Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2023

Spalte:

398-402

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schlag, Thomas, u. Bernd Schröder [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Praktische Theologie und Religionspädagogik. Systematische, empirische und thematische Verhältnisbestimmungen.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2020. 496 S. = Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, 60. Kart. EUR 88,00. ISBN 9783374066483.

Rezensent:

Antje Roggenkamp

Der Sammelband verdankt sich einer gemeinsamen Tagung der Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik (GwR) und der Fachgruppe Praktische Theologie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie aus dem Jahr 2016 sowie einer Anschlusstagung aus dem Jahr 2019. Der Fokus der Unternehmung richtete sich ursprünglich auf die Analyse der Natur des Verhältnisses von Praktischer Theologie und Religionspädagogik. Die den einzelnen Autorinnen und Autoren vorgegebenen Fragehinsichten avisieren den materialen Rahmen, die Wissenschaftstheorie und -geschichte, die Methodologie, die institutionellen Organisationsformen sowie eine Bestimmung des Verhältnisses von Religion und Konfession. In vier grundlegenderen Kapiteln werden exemplarische Perspektiven präsentiert, die Potenziale jenseits von Versäulungs- und Abgrenzungstendenzen zwischen Praktischer Theologie und Religionspädagogik aufzeigen (9−30, 14).

Einschlägige Überlegungen zuWissenschaftssystematische[n] Grundlegungen (Kapitel I) unternimmt u. a.Wilhelm Gräb, der die Beziehung von Praktischer Theologie und Religionspädagogik als Geschichte sich verändernder Abhängigkeiten skizziert. Die Systeme Kirche und Schule differenzieren sich seit dem 19. Jh. zunehmend aus. Existentielle Orientierungen gehen aus religiösen Praxen hervor, die auf spezifische Weise kontextuell und professionsbezogen situiert sind. Religionspädagogik engagiert sich aktuell stärker als die Praktische Theologie in Diskussionen über den gesellschaftlichen Stellenwert von Religion (33−55, 51 f.). David Käbisch dekonstruiert pars-pro-toto-Darstellungen, religionspädagogische Ansätze, die aus einer einzigen Fragestellung die gesamte Disziplingeschichte ableiten. Nicht die Suche nach einem adäquaten Religionsbegriff, sondern die Signatur der Pluralität, die Mehrperspektivität sowie die Ausdifferenzierung von Gesellschaft prägen das Verhältnis von Praktischer Theologie und Religionspädagogik als besonderes gesellschaftliches Teilsystem (57−94, 93 f.).Rudolf Stichweh verortet die Entstehung von Disziplinarität in den großen Wissenschaftsrevolutionen der Sattelzeit (1750−1850) und bestimmt deren Umbrüche kontextuell als Inklusions-, als philosophische sowie als Forschungsrevolution. Seine kriteriologischen Überlegungen zur Grenzbestimmung von Fachlichkeit (u. a. Problemorientierung, Projektorientierung und Forschungsorganisation) bilden einen Rahmen, innerhalb dessen sich das Verhältnis von Religionspädagogik und Praktischer Theologie – zunehmend jenseits von Inter- und Transdisziplinarität – als »Public understanding of Science« einzeichnen kann (95−102, 101 f.). Henrik Simojoki fragt nach dem Umgang mit konkreter Religionspraxis in der Gesellschaft der Pluralität. Wissenschaftliche Fragestellungen ergeben sich aus gesellschaftlichen Entwicklungen in einem veränderten globalen Kontext. Während sich praktisch-theologische (Sub-)Disziplinen – die Diakonie, die Krankenhaus- oder Gefängnisseelsorge, aber auch die Religionspädagogik– innerhalb eines »primär staatlich definierten Funktionsbereichs« (116) auf Pluralität beziehen, orientieren sich Predigt, Gottesdienst, aber auch Seelsorge an parochialen Bezügen. Simojoki optiert für eine pluralitätsbezogene Orientierung an dem Konzept der Religionssensibilität und arbeitet eine faktische Beziehungslosigkeit von Religionspädagogik und Praktischer Theologie trotz bzw. bei deren grundlegender Zusammengehörigkeit heraus (103–118, 118). Martina Kumlehn eröffnet ein hermeneutisches »Dazwischen«, Diskursräume, in denen sich neue Wahrnehmungsperspektiven und Deutungsmöglichkeiten für Praktische Theologie und Religionspädagogik ergeben. Der Streit um die Wahrheit wird im je eigenen Diskursraum zeichenvermittelt geführt, aber – kriterienbezogen – kommunikativ und diskursiv ausgehandelt (133). Kumlehn wirbt dafür, die verschiedenen Diskursräume nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sie als »kritisches Potential wechselseitiger Anregung« anzuerkennen (119–140, 140).

