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Ausgabe:

April/2023

Spalte:

340-342

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sedlmeier, Franz, u. Hans Ulrich Steymans [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Bundestheologie bei Hosea? Eine Spurensuche.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2022. 438 S. m. Tab. Geb. EUR 89,95. ISBN 9783110666885.

Rezensent:

Eckart Otto

In Vorbereitung eines ZBK-Kommentars zum Buch Deuteronomium organisierte H. U. Steymans in Verbindung mit F. Sedlmeier in Fribourg 2018 eine Konferenz zur Frage, ob in einem vordeuteronomisch-vorexilischen Hoseabuch mit einer Bundestheologie zu rechnen sei und ob diese bereits unter neuassyrischem Einfluss formuliert wurde, was von H. U. Steymans nachdrücklich bejaht wird. Die Herausgeber wenden sich gegen einen Trend in der alttestamentlichen Wissenschaft, in der biblischen Bundestheologie eine Reaktion auf die babylonische Katastrophe Jerusalems und Judas im 6. Jh. zu sehen. Die Herausgeber wollen stattdessen anhand von Beiträgen in diesem Band aufzeigen, dass die Bundestheologie nicht darin aufgeht, Verarbeitungsmodus einer historischen Katastrophenerfahrung zu sein. Vielmehr bringe die Bundestheologie die Reziprozität menschlichen Handelns theologisch auch im Verhältnis zwischen Gott und Mensch zum Ausdruck und basiere also auf der Interpretation einer kulturanthropologischen Grundgegebenheit menschlichen Lebens in der Antike. Auch wenden sich die Herausgeber gegen eine hypertrophe Literarkritik der Hosea-Schriften, für die paradigmatisch u. a. die literarkritische Studie zum Hoseabuch von R. Vielhauer (BZAW 349, 207) steht, wie auch gegen eine pauschale Spätdatierung des Hoseabuches in die nach-exilisch-persische Zeit, wie sie u. a. von E. Ben Zvi (Hosea, FOTL, 2005) vertreten wird.

F. Sedlmeier plädiert für eine Bundestheologie in fieri im Hoseabuch, der die Ehemetaphorik zuzurechnen sei; cf. auch J. C. Gertz, RGG4 I, 1862−1865. Exegetische Positionen, die die theologische Substanz der Hosea-Schriften in die nachexilische Zeit verlegen, seien abzulehnen, da die These, dass die mit der Bundesthematik verknüpften Unheilsankündigungen erst post eventum der babylonischen Katastrophe Judas formuliert seien, mehr Probleme schaffe als sie löse. Der Vf. plädiert für einen kulturanthropologischen Horizont der Suche nach den Ursprüngen der biblischen Bundestheologie und verweist in diesem Zusammenhang auf eine den rechtlichen Vertragskategorien zugrunde liegende Reziprozität im menschlichen Handeln.

C. Becker wendet sich als Rechtshistoriker der aus dem römischen Recht stammenden föderalen Begrifflichkeit in Vetus La­tina und Vulgata zu. L. Montada stellt in Verbindung mit H. U. Steymans eine sozialpsychologische Theorie zum Ursprung des menschlichen Wunsches nach Gerechtigkeit und eines »Gerechte-Welt-Glaubens« vor, der sich religiös in dem Glauben an einen gerechten Gott ausbuchstabiere, wobei der »Gerechte-Welt-Glauben« dem Vertrauen auf eine »Schicksal wirkende Tatsphäre« (K. Koch) in synthetischer Lebensauffassung entspreche. H. U. Steymans sieht im vorexilischen Hoseabuch Strategien am Werk, die Ungerechtigkeit Gottes zu leugnen und die Opfer der Geschichte zu Tätern zu machen, während die Heilsverheißungen im Hoseabuch »schal« klingen. Man wird allerdings fragen dürfen, ob damit nicht theologisch wesentliche Perspektiven der Theologie des Hoseabuches ausgeblendet werden, die überlieferungsübergreifend und -zusammenfassend u. a. in Hos 11,1−9* ausformuliert werden.

T. Kim will anhand der Erzähltheorie von A. J. Greimas, der in reziproken Beziehungen des Tausches und Kontraktes ein in vielen Erzählungen vorherrschendes Strukturprinzip sieht, in der Reziprozität des menschlichen Handelns ein anthropologisches Prinzip aufzeigen, das in Erzählungen wirksam ist und auch der biblischen Bundestheologie zugrunde liege. Entsprechend will R. Pruzsinszky in der Keilschriftliteratur des 3. bis 1. Jt. eine Reziprozität im Verhältnis von Gottheiten und Menschen, vornehmlich in Gestalt eines Königs, aufzeigen, die zu den Quellen der biblischen Bundestheologie gehören dürfte. Sie stützt sich dabei auf Prolog und Epilog von Rechtssammlungen des Keilschriftrechts als Kommemorativinschriften. Für das 1. Jt. sieht die Vfn. in der neuassyrischen Prophetie in den State Archives of Assyria 9.3.3 nicht nur eine wechselseitige Verpflichtung von Gott und königlichem Menschen, sondern mit J. Lauinger (ZAR 19, 2003, 99−115) auch eine Ritualanweisung zur Wandlung und Proklamation der Tafel eines Loyalitätseides (tuppî adê) in eine Schicksalstafel (tuppî šimāti), die als »Bündnis bzw. Vertrag der höchsten Macht« (rikis enlilūtī) verstanden worden sei. Dass damit Voraussetzungen auch der Bundestheologie richtig benannt sind, ist nachdrücklich zu unterstreichen; cf. E. Otto, Die Ursprünge der Bundestheologie im Alten Testament und im Alten Orient, ZAR 4, 1998, 1−84.

