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Ausgabe:

Mai/2023

Spalte:

525-527

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Batlogg, Andreas R.

Titel/Untertitel:

Aus dem Konzil geboren. Wie das II. Vatikanische Konzil der Kirche den Weg in die Zukunft weisen kann.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia-Verlag 2022. 224 S. Geb. EUR 22,00. ISBN 9783702240639.

Rezensent:

Oliver Schuegraf

Mit Andreas Batlogg legt ein ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift Stimmen der Zeit (2009–2017) und österreichischer Jesuit ein Buch über das II. Vatikanische Konzil vor, das das Anliegen verfolgt, zurück- und nach vorne zu schauen und zu fragen, »wie wir mit dem Erbe des Konzils umgehen (können)« (12). Biographischer Anknüpfungspunkt für den Titel »Aus dem Konzil geboren« ist dabei, dass sich B. als »ein Kind des Konzils« (15) versteht, da er eine Woche vor Konzilsbeginn im Oktober 1962 zur Welt kam und somit das Konzil und dessen Errungenschaften ein stetiger Begleiter und Teil seiner kirchlichen und theologischen Biographie waren und sind.

Diese zeitliche Einordnung macht zugleich deutlich, was das Buch nicht ist: Auch wenn das Büchlein immer wieder biographische und sehr persönliche Passagen bietet, ist es nicht der Rückblick eines Zeitzeugen, der die vier Sitzungsperioden des Konzils unmittelbar miterlebt hat. Doch Konzilstheologen und weitere Zeitgenossen kommen ausführlich zu Wort. Charakteristisch für das Buch ist, dass B. immer wieder deren Positionen sehr ausführlich referiert, so z. B. Karls Rahners Festvortrag »Das Konzil – ein neuer Beginn« von Dezember 1965 (49ff.), Joseph Ratzingers Interview »Zur Lage des Glaubens«, das 20 Jahre nach Ende des Konzils publiziert wurde (30 ff. inklusive Reaktionen auf das Interview) oder Konzilsreflexionen von Hans Küng. Darüber hinaus werden die einschlägigen und relevanten Monographien und Rückblicke auf die Zeit des Konzils von Zeitzeugen (z. B. Weihbischof Helmut Krätzl, Otto Hermann Pesch oder Guiseppe Alberigo) bzw. von gegenwärtigen Theologen (z. B. Christoph Böttigheimer/René Dausner oder Günther Wassilowsky) zur Darstellung herangezogen.

Die ersten sechs Kapitel des Buches stellen Vorgeschichte und Verlauf des Konzils vor. Dabei liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf den Vorbereitungen und der 1. Session. Auf die letzte Konzilssitzung wird hingegen nur noch knapp eingegangen. Auch wenn diese Kapitel, die fast 2/3 des Buches umfassen, grob chronologisch vorgehen und an manchen Ereignissen ausführlich verweilen, ist die Darstellung an anderen Stellen anekdotisch und etwas sprunghaft sowohl in Hinblick auf die Zeitfolge also auch die behandelten Personen.

Die letzten vier Kapitel tragen dann die Überschriften: »Der vielbemühte ›Geist des Konzils‹«, »Papst Franziskus: ein Kind des Konzils – und seine Wächter«, »Synodalität als Erbe des Konzils« und »Aus dem Konzil geboren – und jetzt?«. Hier wird nun der angekündigten Frage nach dem heutigen Erbe des Konzils stärker nachgegangen. Auch wenn deutlich wird, dass das Herz des Autors für das Konzil schlägt (z. B. 42.105.129) und er Kritikern des Konzils deutlich widerspricht (37 f.: Martin Mosbach, 128 f.: Marcel Lefebvre), stellt B. insgesamt eher relevante Fragen, Themen und Diskussionsverläufe vor, als dass er selbst neue Positionen oder Ansätze entwickelt. Ausführlich kommt Papst Franziskus zu Wort, den B. wie sich selbst als ein Kind des Konzils, aber auch als dessen obersten Wächter (147) versteht. B. zeichnet nach, wie sich der Papst immer wieder auf das Konzil beruft und dessen Unumkehrbarkeit und noch nicht ausgeschöpften Potentiale für die römisch-katholische Kirche einschärft. Mit Papst Franziskus sieht B. in den Stichworten »Barmherzigkeit« und »Kirche der Armen« Schlüsselthemen, die angestoßen durch das Konzil die römisch-katholische Kirche bis heute bewegen. Auch in der für den Papst so wichtigen Frage nach der Synodalität der Kirche zeigt sich für B. dessen tiefe Verbundenheit mit dem II. Vatikanum. Schließlich wird deutlich, dass für B. eine Haltung des Miteinanders, des Dialogs und der Kommunikation eine Frucht des Konzils ist, die gerade auch für heute relevant ist: sei es das damals eingeübte Miteinander von Bischöfen und Theologen oder die Dialogfähigkeit mit der modernen Welt, deren Partnerin die katholische Kirche während des Konzils geworden war. Zum Schluss des Buches werden kurz noch zwei Defizite des Konzils benannt, nämlich, dass der Papst in den Konzilstexten weiterhin als absoluter Monarch gesehen wird und dass nicht verbindlich festgelegt wurde, welche Rechte und Aufgaben Laien in der Kirche haben können. Der letzte Satz des Buches zieht jedoch ein uneingeschränkt positives Fazit: »Sechzig Jahre Zweites Vatikanum: Es lohnt sich, sich neu darauf zu besinnen und das Potential dieses Konzils auszuschöpfen!« (193)

Insgesamt lässt sich festhalten: Es überrascht etwas, dass ein Buch, das laut Untertitel untersuchen will, wie das II. Vaticanum in die Zukunft weisen kann, sich auf fast zwei Drittel des Umfangs mit Vorgeschichte und Durchführung des Konzils beschäftigt, auch wenn in diesen Kapiteln bereits aktuellere Diskussionen, wie die Weihnachtsansprache Benedikts XVI. an das Kardinalskollegium von 2015 (Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches oder Hermeneutik der Reform) aufgegriffen werden. Auch wird man festhalten müssen, dass es für Kenner und Kennerinnen der Materie wahrscheinlich nicht so viel Neues zu entdecken gibt, das nicht bereits aus den einschlägigen Veröffentlichungen bekannt ist. Doch insgesamt hat B. eine sehr gut und auch für Nicht-Vorgebildete leicht lesbare Einführung in die Geschichte und die bleibende Bedeutung des Konzils vorgelegt, so dass deutlich wird, warum es sich in der Tat für die römisch-katholische Kirche lohnt, weiterhin das Potential des Konzils auszuschöpfen.