Mit der Disziplinentwicklung in nationalen Wissenschaftskontexten (Kapitel II) befasst sich das zweite Hauptkapitel. In Deutschland sind die professoralen Karrierewege zwischen Praktischer Theologie und Religionspädagogik tendenziell undurchlässig. Bernd Schröder weist darauf hin, dass die »Religionspädagogik […], die mit Abstand am häufigsten explizit vertretene ›Subdisziplin‹ der Praktischen Theologie« (155) ist. Sie verbindet sich aber weder nominell-organisatorisch noch im konkreten Karrierefall mit einer anderen Subdisziplin der Praktischen Theologie. In übergreifenden Gesamtdarstellungen zur Praktischen Theologie kommen die integrale Rolle von Religionspädagogik oder ihre »Spezialisierungserfordernisse« (162) nicht zur Sprache. Enzyklopädische Reflexion, Verbundforschung und wissenschaftliche Selbstorganisation könnten dieser Entwicklung entgegensteuern (143−174, 174). Für Österreich fokussiert Martin Rothgangel die Evangelisch-Theologische Fakultät Wien, an der seit 1824 die Praktische Theologie vertreten ist. Die Etablierung des Faches Religionspädagogik erfolgte mit der Gründung des gleichnamigen Instituts in den 1980er Jahren; ihre Entwicklung wird durch die Zusammenarbeit mit den religionspädagogischen Lehrstühlen der benachbarten Fakultäten gefördert (175−193, 185). Thomas Schlag skizziert die Entwicklung religiöser Bildung in der Schweiz seit der Reformationszeit. Die verfassungsmäßige Zurückdrängung des Religionsunterrichts aus der staatlichen Schule seit Mitte des 19. Jh.s (197) führte zu einer Trennung von staatlicher und kirchlicher Bildungsverantwortung. Lehrstühle für Praktische Theologie werden erst im 20. Jh. eingerichtet und thematisieren seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s auch pädagogische bzw. entwicklungspsychologische Aspekte. Die Praktische Theologie übernimmt seither Aufgaben, die andernorts von der Religionspädagogik getragen werden: sie bringt religiöse Bildung gegenüber Universität, Kirche und Gesellschaft ins Gespräch (195−216, 213). In England wird der Religionsunterricht im kirchlichen Kontext bislang kaum empirisch erforscht. Leslie Francis beschreibt an einem (islamischen) Projekt, inwiefern die Auseinandersetzung mit (Religions-)Theologie die religiöse Kompetenz von Lehrkräften, aber auch die Ausdifferenzierung von religiöser Bildung vorantreibt (217−230, 229 f.). In den Niederlanden liegt ein entsprechender Akzent weniger auf der Praktischen Theologie als vielmehr auf der gesamten Disziplin Theologie: Bram de Muynck betont, dass religiöses Wissen für ein Leben in religiöser Vielfalt unerlässlich ist. Er entwickelt ein hybrides Modell, das er mit dem »interpretative approach« von R. Jackson sowie einer niederländischen Variante der Kindertheologie kombiniert (231−244, 239 ff.).