H. U. Steymans will in seinem Beitrag zwei Forschungsfelder zu den Hosea-Schriften, die aufeinander zu beziehen sind, voranbringen, zum einen das der Beziehung der Geschlechter und der Ehe im Hoseabuch und zum anderen das des altorientalischen Einflusses auf die Vertragsmotivik im Hoseabuch als Voraussetzung und Quelle der biblischen Bundestheologie. Eine hypertrophe Literarkritik der Hosea-Schriften lehnt der Vf. ebenso ab wie deren pauschale Spätdatierungen. Vielmehr will der Vf. schon im Vasallenvertrag des Königs Hosea von Israel mit dem assyrischen König eine Quelle für die biblische Bundesmotivik sehen und damit die These von J. H. Hayes (Covenant, in: id., Interpreting Ancient Israelite History, Prophecy, and Law, 2013, 269−281) auf eine breitere Basis stellen, dass schon die Bundestheologie der Propheten des 8. Jh.s durch assyrische Vasallenverträge geprägt worden sei. Dazu sammelt der Vf. Lexemüberschneidungen einer von ihm konstruierten hoseanischen Grundschrift mit assyrischen Vertrags- texten. Die keilschriftliche Vertragsmotivik und -terminologie sei schon im 8. Jh. in »staatstragender Funktion« zugunsten einer von JHWH legitimierten Königsfamilie und im Dienst der Förderung der Vasallentreue Israels gegenüber Assyrien rezipiert worden und habe schon vor-deuteronomisch einen Einfluss auf eine sich zu der Zeit bereits formierende Bundestheologie ausgeübt. Man wird allerdings fragen müssen, ob die keineswegs spezifischen Lexemüberschneidungen ausreichen, um abgesehen von allen Datierungsfragen einen direkten assyrischen Einfluss auf die theologische Formierung eines vorexilischen Hoseabuches und auf eine sich darin konstituierende Bundestheologie postulieren zu können. Vergleichbar setzt auch die Bundesmotivik in der Tora in Ex 24 und 34 das Deuteronomium bereits voraus und ist keineswegs vor-deuteronomisch in die Zeit des Hiskia zu datieren.

Die folgenden Beiträge des Bandes wenden sich der Auslegung einzelner Texte des Hoseabuches zu, um auf diese Weise die These einer vorexilischen Bundestheologie, eventuell in fieri, im Hoseabuch zu prüfen. K. Zehetgruber sieht in der unabdingbaren Reziprozität des Verhältnisses zwischen JHWH und Israel in Hos 5−7 als einem frühen Text der Hosea-Schriften eine wesentliche Voraussetzung für eine sich im Hoseabuch entwickelnde Bundestheologie. Reziprozität werde in diesen Kapiteln des Hoseabuches »bis zum bitteren Ende des Scheiterns durchdekliniert«. W. Schütte identifiziert in seinem textgeschichtlich argumentierenden Beitrag Hos 8,1b als späten redaktionellen Einschub, mit dem wie mit anderen eine Interpretation des Hoseabuches im Horizont einer das Deuteronomium voraussetzenden Bundestheologie verbunden sei, die das Hoseabuch »nomistisch« ausrichten wolle. R. Vielhauer fragt literarkritisch orientiert nach einer Bundestheologie in Hos 8 und bestätigt, dass die Bundesmotivik erst literarisch sekundär und spät diesem Kapitel zugewachsen sei. Den Beiträgen von W. Schütte und R. Vielhauer wird man in dieser Beziehung, dass die Bundestheologie im Hoseabuch die des Deuteronomiums voraussetzt, zustimmen müssen. H.-D. Neef will dagegen den Tierbund in Hos 2,20 als »fest in der Verkündigung Hoseas verortet« erweisen. Er beruft sich dazu auf die Frühdatierung der Asaph-Psalmen durch B. Weber (BN 97, 1999, 85−103), die dieser inzwischen revidiert hat (id., ZAR 27, 2021, 306 mit Anm. 152).

Man wird den Herausgebern des Bandes zustimmen können, wenn sie sich gegen eine hypertrophe Literarkritik und extreme Spätdatierung von Hosea-Schriften aussprechen, die die vorexilische Hosea-Überlieferung samt ihrer Theologie weitgehend bis auf wenige Residuen verschwinden lässt. Vielmehr ist festzuhalten, dass die Hosea-Schriften bereits eine komplexe vordeuteronomische Literaturwerdung durchlaufen haben. Insofern ist eine Einordnung von Hosea-Schriften unter die Voraussetzungen und Quellen einer Bundestheologie des Deuteronomiums durchaus angesagt. Ob aber ein neuassyrischer Einfluss dabei auf das Hoseabuch schon Funktion für die Formierung einer Bundestheologie hatte, wird weiterhin zu diskutieren sein. Eher dürfte die Konstituierung einer Bundestheologie und ihr Siegeszug mit dem Deuteronomium und dem dort aufzuweisenden Einfluss assyrischer Vertrags- und Eidesmotivik und -terminologie zu verbinden sein; cf. ZAR 4, 1998, 1−84. Nachexilisch wurden die Hosea-Schriften in den Horizont der vom Deuteronomium herkommenden Bundestheologie eingestellt; cf. u. a. Hos 8,1b. J. Wellhausens Schema lex post prophetas greift in Bezug auf die Bundestheologie nicht.