überfchreiten; und insbesondere haben , nicht nöthig halten, einen annehmbaren Beweis vorzu-
wir noch den Einwand zu erheben, dafs in dicfem ganzen , bringen. Die Entschuldigungen, welche Sie für ihre Mif-
Zufammenhang die hiftorifche Grundlage des chriftlichen fion vorbringen, werden bei der protcftantifchen nicht
Gottesglaubens keine Erwähnung findet; der letztere er- j zugelaffen, diefelbe fei ohne civilifatorifchen und fitt-
fcheint fälfchlicher Weife wie ein Stück einer natürlichen liehen Werth; dabei wird die proteftantifche Schulthätig-
Religion. — An die Schilderung der Genefis des religiöfen keit verdächtigt. Der Verf. führt feine Beweife meiftens
Gefühls fchliefst fich bei dem Verf. eine Befchreibung mit Auszügen aus der römifchen Literatur. Er beleuchtet
des religiöfen Gefühlslebens an, welches als Refultat einzelne Angriffspunkte der kath. Preffe. Am (iegreichften
jenes Proceffes fich ergiebt. Auch in diefem leider etwas ; weift er die Angriffe auf die Verheirathung der Miffio-
kurzen) Abfchnitt wird faft ausfchliefslich eine Befchrei- nare zurück, ebenfo die Beschuldigung proteftantifcher
bung derjenigen Geflaltung des religiöfen Gefühlslebens Intoleranz; Schwächer ift feine Beleuchtung der proteftan-
gegeben, welche auf der Stufe des chriftlichen Mono- tifchen Gefpaltenheit der katholifchen Kircheneinheit
theismus uns begegnet. Für die empirifche l'fychologie : gegenüber. Wir geben in gewiffer Beziehung die That-
an und für fich aber fteht das religiöfe Gefühlsleben des fache zu, dafs die ,Eintracht g röfser ift als die Zwietracht';
Chriitenthums n eben dem des Muhammedanismus, Brah- aber dafs Gefpaltenheit ein grofser Krebsfehaden für
manismus etc.; fie hätte auf Grund einer Analyfc aller die Miffion ift, wer wollte das leugnen? Die kath. Ein-
iliefer verfchiedenen Formen fchliefslich die ihnen allen heit ift allerdings dem Wefen des Proteftantismus zu-
gemeinfamen pfychifchen Functionen herauszu- wider, auch die rechte Einheit wird der ev. Kirche noch
itellen. Wenn lie — was wir ihr gewifs nicht verargen— lange ein pittm desiderhtm bleiben; nur möge man die
auf diefe weitläufige Aufgabe verzichtet und an dem Zerfpaltenheit derfelben von dem Gebiet der Miffion
chriftlich-religiöfen Gefühlsleben, fo wie dasfelbe erfah- fernehalten. Vor allem aber hüte man fich—was wir der
rungsmäfsig fich geftaltet, faft ausfchliefslich fich orientirt, katholifchen Miffion mit Recht vorwerfen können, wie
fo follte dies wenigftens deutlicher ausgefprochen fein, auch der Verf. im IX. Capitel gethan hat —, dafs fich die
als es in unferem Buche gefchieht. Katholiken in die proteltantifchen Gebiete eindrängen

Trotz diefer Bedenken, welche wir gerade in Be- und dort Profelyten zu machen Suchen. Im X. Capitel
Ziehung auf die den Theologen befonders intereflirende wirft der Verf. Blicke in die römifche Mifiionspraxis.
Partie der Schrift erheben müffen, kann doch gerade Er zeigt, dafs derfelben jede wiffenfehaftlich methodifche
dem Theologen das anregende und von einem edlen Behandlung fehlt, dafs es mehr um Vermehrung der
Gcift durchwehte Buch des Verf.'s empfohlen werden. Namen-Chriften als um wirkliche Herzensbekehrung zu
Der Theologe, welcher als Pädagog, Seelforgcr und thun ift; daher der ungeheuere Umfang der Taufen von
Prediger die Aufgabe hat, auf das geiftige Leben anderer Heidenkindern in Sterbensgefahr und der maffenhaften
einzuwirken, mufs das pfychifche Leben, befonders das Taufen Erwachfener ohne innere Sinnesänderung, felbft
Gefühlsleben, in feinen eigenthümlichen Formen kennen, ohne vorhergegangenen Unterricht. Die fpeeififeh römi-
Diefe Kenntnifs ilt allerdings in erftcr Linie aus der fchen Dogmen und Ceremonien begraben das reine
Sclbftbeobachtung und der Beobachtung der mit uns Evangelium; fie bringen vielfach nur übertünchtes Heiverkehrenden
Menfchcn, weiterhin etwa auch aus Biogra- denthum. Befonders gerügt wird die Accommodations-
phien und pfychologifchen Schilderungen in Dichterwerken theorie, welche die Jefuiten in Indien und China ange-
zu fchöpfen. Aber eine Anleitung und Anregung zur wendet haben, indem diefelben nach dem Grundfatz:
feharfen Beobachtung des im Leben und in der Literatur ,Der Zweck heiligt die Mittel', die Beibehaltung vieler
dargebotenen Materials werden wir mit Dank annehmen; heidnifchen Sitten gutgeheifsen haben, um nur, nament-
und eine folche kann das vorliegende Buch uns geben. | lieh hohe und angefehene Perfonen, für die kath. Kirche