Kapitel III widmet sich vor dem Hintergrund professionstheoretischer Herausforderungen, Forschungsentwicklungen und Forschungsthemen. Eberhard Hauschildt analysiert die Zeitschrift Pastoraltheologie zwischen 1994 und 2018, ohne allerdings eindeutige Schwerpunkte benennen zu können. Das Jugendalter erhält zwar eine erhebliche Aufmerksamkeit, ist aber »mit den außerschulischen pädagogischen und sonstigen praktisch-theologischen Themen verknüpft« (259). Innerhalb des professionell orientierten Forschungsfeldes religiöser Gegenwartspraxis emergieren verschiedene Bereiche – die Praktische Theologie, die Religionspädagogik sowie die Diakoniewissenschaft. Forschungspraktisch betrachtet begegnen Praktische Theologie und Religionspädagogik gemeinsamen Herausforderungen, die mediale Diskurse, aber auch elementare Zugänge zu christlich-religiösen Phänomenen betreffen (247−263, 260 f.). Für Friedrich Schweitzer, der von einer prinzipiellen Balance historischer, systematischer und empirischer Orientierungen ausgeht, zeichnet sich ein zunehmendes Auseinandertreten der Disziplinen Praktischer Theologie und Religionspädagogik ab. Er führt dies u. a. auf eine forschungspragmatische Erweiterung des religionspädagogischen Diskurses zurück, dessen Anliegen zunehmend von der Pädagogischen Psychologie oder der Empirischen Bildungsforschung aufgegriffen werden (265−283, 279 f.). Für Uta Pohl-Patalong eröffnet insbesondere die Religionspädagogik auf die Gesellschaft bezogene Fragestellungen (u. a. die Subjektorientierung, die Auseinandersetzung mit der Lebenswelt in der säkular-pluralen Gesellschaft), von denen auch die Praktische Theologie profitiert. Importe von Forschungsfragen in die andere Richtung kommen demgegenüber selten zustande. Angesichts dieses Befundes sind gemeinsame (Zukunfts-)Aufgaben – wie etwa das »Entdeckungspotenzial biblischer Traditionen« oder das Weiterdenken einer die Relevanz von Leben und Glauben fördernden Wissenschaft – zu identifizieren (285−305, 305). Fragen des Verhältnisses der Disziplinen zueinander treten bei Christian Grethlein hinter einer Orientierung an den drei Modi des Feierns, Helfens und Lehrens, die Jesu Auftreten, Wirken und Geschick im Sinne der Kommunikation des Evangeliums auszeichnen, zurück (319). Die Schulseelsorge, das diakonische Lernen oder die liturgische Bildung rücken in den Vordergrund (307−319). Ilona Nord befasst sich mit normativen Rahmungen empirischer Forschung in der Praktischen Theologie. Sie betreffen insbesondere die Transformation von kirchlicher Religiosität in religiöse Kommunikation (330 f.). Insofern polare Setzungen (Deskriptivität und Normativität, Auftragsbindung und wissenschaftliche Freiheit, beobachtbare Praxis und verborgene Strukturen) auch die Religionspädagogik prägen, plädiert sie für gemeinsame Kooperationen (321−341). Michael Domsgen tritt für eine engagierte, kontextuelle Religionspädagogik ein. Er problematisiert die Überdehnung bzw. Überschätzung von Empirie (343−358, 356). Für Ulrike Wagner-Rau ist Praktische Theologie sowohl Berufs- als auch Praxistheorie. An den Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, der (Wieder-)Entdeckung von Schleiermachers Konzept des Darstellenden Handelns, der Gendertheorie, aber auch am Umgang mit Krisen (363) verdeutlicht sie, dass auch der Pfarrberuf auf eine sensible Wahrnehmung der Ausdifferenzierung von Religion in der Gesellschaft angewiesen ist. Insbesondere die Rolle der Pfarrperson als Lehrperson werde nicht hinreichend reflektiert (359−376, 376). Mirjam Zimmermann befasst sich mit der Innen- und der Außenperspektive der Aus- und Fortbildung von Religionslehrkräften. Insofern weder die spirituelle Kompetenz noch der Umgang mit Liedern und Gebeten in der Ausbildung von Lehrkräften eine Rolle spielen, sich Religionslehrpersonen weniger als Zeugen als vielmehr als Moderatoren verstehen und sie zunehmend einen Religionsunterricht im Klassenverband befürworten, scheint sich der konfessionelle Religionsunterricht (§ 7[3]) in der »Selbstauflösung« zu befinden (377−410, 409).

