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Ausgabe:

Januar/2024

Spalte:

48-50

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hutzli, Jürg

Titel/Untertitel:

The Origins of P. Literary Profiles and Strata of the Priestly Texts in Genesis 1–Exodus 40.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2023. I, 447 S. = Forschungen zum Alten Testament, 164. Lw. EUR 154,00. ISBN 9783161615450.

Rezensent:

Eckart Otto

Der Studie von Jürg Hutzli zur Priesterschrift in den Büchern Genesis und Exodus liegt eine 2019 an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich eingereichte und angenommene Habilitationsschrift zugrunde. Sie behandelt die innere literarische Stratigraphie der Priesterschrift in diesen beiden Büchern des Pentateuchs, das literarische Profil der je einzelnen priesterschriftlichen Texte und ihren jeweiligen historischen Ort in Relation zu nicht-priesterschriftlichen Kontexten, während priesterschriftlich anmutende Texte des Pentateuchs – jenseits von Ex 40 insbesondere im Buch Numeri – weitgehend außerhalb des Blickfeldes bleiben, sodass die komplexe Frage nach dem Umfang der Priesterschrift »only briefly and provisionally« adressiert wird.

Der Vf. konzentriert sich auf die vielfältigen literarischen Spannungen und Unausgeglichenheiten verschiedener Textabschnitte zwischen Gen 1 und Ex 40, denen in der bisherigen Forschung, die zwischen Quellen- und Redaktionsmodellen schwankt, zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden sei. Diese Modelle einschließlich ihrer Kombinationen seien bislang literarkritisch zu unkomplex entworfen worden, um den differenzierten priesterlichen Einzeltexten Genüge zu tun. Schien für lange Zeit eine innerpriesterschriftliche Literarkritik ausgedient zu haben, so holt sie der Vf. in den Forschungsdiskurs zurück, wie schon die Analyse des Schöpfungsberichts in Gen 1,1–2,4* paradigmatisch zeigt. Hatte 1975 O. H. Steck (FRLANT 115) der überlieferungsgeschichtlichen und literarkritischen Differenzierung zwischen einem Tat- und Wortbericht durch eine ihre Möglichkeiten extrem beanspruchende Redaktionsgeschichte zugunsten der These literarischer Einheit des Textes eine Absage erteilen wollen, so holt der Vf. die literarkritische Ausgrenzung beider Berichte wieder in die Diskussion zurück, doch stellt er die traditionelle These, dass der Tatbericht als vorpriesterschriftlich von P durch den Wortbericht ergänzt worden sei, auf den Kopf. Der Tatbericht sei strikter monotheistisch geprägt als der Wortbericht und also jünger. Doch wird man zu bedenken haben, dass auch dann, wenn mit der Wortschöpfung ägyptische Motivik rezipiert wurde (K. Koch), mit der Schöpfung durch das Wort die Weltüberlegenheit und Transzendenz Gottes über den Tatbericht hinausgehend herausgearbeitet wird, was da­für sprechen kann, dass der Tatbericht Ursprung des Schöpfungsberichts in Gen 1 ist. Zustimmen wird man der These des Vf., dass die Erzählung in Gen 2,4*–3,24 den priesterschriftlichen Schöpfungsbericht voraussetzt und P korrigiert, was auch für andere nicht-P-Texte der Urgeschichte gilt, wobei die Unterscheidung von Redaktionen J und Js zu diskutieren bleibt (cf. ZAR 28, 2022, 242f). In den Erzvätererzählungen Gen 11,27–50,13 liege in den Abraham-Erzählungen in Gen 11,27–25,9 ein literarisch eigenständiger Erzählfaden eines Proto-P-Erzählzyklus vor, während der Befund für die übrigen Erzväter anders sei, da hier die Priesterschrift die Gestalt der Redaktion einer priesterschriftlichen Komposition (Pc) habe, die einen nicht-priesterschriftlichen-Erzählfaden voraussetze. Während für proto-P in Gen 17 der Bund im Gegensatz zur deuteronomistischen Theologie ohne Kondition geschlossen werde, ergänze die Redaktion Pc die Konditionierung des Bundes. Diese These hat das Potential, eine jüngst kontrovers geführte Diskussion, ob der Bund in Gen 17 mit oder ohne Konditionen geschlossen wurde (cf. J. Krause, FAT 140, 2020), zu beenden. Wie in der Urgeschichte rechnet der Vf. auch in Gen 11*–25 mit einem breiten Stratum der post-priesterschriftlichen Ergänzungen, so in Gen 12;13;15–16; 18–19, die als nachexilisch proto-P voraussetzten und hellenischen Einfluss zeigen.

