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Ausgabe:

Mai/2023

Spalte:

456-458

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Alkier, Stefan, u. Thomas Paulsen [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Apocalypse Now? Studien zur Interextualität und Intermedialität der Johannes-apokalypse von Dante bis Darksiders. Hgg. unter Mitarbeit v. S. Dittmann.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2022. 276 S. = Kleine Schriften des Fachbereichs Evangelische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 13. Kart. EUR 38,00. ISBN 9783374072392.

Rezensent:

Thomas Witulski

Bei diesem Buch handelt es sich um den dritten von drei Sammelbänden, die, erwachsen aus einem entsprechenden Seminar, ihr Augenmerk auf Aspekte der Intertextualität und – aktuell – auch der Intermedialität der neutestamentlichen Johannesoffenbarung legen. Den Herausgebern zufolge ließen die in den einzelnen Sammelbänden veröffentlichten Studien erkennen, »dass erst die Rezeption und nicht zuletzt die einseitige theologische Interpretation Luthers und seiner Nachfolger die Johannesapokalypse zu einem höllischen Katastrophenbuch hat werden lassen« (15), wohingegen die Apk selbst ursprünglich »als Buch universaler Hoffnung in den neutestamentlichen Kanon aufgenommen« (5) worden sei.

Auf diese innerhalb eines zu Beginn des Sammelbandes gebotenen Geleitwortes formulierte Erkenntnis folgen insgesamt acht einzelne Studien. Helena Malsy konfrontiert in ihrem Beitrag die neutestamentliche Apokalyptik mit Dantes »Göttlicher Komödie«. Ihr zufolge würde die eigentliche Aussageabsicht der Apk verfehlt, ließe sich ihre Rezeption im Vorhinein durch das entsprechende mittelalterliche Bilderreservoir bestimmen, eine hermeneutische Falle, in die hineinzutappen verhindert werde, werde »das Phänomen mediengesteuerter Vorverständnisse« (41)– etwa durch die Analyse der Rezeption der Apk in Dantes »Göttlicher Komödie« und durch diejenige ihres literarischen »Erfolges« – unmittelbar ins Bewusstsein gebracht. Nadine Haas stellt die neutestamentliche Apk in eine Beziehung zu dem von Michelangelo geschaffenen Fresko »Jüngstes Gericht«. Dieses Fresko als ein Konglomerat von Diskursuniversen werde letzten Endes nicht aufgrund der in jenem gezeigten Inhalte, die sich in der neutestamentlichen Apk in dieser Weise jedoch nicht aufweisen ließen, sondern vielmehr aufgrund seiner diskursiven Universalität mit jener in Beziehung gesetzt. Stefan Alkier legt dar, dass das »Septembertestament«, der Urdruck von Martin Luthers Übersetzung des griechischen Neuen Testaments in die frühneuhochdeutsche Sprache, zu einem »radikalen ›Bruch‹ mit der mittelalterlichen Wertschätzung der Johannesapokalypse als ein[es] Buch[es] der Hoffnung« (91) geführt habe. Luca Ganz, dessen Studie den Titel »Post-Moderne Apokalypse« (93) trägt, arbeitet heraus, dass die von W. S. Burroughs und K. Haring veröffentlichte Arbeit »Apocalypse« letzten Endes den christlichen Fundamentalismus, kaum jedoch die neutestamentliche Apk selbst zu kritisieren beabsichtige. Die Lektüre Ersterer führe allerdings dazu, Letztere in Sonderheit aufgrund der Fremdheit der in ihr gezeichneten Bilder als ein »Buch des Schreckens« (111) wahrzunehmen. Wird die neutestamentliche Apk mit der Mythologie J. R. R. Tolkiens in Beziehung gesetzt, so zeigt sich Simon Dittmann zufolge, dass sich zwischen beiden »auf der Motiv-Ebene hinsichtlich der Zeichnung verschiedener Figuren und Ereignisse« (140) durchaus Gemeinsamkeiten aufweisen ließen, denen zugleich aber auch inhaltliche Differenzen gegenüberständen. Thomas Paulsen analysiert die Rezeption der neutestamentlichen Apk in dem von T. Pratchett und N. Gaiman verfassten Roman »Good Omens« und kommt zu dem Ergebnis, dass beiden Werken ein eschatologischer Optimismus inhärent sei (vgl. 168 f.). Dominic Blauth bespricht in seinem Beitrag mit dem Titel »Johannesapokalypse trifft Supernatural« (171) intermediale Effekte der neutestamentlichen Apk. Dabei zeige sich, dass auch die Serie »Supernatural« die neutestamentliche Apk – fälschlicherweise – in einem pessimistischen und negativen Sinne deute. Lennart Witek schließlich vergleicht die neutestamentliche Apk mit der Videospielreihe »Darksiders« und zeigt auf, dass sich im Blick auf den jeweiligen Plot keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen lassen. In einem Epilog fassen die Herausgeber die einzelnen Beiträge zusammen, indem sie ihre im Geleitwort formulierte These repristinieren und darauf hinweisen, dass der Begriff »Apokalypse« nicht als Hinweis auf ein in einer letzten Katastrophe kulminierendes Weltende aufgefasst werden dürfe. Vielmehr sei jener im Sinne von »Enthüllung« zu verstehen; eine Apokalypse entlarve die tatsächlichen Verhältnisse in der jeweiligen Gegenwart und zeige – gerade auch in politischem Sinne – »was [in der jeweiligen, damit auch in unserer aktuellen Gegenwart] der Fall ist« (275).