Kapitel IV befasst sich mit katholische[n] und islamische[n] Perspektiven. Für Claudia Gärtner liegen in religionspluralen Diskursen theologische Entdeckungszusammenhänge offen, so dass das Verhältnis beider Disziplinen – auch angesichts der vielfältigen Krisen – weniger aus konfessioneller Perspektive zu diskutieren als vielmehr in Bezug auf den Austausch mit weiteren Disziplinen – wie etwa der politischen Theologie – zu erweitern ist (413−432, 431 f.). Michael Schüssler macht darauf aufmerksam, dass die christlichen Konfessionen theologische Begriffe verschieden gebrauchen. Missverständnisse können daraus erwachsen, dass etwa die Pastoraltheologie im evangelischen Kontext als Praktische Theologie erscheint, aber auch die Theologie häufig als Religion in Erscheinung tritt. Die verschiedene Verwendung tritt erst im akademischen Vollzug als Un/Doing difference zutage. Schüssler plädiert für transdisziplinäre Bündnisse, hybride Komplizenschaft und einen konstruktiven Umgang mit Ambiguität (433−455, 454 f.). Im islamischen Kontext spielen – Abbas Poya zufolge – Praktische Theologie und Religionspädagogik insofern eine Rolle, als sich islamische Theologie in Deutschland entsprechend den eingeführten klassischen Disziplinen akkommodiert. Ob die in Folge institutioneller Anpassungserfordernisse vorgenommenen Veränderungen von der islamischen Theologie auch andernorts mitvollzogen werden, bleibt abzuwarten (457−471). Für Michael Meyer-Blanck erweisen sich Praktische Theologie und Religionspädagogik entgegen Schleiermacher weniger als positive Wissenschaften als vielmehr als um die Darstellung von Praxis ringende Disziplinen. Als Wissenschaften öffnen sie sich in einen pluralen, empirisch ausweisbaren und interreligiösen Raum (475−489).

Dass das Thema des Verhältnisses von Praktischer Theologie und Religionspädagogik insbesondere Religionspädagoginnen und Re­ligionspädagogen beschäftigt, wird durch die im Sammelband publizierenden Autorinnen und Autoren eindrucksvoll belegt. Lediglich vier von ihnen führen die Denomination Religionspädagogik nicht in ihrer Lehrstuhlbezeichnung.

Fast anderthalb Jahrhunderte nach ihrer ersten etymologischen Erwähnung (1889) ringt die Disziplin um ihre Stellung im Gesamt der Theologie. Die vielfältigen Erörterungen historischer Befunde sowie geschichtlicher Entwicklungen stehen nicht nur im grundlegenden ersten Kapitel im Hintergrund. Sie prägen auch das zweite Kapitel, das sich den nationalen Kontexten einer jeweiligen Reflexion über religiöse Erziehung und Bildung widmet: Die geschichtliche Hinführung orientiert über die spezifische Zuordnung von parochialen und staatlichen, kirchlichen und akademischen, aber auch gesellschaftlichen Spezifika. Deutlich wird, dass die sektorale Entwicklung der Disziplin Religionspädagogik von der Stellung abhängt, die dem Fach Religion religionsverfassungsrechtlich eingeräumt ist, insbesondere dort, wo sich Religion mit staatlichen Rahmenvorgaben auseinandersetzt.

Während in den westeuropäischen Ländern – insbesondere in der Schweiz – die Praktische Theologie gesellschaftliche Aufgaben religiöser Bildung übernimmt, treibt die (Religions-)Theologie in England und den Niederlanden die Ausrichtung eines religionspädagogischen (Meta-)Diskurses voran. Im mitteleuropäischen, deutschsprachigen Raum wird die Religionspädagogik lange Zeit als Juniorpartnerin der Praktischen Theologie begriffen. Einzelne Beiträge weisen darauf hin, dass Religionspädagogik über eine von der Praktischen Theologie und ihren Subdisziplinen kaum einholbare religionspädagogische Pluralitätskompetenz (u. a. Käbisch, Schröder) verfügt. Konvergenzen zwischen Praktischer Theologie und Religionspädagogik lassen sich im 21. Jh. aufrechterhalten, wo ein professionsbezogener Kontext abgeblendet ist (Hauschildt, Wagner-Rau). Eine mangelnde kirchliche Einbindung von Religionsunterricht wird gelegentlich als Abkoppelung religionspädagogischer Vollzüge von der Praktischen Theologie gewichtet (Grethlein, Zimmermann). An deren Stelle tritt gelegentlich eine mediale Verortung bzw. die Medienpräsenz von Religionspädagogik (Käbisch, Schröder). Während aus praktisch-theologischer Perspektive vor allzu großer, normativer (Selbst-)Beschränkung empirischer Zugänge gewarnt wird (Nord), plädiert man aus genuin religionspädagogischer Perspektive für Bescheidenheit im Umgang mit empirischen Ergebnissen (Domsgen).

