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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

450–451

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Basdekis, Athanasios [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung. Dokumente – Erklärungen – Berichte 1900–2006.

Verlag:

Frankfurt a. M.: Lembeck; Paderborn: Bonifatius 2006. XXVI, 896 S. m. Abb. gr.8°. Geb. EUR 48,00. ISBN 978-3-87476-506-0 (Lembeck); 978-3-89710-366-5 (Bonifatius).

Rezensent:

Erich Bryner

Der Band enthält die offiziellen Dokumente der Orthodoxie zu den Fragen der Ökumenischen Bewegung im 20. Jh. Er setzt mit der Enzyklika des Ökumenischen Patriarchates von 1902 ein, in dem Konstantinopel erstmals ein grundsätzliches Interesse der Orthodoxen Kirchen an einer »fruchtbaren Pflege der gegenseitigen Beziehungen zwischen den Kirchen mit demselben Glauben« äußert, und schließt mit der Grußbotschaft von Patriarch Bartholomaios I. an die 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Porto Alegre vom 2. Februar 2006, in der die »bedeutsamen Entwicklungen« der vorhergegangenen sieben Jahre positiv gewürdigt werden. Als Anhang beigefügt sind die in Porto Alegre überarbeiteten Verfassung und Satzung des ÖRK, die Toronto-Erklärung von 1950 mit den für die Orthodoxie bedeutenden Ausführungen darüber, welchen Charakter der ÖRK hat und welchen nicht, sowie die umfangreiche Abschlusserklärung der Sonderkommission zur weiteren orthodoxen Mitarbeit im ÖRK von 2002, womit die tiefgehenden Krisen der 1990er Jahre, wie der Heraus­geber des Bandes hofft, überwunden werden konnten. Herausgegeben wurde der Band vom griechischen Theologen Athanasios Basdekis, der seine höhere theologische Ausbildung an der traditionsreichen Akademie von Chalki (Prinzeninseln) und an der Uni­versität Münster/Westf. erhalten hat und seit bald vier Jahrzehnten in Deutschland lebt, gewichtige ökumenische Ämter im Auftrag der griechisch-orthodoxen Kirche bekleidet und durch wegweisende Publikationen bekannt geworden ist, darunter durch das Buch »Die Orthodoxe Kirche. Eine Handreichung für nicht-orthodoxe Christen und Kirchen«, Frankfurt a. M. 2001.
Aus der Dokumentation geht hervor, dass die Orthodoxe Kirche an der Ökumene und an der Mitarbeit im ÖRK grundsätzlich sehr interessiert ist und immer wieder Initiativen ergriffen hat, so auch 1920 in der bekannten Enzyklika »An alle Kirchen Christi in der ganzen Welt«, die zur Bildung eines Kirchenbundes analog zum Völkerbund aufrief. An den ökumenischen Weltkonferenzen der Zwischenkriegszeit nahm die Orthodoxe Kirche engagiert teil, machte aber häufig in Sondererklärungen ihre Positionen deutlich. Eine Reihe von orthodoxen Kirchen sind Mitglieder im ÖRK seit seiner Gründung 1948; diejenigen, die im sowjetischen Machtbereich lebten, konnten ihm erst 1961 oder in den folgenden Jahren beitreten. Diskussionen, Meinungsverschiedenheiten und Spannungen zwischen den orthodoxen und nicht-orthodoxen Mitgliedskirchen gab es immer wieder, besonders virulent wurden sie mit der 7. Vollversammlung des ÖRK in Canberra (1991) und erreichten den Höhepunkt ihrer Schärfe vor und während der 8.Vollversammlung in Harare (1998), während denen die orthodoxen Delegationen ihre Teilnahme an ökumenischen Gottesdiensten und Abstimmungen weitgehend sistierten und eine »radikale Umgestaltung des Weltkirchenrates« forderten. Der in Harare ins Leben gerufenen Gemischten Kommission gelang es in harten Diskussionen, die strittigen Fragen (Charakter der Gottesdienste, Abstimmungsverfahren im ÖRK, Mitgliedschaft und angemessene Vertretung der orthodoxen Kirchen im ÖRK) weitgehend zu lösen. Die orthodoxen Stellungnahmen und Schritte sind ausführlich dokumentiert.
Dokumentiert sind aber auch zahlreiche ökumenisch relevante Themen, die innerhalb der Orthodoxie in diesem Zeitraum intensiv behandelt wurden und ihr sehr wichtig sind. Dazu gehören die Fragen des Proselytismus, der Mission, der Diakonie, des Weltfriedens, der Bewahrung der Schöpfung, der Ökologie, der Stellung und der Aufgaben der Frau in der Kirche mit der mehrmals ausgesprochenen dringenden Empfehlung an die autokephalen orthodoxen Kirchen, das Amt der ordinierten Diakonisse, das es in der alten Kirche gab und mit der Zeit aufgegeben wurde, wieder einzuführen, aber mit einer ebenso klaren Ablehnung der Ordination von Frauen zum Priesteramt. Dazu kommen die Vorarbeiten zu einem künftigen panorthodoxen Konzil, Stellungnahmen zu gewichtigen ökumenischen Texten wie dem Lima-Papier, Erörterungen über das Verhältnis zu den orientalisch-orthodoxen Kirchen im Hinblick auf die volle eucharistische Einheit, zum ökumenischen und interreligösen Dialog und immer wieder die Frage nach dem Verhältnis zum ÖRK mit all seinen ekklesiologischen Implikationen und Grenzen.
Die Dokumente sollen für sich sprechen. Einleitungen und Hin­führungen sind äußerst sparsam – manchmal zu sparsam – und auf das Allernotwendigste beschränkt. Meistens sind es lediglich Hinweise auf die Erstpublikationen in Form einer Anmerkung. Der Umfang des Bandes hätte leicht noch erweitert werden können. So vermisst man beispielsweise die Ökumene-Erklärung der Moskauer Bischofskonferenz vom August 2000. Sehr nützlich für die Erschließung einzelner Themen des theologischen Gespräches ist das Sachregister am Schluss des Bandes. Eine Bibliographie fehlt. Über die Hälfte der abgedruckten Dokumente wurde zum ersten Mal aus dem Englischen oder Griechischen ins Deutsche übersetzt. Für die deutschsprachigen Kirchenleitungen, Ökumeneverantwortlichen, Forschenden, an Hochschulen Lehrenden und Studierenden steht mit diesem Band ein ausführliches, in sich geschlossenes, gut gearbeitetes und sehr zuverlässiges Arbeitsinstrument zur Verfügung. Als Ergänzung für die Probleme der bilateralen Dialoge wird man weiterhin mit großem Gewinn den Dokumentenband »Orthodoxie im Dialog. Bilaterale Dialoge der orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen 1945–1997«, erschienen in der Reihe Sophia, Quellen östlicher Theologie, Trier 1999, beiziehen.