Dieses Buch hinterlässt beim Rezensenten jenseits aller jenem zugrundeliegenden und unreflektiert bleibenden hermeneutischen Grundsatzprobleme einen zwiespältigen Eindruck. Der These, dass der Begriff »Apokalypse« im Sinne von Enthüllung bzw. Offenbarung von verborgenem Wissen und verborgener Wahrheit zu verstehen sei und sich in seinem Ursprung nicht auf eine im Weltende gipfelnde Aneinanderreihung von katastrophalen Ereignissen beziehe, ist ausdrücklich zuzustimmen. Inwieweit die einzelnen Beiträge für sich allerdings jeweils geeignet sind, diese These zu erweisen und zu erklären, wie es dazu kommen konnte, dass der Begriff »Apokalypse« seine ursprünglich eher formale zugunsten einer – in diesem Falle negativen – materialen semantischen Konnotation eingebüßt habe, muss doch mehr als fraglich bleiben. Einige der Studien bieten im Blick auf diese Problematik durchaus hilfreiche Hinweise, andere wiederum scheinen schon von ihrer Anlage her mit dieser den Sammelband beherrschenden Fragestellung inhaltlich gar nichts zu tun zu haben. Letztere vermitteln vielmehr den Eindruck, als seien hier Texte bzw. Medien ausschließlich in rezeptionsästhetischer Perspektive miteinander verglichen und in eine inhaltliche Beziehung zueinander gesetzt worden, ohne dass dafür – jenseits der neutestamentlichen Apk – auf der produktionsästhetischen Ebene überhaupt ein Anlass namhaft gemacht werden könnte. Darüber hinaus scheint der Begriff »Apokalypse« bei den Herausgebern selbst einer gewissen Unschärfe zu unterliegen. Wird nämlich dieser Terminus zunächst auf die neutestamentliche Johannesapokalypse »als Buch universaler Hoffnung« (5) bezogen, somit also materialiter definiert, so wird jenem im Epilog die – semantisch sicherlich zutreffende – Bedeutung »Enthüllung« beigelegt und jener jenseits seiner gattungstheoretischen Implikationen ausschließlich formaliter akzentuiert. Diese begriffliche Unschärfe führt ihrerseits dann dazu, dass auch der Impetus dieses Sammelbandes selbst an argumentationslogischer Zuspitzung einbüßt.

Trotz dieser Einschränkungen sei allerdings im Grundsatz positiv festgehalten, dass dieser Sammelband sich zu lesen lohnt, kann er doch in jedem Falle dazu verhelfen, die hermeneutischen Grundlagen der eigenen Rezeption der Apk in fruchtbarer Weise kritisch zu reflektieren.