Die Versammlung religionspädagogischer Stimmen zum Verhältnis von Religionspädagogik und Praktischer Theologie ist interessant, die Inangriffnahme der Klärung des Verhältnisses fast überfällig und ausgesprochen verdienstvoll. Einige Anfragen seien gleichwohl formuliert. Fraglich scheint, ob die Autorenschaft die Vielfalt der Perspektiven praktisch-theologischer Ansätze abbildet oder ob sie sich nicht auf jenen Kreis von Stimmen fokussiert, die das Verhältnis zwischen Praktischer Theologie und Religionspädagogik aus professionellen Gründen ohnehin als ungeklärt und insofern problematisch empfinden. – Religionspädagogik kehrt im 21. Jh. das Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer ursprünglichen (Mutter-)Disziplin um. Sie erscheint als jene (Sub-)Disziplin der Theologie, die gesellschaftliche Umbrüche erstmals seismographisch sensibel erfasst. Gegenüber dieser Diagnose (Käbisch, Schröder) wäre zu fragen, ob die chronologische Analyse zutreffend ist, liegen religionsbezogene Gesellschaftsdiagnosen nicht nur bereits mit den Arbeiten von P. Drews (1858−1912) und E. Sulze (1832−1914) vor. Auch die seit 1972 durchgeführten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen dürften in eine andere Richtung weisen.

Dass idealtypisch zugleich auf die die Lebenswelt erschließende Rolle der Theologie als Referenzdisziplin (Pohl-Patalong, Francis, de Munck) von Religionspädagogik hingewiesen wird, zeigt eine mögliche Perspektive an, in der man das Verhältnis zur Praktischen Theologie auch hätte reflektieren können. Im Bereich der Kinder- und Jugendtheologie liegen etwa qualitative Studien (u. a. H. Roose) vor, die im Rahmen religionspädagogischer Forschung hermeneutische Fragen ausdrücklich konstruktivistisch reflektieren. In eine ähnliche Richtung weisen Überlegungen, die praxistheoretische Perspektiven ansprechen, und die eine Weiterentwicklung des Diskurses zwischen Religionspädagogik und Praktischer Theologie befördern (so etwa Schüssler). Gerade die Praxistheorie könnte für gemeinsame Orientierungen der Disziplinen wichtig werden. Insgesamt ist zu fragen, ob der explizite Verzicht auf eine Reflexion der Mesoebene die Klärung des Verhältnisses von Praktischer Theologie und Religionspädagogik vorantreiben kann.

In Aufnahme der Überlegungen Stichwehs wäre interessant zu erfahren, auf welche gesellschaftlichen Probleme Praktische Theologie und Religionspädagogik antworten, wenn Wissenschaft »nicht mehr auf Politik, Ökonomie oder Religion« (102) wartet, sondern aus eigenem Engagement für die Gesellschaft Lösungen entwickelt. Meyer-Blanck macht diesbezüglich den bemerkenswerten Vorschlag, Religionspädagogik nicht länger als Sub- oder Teildisziplin, sondern als das gestaltende Zentrum von Praktischer Theologie anzusehen (487). Der Ansatz dürfte eine Fokussierung auf die Theologizität von Religionspädagogik nach sich ziehen. Mir will scheinen, als käme eine erneuerte, theologisch verantwortete Grundlegung nicht nur dem Verhältnis von Praktischer Theologie und Religionspädagogik zugute, sondern auch ihrem Einsatz für die existentiellen Fragen der Gesamtgesellschaft. Dem anregenden Band ist eine engagiert-kritische Leserschaft zu wünschen.