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Ausgabe:

Januar/2024

Spalte:

115-116

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Besl, Marco, u. Simone Oelke [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Politische Macht und orthodoxer Glaube. Beziehungen zwischen Politik und Religion in Osteuropa.

Verlag:

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2023. 152 S. Kart. EUR 22,00. ISBN 9783791733968.

Rezensent:

Sebastian Rimestad

Dieses kleine Büchlein geht auf eine wissenschaftliche Tagung vom Juli 2022 zurück und umfasst sieben auf den ersten Blick recht bunt zusammengewürfelte Beiträge. Das gilt sowohl für die Thematik, die einen weiten Bogen vom Antiken Christentum bis hin zur russischen Gegenwart spannt, als auch für die Autoren, die sehr unterschiedlichen Disziplinen und Karrierestufen entstammen. Auch der wissenschaftliche Anspruch divergiert stark von Beitrag zu Beitrag. So kommt das Kapitel von Matthias E. Cichon zur Entstehung der autokephalen polnischen orthodoxen Kirche (69–87) gänzlich ohne Endnoten aus, während Franziska Schedewies Kapitel direkt im Anschluss (91–114) einen sehr umfangreichen wissenschaftlichen Apparat beinhaltet und die übrigen Kapitel sich irgendwo dazwischen verorten.

Der Band ist in vier thematische Teile eingeteilt, die auch chronologisch zusammenpassen. Jeder Teil wird mit einem kurzen Text eingeleitet, was dem Band eine Art roten Faden verleiht, der aber ansonsten ein wenig fehlt. In vielen Kapiteln wird zum Beispiel auf das Konzept der Symphonie/Sinfonia hingewiesen, jedoch wird nirgends darauf verwiesen, dass das erste Kapitel von Hartmut Leppin (17–30) sich explizit und kritisch auf die Genese dieses Konzeptes im Römischen Reich konzentriert. Auch sonst gibt es, trotz vieler Überschneidungen, keinerlei Kreuzverweise über die Kapitelgrenzen hinaus. Auch die Literaturhinweise sind in vielen Kapiteln dürftig bis unvollständig. Vor allem neuere relevante Literatur wird oft nicht einbezogen.

Allen diesen Kritikpunkten zum Trotz ist der Band ein empfehlenswertes Buch. Es bietet eine breite Palette an Texten in deutscher Sprache, die jeweils hervorragend in ihre Thematik einleiten. Dabei werden Aspekte von der Antike bis heute kurz und prägnant dargestellt, so dass die Texte sich gut für Studierende aus verschiedenen Disziplinen als Ausgangspunkt und Diskussionsvorlage eignen. Hier wären zum Beispiel das Kapitel Regina Elsners zur Kirchenlandschaft in der Ukraine (53–68) oder das von Colin Bergen zum Menschenrechtsdiskurs in der Russischen Orthodoxen Kirche (115–129) hervorzuheben, die ohne weit auszuschweifen und in einer klaren Sprache ihre jeweiligen Themen darstellen.

Auch das Kapitel »Wie die Slawen Christen wurden« von Albrecht Berger (31–49) bietet auf anschauliche Weise einen Überblick über das Verhältnis der Slawen zum Christentum seit der ausgehenden Antike. Dabei fehlt es weder an Hinweisen auf die komplizierten wechselnden geopolitischen Gemengelagen noch auf die wiederholten historiografischen Vereinnahmungsversuche bis in die Gegenwart. Auch hier ergibt sich eine Überschneidung mit dem darauf folgenden Kapitel von Regina Elsner, worauf aber nicht Bezug genommen wird.

Im Ganzen gesehen wirkt der zu besprechende Band also ein wenig bunt zusammengewürfelt, wobei die einzelnen Beiträge durchaus als einführende Texte nützlich sein können. Dabei fällt der Beitrag von Franziska Schedewie etwas aus dem Rahmen, da er sich ganz konkret mit dem Beitrag der in Berlin herausgegebenen Zeitschrift Stimme der Orthodoxie für die Annäherung zwischen Ost und West in den Jahren 1986–1991 befasst. Anders als die anderen, eher überblicksartigen und deskriptiven Beiträge zeigt Schedewie eindrücklich, wie komplex und widersprüchlich die Orthodoxie mit Veränderungen in der Politik umgegangen ist. Während die anderen Beiträge fast einhellig (mit Ausnahme des Symphonia-Beitrages von Hartmut Leppin) die Opposition zwischen östlichem und westlichem Christentum ins Zentrum stellen, zeigt Schedewie die Ambivalenz einer solchen Sicht.

Dass alle Autoren einen direkten Bezug zwischen ihrem jeweils behandelten Thema und dem gegenwärtig noch tobenden russischen Angriffskrieg in der Ukraine herzustellen wissen, ist ein Zeichen dafür, dass sie trotz allem einen gemeinsamen Nenner haben. Das Buch passt auf jeden Fall zu einer sehr aktuellen Thematik. Die Herausgeber haben aus den ihnen zur Verfügung stehenden Beiträgen einen zwar eklektischen, aber dennoch gelungenen Band zusammengestellt.