Zum Schlufs fei noch in Beziehung auf den im
ganzen correcten Druck bemerkt, dafs pag. 66 Z. 12
von oben ,Sophokles'ftatt .Sokratcs'zu lefen ift und dafs
lie fchwer auszurottende Schreibart Epikuräer (ftatt

zu gewinnen. In dem XI. Capitel, das die Ueberfchrift
führt: ,Die römifche Miffion und die Politik', wird gezeigt,
wie die Papftkirche einen fchreienden Contraft bildet zu dem
Reiche Chrifti, ,das nicht von diefer Welt ift«. Namentlich
Epikureer = 'EniKOVQttOt) fich auch einmal (p. 157 Z. 3 j find zur Zeit der fpanifchen und portugiefifchen Erobe-
von oben) findet. rungen in Amerika — welche Zeit von dem Verf. die

t... . VI„V u P; Ohle ' «genpwn-cfcffifche Periode der römifchen Miffions-

Jlubingen._iVlax Keiicnie. gefchlchte genannt wird, die unmenfehlichften Graufam-

Warneck, D. Gu.L, Protestantische Beleuchtung der rörni-

sehen Angriffe auf die evangelische Heidenmission. Ein franzöfifchen Machtgebote und Waffen der römifchen
Beitrag zur Charakteriftik ultramontaner Gefchieht- ; Miffion gedient, fodafs es der Verf. als eine grofse
fchreibung 2 Hälfte Gütersloh, Bertelsmann, 1885. ; Dreiftigkeit bezeichnet, die evangelifche Miffion derfelben
(VII u S 2«—Wo er 8) M. 3. 60 (cplt. M. 6. 60). ! POMtifchen^Verfündigungen zu befchuldigen, von denen
(Vit u. S. -35 509. gr. o.) 3 F ; dle romifche Miffionsgcfchichte wimmelt. In dem fol-

Die zweite Hälfte diefer von dem Herausgeber der genden Capitel wird es als ein Verhängnifs bezeichnet
,Allg. Miff. Zeitfchrift' bearbeiteten Apologie der ev. dafs fo viele ältere römifche Milfionen zufammen<re'
Heidenmiffion ift zu einer Anklagefchnft der ultramon- brochen find, gerade wenn fie auf dem Gipfel ihres
tauen Gefchichtfchreibung geworden, wie wir fchon bei Glanzes zu flehen fchienen, die Miffionen in Paraguay
der Anzeige der erften. Hälfte angedeutet haben Schon Guayana, Kongo, Abeffinien, Indien, China, Japan feien
Cap. VII des Ganzen oder von diefer Hälfte das erlte wie Häufer auf Sand gebaut, wieder zerfallen und bil-
enthält eine fchwere Anklage gegen romilche Schritt- deten nur noch Ruinen. Das XIII. Capitel zeigt die Un-
ftellerei. Es führt die Ueberfchrift ,Du follft nicht fallen zuverläffigkeit der römifchen Miffionsftatiftik, indem die
Zeugnifs reden wider deinen Nächften'. Welch grolserer alten, früher bekehrten Chriften und die Coloniften mit-
Vorwurf kann einer Kirchengemeinfchaft gemacht werden | gerechnet werden. Zuletzt liefert der Verf. ,Ein Schlufs-
als der, dafs fie um eine andere, neben ihr beftehende, wort zum Frieden', wiewohl er im Anfang erklärt:
wenn fie folche auch nicht als Schwefterkirche anerkennen ; ,Es wäre eine Illufion, folchen Wahn zu nähren (als ob
will, in den Augen ihrer Mitglieder herabzufetzen, ge- man zu irgend einem Frieden zwifchen den Ultramon-
fchichtliche Thatfachen verfchweigt, dafs fie weglafst tanen und den Evangelifchen möglich fei); ich thäte ein