Wie in Gen 25*–50 seien die priesterschriftlichen Texte auch in Ex 1–40 der Redaktionsschicht Pc zuzuweisen, was erkläre, warum Mose in P nicht eingeführt werde. Man wird dem Vf. nachdrücklich zustimmen, wenn er es für eine bestechende These hält, dass Ex 3 als post-priesterliche Ergänzung die Priesterschrift in Ex 6 voraussetze. Umso deutlicher hätte sich die Frage nach dem weiteren Post-P-Kontext von Ex 3,1–4,8 im Exodusbuch gestellt, die offen bleibt. In der Analyse der priesterlichen Sinaiperikope sieht der Vf. den Kern von Pc in Ex 25–29, während der Ausführungsbericht in Ex 35–40 literarischer Nachtrag (Ps) sei, sodass die These einer Inclusio für P zwischen dem priesterlichen Schöpfungsbe-richt in Gen 1,1–2,4a und Ex 39–40 brüchig ist, zumal sich die Mehrzahl der Wiederaufnahmen in Ex 39–40 auf den redaktionell sekundären Abschnitt Gen 2,2–3 beschränken. In Ex 40 will der Vf. den Abschluss der Priesterschrift auf eine Erfüllungsnotiz von wenigen Versen beschränkt sehen, wobei der Vf. einer genaueren literarischen Ausgrenzung ausweicht (cf. S. 297 Anm. 149 mit Verweis auf S. 295 Anm. 140), was angesichts der Bedeutung, die die Frage nach dem Abschluss von Pc für die Gesamtkonzeption der Priesterschrift hat, kein überzeugendes Verfahren ist, sodass in der Konsequenz die Argumentation des Vf. zum Abschluss der priesterschriftlichen Sinaiperikope zirkular bleibt und die Zuweisung von Lev 1–3 in der Luft hängt. Die Einbeziehung von Lade und Cherubim in die priesterschriftliche Heiligtumsgründung am Sinai zeigen zwar die Ausrichtung auf Jerusalem, doch sprechen sie dafür, dass das priesterliche Zeltheiligtum am Sinai nicht schlicht auf den Zweiten Tempel in Jerusalem ausgerichtet zu sehen ist, sondern die Sicherung der Kontinuität mit dem Ersten Tempel im Vordergrund des Interesses steht. Nach Meinung des Vf. sei abweichend von Esr 6 mit einer längeren Bauzeit des Zweiten Tempels in Jerusalem zu rechnen, in der die priesterliche Sinaiperikope von Pc zu verorten sei, was, will man P nicht vor den Baubeginn des Zweiten Tempels datieren, durchaus einige Plausibilität hat. In Ex 32–34 sieht der Vf. ein post-priesterschriftliches Widerlager zur priesterschriftlichen Sinaiperikope. Dem ist zuzustimmen, doch wirkt es sich insgesamt für die Verortung der priesterschriftlichen Konzeption der Sinaiperikope nachteilig aus, dass der Vf. auf eine genauere exegetische Analyse von Ex 19–24 verzichtet hat, stellt sich doch die Frage nach dem literarischen Ausgangspunkt der Sinaiperikope, wenn hier mit P als Redaktion in Relation zu vor-priesterschriftlichen Sinaiüberlieferungen gerechnet wird, ohne dass diese exegetisch genauer umrissen werden.

Die literarische Binnendifferenzierung zwischen proto-priesterschriftlichen Texten in der Urgeschichte und der Abrahamüberlieferung einerseits und den Redaktionen priesterlicher Komposition (Pc) in den Erzvätererzählungen in Gen 25*–50 und in Ex 1–40 andererseits, die nicht-priesterschriftliche Texte voraussetzen und auf diese hin formuliert sind, ist ein zu beachtender Fortschritt im Verständnis der Literaturgeschichte der Priesterschrift, von dem zu erwarten ist, dass er Beachtung finden wird, da er über die bisherigen Alternativen der Interpretation der Priesterschrift als Quelle oder als Redaktion oder als Kombination von Quelle und Redaktion, die aber literarkritisch nicht gesondert werden, hin-ausführt. Man wird nicht allen exegetischen Entscheidungen des Vf.s zustimmen wollen, was angesichts der literaturhistorischen Komplexität der Pentateuchforschung von einer Habilitationsschrift auch nicht zu erwarten ist. Dennoch hat der Vf. mehr als nur eine Habilitationsschrift zur Priesterschrift vorgelegt – nämlich einen der interessantesten und fundiertesten Kommentare zu den priesterschriftlichen Texten in den Büchern Genesis und Exodus, der auch textkritische Fragen umsichtig klärt und religionshistorische Perspektiven weiterführend diskutiert.