Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2024

Spalte:

171-173

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Nordheim-Diehl, Miriam von

Titel/Untertitel:

Streit um Korach. Eine biblische Figur zwischen Numeri, den Psalmen und der Chronik.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023. 299 S. = Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament, 176. Geb. EUR 120,00. ISBN 9783525560877.

Rezensent:

Walter Bührer

Miriam von Nordheim-Diehl, Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, will in ihrer Frankfurter Habilitations-schrift von 2019 das »Korach-Problem« »zu lösen versuchen« (5). Dieses besteht in der Diskrepanz der negativen Qualifizierung Korachs und seiner Versammlung im Numeribuch einerseits und der positiven Qualifizierung der Korach-Söhne, der Korachiter, als Psalmensänger, wie sie im Psalter und den Chronikbüchern be-gegnen, andererseits.

In Kapitel 1 werden dazu zunächst die Korach-Erzählung in Num 16 f. (begrenzt auf Num 16,1–17,15) redaktionsgeschichtlich sowie weitere Texte zur Leviten-Thematik im Numeribuch in synchroner Hinsicht und kanonischer Reihenfolge untersucht. Für Num 16 f. vertritt die Vfn. ein Fragmentenmodell mit der Erzählung über Datans und Abirams Aufstand gegen Mose einerseits und der Erzählung über den Aufstand der 250 Männer andererseits (wobei vereinzelt eine Offenheit auch für ein Fortschreibungsmodell anklingt; vgl. 61). Diese Erzählungen seien von einem Redaktor (ohne eigene Textänderungen) kombiniert und erst danach von einem weiteren Bearbeiter um die Korach-Passagen ergänzt worden. Die Korachbearbeitung sei dabei mindestens zweistufig, da Num 16,22 (vgl. Num 26,11; 27,16) »das harte Gottesurteil« über »alle Korach-Anhänger« wieder zurücknehme (64). Inwiefern Num 16,22 zwischen Korachs Sympathisanten und Verwandten (vgl. Num 26,11) unterscheide (vgl. 99 f.), bleibt indes unklar. Alle drei (bzw. vier) Textschichten werden im Einklang mit der neueren (europäischen) Numeri-Forschung als nachpriesterschriftlich eingestuft (die Erzählung über den Aufstand der 250 Männer im Übrigen als jünger denn Lev 10,1–3).

Kapitel 2 bietet »eine primär rezeptionsästhetische Endtextexegese« (112) der Korachpsalmen 42–48; 49; 84 f.; 87 f., ergänzt um eine Analyse von Ps 106,16–18, wo Num 16 f. durch die bewusste Auslassung Korachs pro-Korachitisch gedeutet werde. Die Vfn. betont in der Analyse das Zusammenspiel zwischen den Psalmüberschriften mit der Nennung der »Söhne Korachs« und dem Inhalt sowie der Gattungen der Psalmen in Entsprechung zur Deutung der Davids-psalmen. Dieses Zusammenspiel führt sie zur These von drei Phasen der Korachpsalmsammlungen: 1. »Die Korachpsalmen 42–48 bilden eine Sammlung von Psalmen unterschiedlicher Gattungen und Theologien, die vermutlich von den Korachitern selbst gesammelt und herausgegeben wurde. Inhalt und Zusammenstellung verraten uns über die in der Überschrift genannten Herausgeber, dass sie relativ weltoffen sind.« (164) 2. »Die Korachpsalmen 84 f. und 87 f. malen dem Leser ein Bild von Korachitern einer späteren Zeit« (164): Diese zwei Psalmenpaare seien im Gegensatz zur älteren Sammlung Ps 42–48 von den Korachitern bereits mit Kenntnis der sie diffamierenden Erzählung Num 16 f. und als Reaktion darauf herausgegeben worden. Die Korachiter erschienen in diesen Psalmen »nicht mehr weltoffen«, sie leiden »unter enormem sozialen Druck«, ihr »Weg zum Heiligtum« sei nun versperrt (164). 3. Schließlich weise (lediglich) Ps 49, ein »Nachtrag zur ersten Sammlung« (162), eine Korach-feindliche Haltung auf, weil die sekundäre Zuschreibung des Psalmes an die Korachiter Korach als den im Psalm beschriebenen Reichen deute; entsprechend müsse hier einmalig bei den Korachpsalmen das Lamed inscriptionis mit »hinsichtlich der Söhne Korachs zu lesen« zu übersetzen sein (147).

