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Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

618 f

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Beyer, Klaus

Titel/Untertitel:

Die aramäischen Inschriften aus Assur, Hatra und dem übrigen Ostmesopotamien (datiert 44 v. Chr. bis 238 n. Chr.).

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998. 191 S. gr.8. Kart. ¬ 49,00. ISBN 3-525-53645-3.

Rezensent:

Hans-Peter Müller

Das jüngste Werk des bekannten Heidelberger Semitisten schließt an zwei seiner früheren Veröffentlichungen an, nämlich Die aramäischen Texte vom Toten Meer, Göttingen 1984, und den Ergänzungsband gleichen Titels mit Nachträgen, Göttingen 1994; der neue Band entspricht den früheren in Zielsetzung und Gestaltung. Er enthält graphemische Wiedergaben, phonologische Transkriptionen (hypothetisch) und Übersetzungen von etwa 600 meist relativ kurzen Inschriften in einem ostaramäischen, mit dem Syrischen verwandten Dialekt, den der Vf. das "Ostmesopotamische" nennt. Für die graphemischen Wiedergaben hat der Vf. eine stilisierte Druckschrift in Anlehnung an die Originalschrift entworfen, die von Ulrich Seeger digitalisiert wurde.

Die phonologische Transkription "gibt ohne Rücksicht auf die Entstehungszeit der einzelnen Inschriften einheitlich die aramäische Aussprache wieder, die zur Zeit der jüngsten Inschriften in Ostmesopotamien herrschte, also so, wie sie ein Besucher in der Spätzeit dieser Stätten, als alle Inschriften vorlagen, gelesen hat" (9); diese Aussprache entspricht weithin der mittelsyrischen. Innerhalb der Übersetzung werden Eigennamen ihrerseits in Kapitälchenschrift übersetzt und der mutmaßlichen Herkunftssprache zugeordnet - also für nbwdjn: "NABU--IST-RICHTERAKKAD.?" -, was die Lesbarkeit der deutschen Wiedergaben nicht eben steigert. Leider wird auf Kommentierung ganz verzichtet.

Der weitaus größte Teil der Inschriften stammt aus Hatra; sie sind zum Teil von B. Aggoula (Inscriptions et graffites aramüens d'Assur, Neapel 1985; Inventaire des inscriptions hatré-ennes, Paris 1991) und F. Vattioni (Le iscrizioni di Öatra, Neapel 1981; Hatra, Neapel 1994) erst kürzlich bearbeitet worden; vgl. die Verweise zu H(atra) 1001-1032 auf S. 106-112. Andere Inschriften stammen aus Assur, Dura-Europos, Gaddala, Takrit, Qabr Abu Naif, Sa'adiya und Tur 'Abdin. Die meisten Texte sind Bauinschriften, Inschriften auf Statuen und Reliefs von Göttern und Menschen sowie Aufschriften auf Kultgegenständen wie z. B. Altären. Gegenüber den von H. Donner/W. Röllig (Kanaanäische und aramäische Inschriften, Wiesbaden I 31971, II 31973, III 21969) bearbeiteten Texten hat sich deren Zahl im ostmesopotamischen Dialekt ganz wesentlich erhöht.

Auf den editorischen Teil folgen ein grammatischer Abriss mit ganz kurzer Syntax (121-140 bzw. 140), die in den beiden o. g. Werken fehlte, und eine Reihe von Registern (141-190), unter denen Listen von Gottesbezeichnungen und -namen, von Personennamen aus verschiedenen Sprachen sowie ein Glossar und eine deutsch-aramäische Wortliste erscheinen. Wer bereit ist, ein wenig zu suchen, findet hier Ersatz für einen philologischen Kommentar. Grammatische und lexikalische Isoglossen werden nicht benannt, so dass sich der Benutzer die sprachgeschichtlichen Implikationen, etwa auch zum Biblisch-Aramäischen, selbst erarbeiten muss. Lediglich in der Einleitung (7-9) werden einige Verbindungen mit dem Syrischen bezeichnet, dazu wenige religionsgeschichtliche Daten, etwa zu triadischen Pantheen und zu der an Götter gerichteten prekatorischen Formel dkjr qdm "gedacht werde vor (= von)" mit z. T. mehreren Gottesnamen. In Texten, die an Votivinschriften erinnern oder auf ein anderes Verdienst einer genannten Person zu sprechen kommen, erscheint die Formel oft am Ende, vielfach mit ltb oder btb "zum Guten" verbunden (vgl. Glossar 173 f.); funktionell ähnliche Segensformeln finden sich am Ende phönizisch-punischer Votivinschriften.

Von religionshistorischem Interesse ist das Register zu den Gottesbezeichnungen und -namen (144-153) und den Personennamen (153-167), wobei im Register der Gottesbezeichnungen und -namen auch theophore Elemente in Personennamen berücksichtigt werden, z. B. in arabisch brz'l "El erschien". Auffällig ist die große Zahl akkadischer (assyrischer) und arabischer Gottesnamen; kanaanäisch ist *b(j)t'l [bet'el] "Gotteshaus", aramaisiert als b(j)t'l.

Zu den Personennamen bemerkt der Vf. (8) mit Recht, dass sie nichts über die Abstammung der Namensträger aussagen: In derselben Familie kommen Namen verschiedener Herkunft vor; oft kann ein Name aramäisch oder arabisch gelesen werden. Die theophoren Namen mit br- "(Adoptiv-)Sohn des (Gottesname)" zeigen, welche familialen, persönlichen Götter von den Namengebern in Anspruch genommen wurden. Darunter sind wie auch sonst in der semitischen Namengebung große Götter wie B'elsmen "Himmelsherr" und Smes "Sonne"; vgl. wdj'l "Liebling Els", 'hj'sr "mein Bruder ist Assur" usw. - Gelegentlich finden sich unter den Personennamen formelhafte Wendungen, wie wir sie aus Psalmen des Einzelnen kennen, die ebenfalls der familialen, individuellen Frömmigkeit entstammen: 'srhnnj "Assur erbarmte sich meiner", 'srsm' "A. erhörte" (vgl. [Sm'nl], 166), Sms'drj "Sonne ist meine Hilfe" u.v. a.

Ein eingehendes Studium des wichtigen Werkes wird den Theologen noch manche andere interessante Parallele insbesondere zu alttestamentlich und althebraistisch relevanten Tatbeständen bringen.