Kapitel 3 will ausgehend von der Analyse der Belege zu Korach und den Korachitern in den Chronikbüchern eine »neue Idee in die Forschungsdiskussion« (225) einbringen: »Die Chronik will bei ihrer Gestaltung von Personen als eine Alternative zu den Darstellungen von Gen-IIKön wahrgenommen werden.« (230) Mit Blick auf Korach bedeute dies: Im Levi-Stammbaum 1Chr 6,1–15 werde im Unterschied zu allen anderen expliziten oder impliziten genealogischen Angaben zu Korach im Alten Testament bewusst Amminadab und nicht Jizhar als Korachs Vater genannt, um klarzustellen, »dass das berühmte Geschlecht der Korachiter, das durch die Psalmenüberschriften und durch die anderen Chronik-Stellen bezeugt ist, nichts mit dem rebellierenden Korach aus Num 16 zu tun hat.« (183). Korach wird durch diese neue Filiation zum Schwager Aarons. Dies eröffne die Möglichkeit, um schließlich aus den levitischen Korachitern auch Torhüter, Sänger und Helden Davids zu machen.

Die »Gesamtschau« (Kapitel 4) bietet eine relative Chronologie der divergenten Korach-Bilder und -Texte: 1. »In nachexilischer Zeit existierte ein berühmtes Sängergeschlecht, die Söhne Korachs.« (242) Sie sammelten und edierten die Psalmen 42–48. 2. »Dann jedoch erfolgte ein Bruch: Korach wurde in die Aufstandserzählungen gegen Mose und Aaron in Num 16f hineingeschrieben, und dadurch wurde der Stammvater der Söhne Korachs zum Frevler gegen Mose schlechthin charakterisiert.« (242) Als die zwei Gründe für die Diffamierung der Korachiter durch ihren Stammvater benennt die Vfn. erstens die offensichtliche, auf der Textoberfläche verhandelte »Diskussion um die Position des Priester- und Levitentums« (249). Weil Korach aber »nicht einfach irgendein Levit ist« (249), führt sie eine zweite, symbolische Bedeutungsebene ein: Der Stammvater der Korachitischen Tempelsänger stehe symbolisch für den Tempel, der einen Aufstand gegen den die Tora symbolisierenden Mose führe; Num 16 f. ordne damit in dieser symbolischen Bedeutungsebene den Tempel der Tora unter (vgl. 249–253). Diese symbolische Bedeutungsebene wird sich freilich die Frage gefallen lassen müssen, weshalb Korach dann gerade durch einen Opfertest, bei dem sich Aaron als der herausstellt, der alleine erwählt ist, sich YHWH kultisch nahen zu dürfen, überführt wird. Der Bruch in der Wahrnehmung der Korachiter erfolge im 4. Jh. und »rief drei Reaktionen auf den Plan« (242): 3. Die »Söhne Korachs einer folgenden Generation« (242) sammelten und edierten mit den Psalmen 84 f. und 87 f. Texte, die Mitleid mit den durch Num 16 f. diffamierten Korachitern wecken sollen. 4. »[E]twa zeitgleich« sei »die Korachtradition [hier nun im Singular] in der Chronik« (243), die die Korachiter als »wichtiges und angesehenes Tempelpersonal« (254) darstelle und Korach in 1Chr 6,7 einen anderen Vater gebe, um ihn vom Rebellen Korach aus Num 16,1 zu unterscheiden. Daneben zeige aber 5. die ins 2. Jh. datierte »Hinzufügung von Ps 49 an die Korachpsalmensammlung Pss 42–48« die weitergehende »Präsenz der negativen Korach-Wirkungsgeschichte« (245).

Ein »wirkungsgeschichtlicher Ausblick« (Kapitel 5) zu Korach in der Literatur der hellenistisch-römischen Zeit, ein Anhang zur Tendenz von Num 16 f. in der Septuaginta, das Literaturverzeichnis und ein Begriffsregister runden die Studie ab, die den wichtigen Versuch unternimmt, unterschiedliche Textbereiche miteinander ins Gespräch zu bringen.