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Ausgabe:

April/2023

Spalte:

325-327

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Burz-Tropper, Veronika [Hg.]

Titel/Untertitel:

Gottes-Bilder. Zur Metaphorik biblischer Gottesrede.

Verlag:

Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 2022. 311 S. m. 13 Abb. = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 232. Kart. EUR 79,00. ISBN 9783170409781.

Rezensent:

Udo Schnelle

Theologie will das Unsagbare sagen und das Unanschauliche anschaulich machen und sie muss deshalb auf Worte, Bilder und Sprachformen zurückgreifen, die dies leisten und dabei dennoch immer nur Annäherungen sein können. Diesem anspruchsvollen Thema widmete sich 2021 eine Online-Tagung der katholischen Fakultät in Wien, deren Referate nun vorliegen.

Nach einer kurzen Einführung durch die Herausgeberin widmet sich Wolfgang Augustyn den Gottesbildern in den Bildkünsten (13−41). Er setzt mit der Darstellung Gottes in den ersten christlichen Jahrhunderten ein; maßgebliche Kirchenväter betonten den Verweischarakter von Bildern, der sogar die Wirkung des gesprochenen Wortes übertreffe. Ein zentrales Motiv der Darstellung war von Anfang an die Trinität, aber bald rückte »das Christusbild als Bildformel für das Gottesbild schlechthin« (28) in das Zentrum. Hier war es möglich, mit der Präsenz der Bilder Nähe bis in den körperlichen Bereich hinein zu schaffen. Kurz werden dann Gottes-Bilder der Moderne erörtert, um abschließend eine wesentliche Funktion bildlicher Gottesdarstellungen in ihrer Fähigkeit zu gleichzeitiger Nähe und Distanz zu benennen.

Ruben Zimmermann (43−70) referiert zunächst die jüngere Metapher-Diskussion, in der die gezielte Widersprüchlichkeit der Metapher im Mittelpunkt steht; sie zeigt eine Spannung an, ohne sie aufzulösen, um so mentale Prozesse auszulösen. Diese bewusste Unvollständigkeit der Metapher fordert nun weitere und andere Metaphern, »um den Gegenstand besser beschreiben und verstehen zu können« (49). Metaphernkombinationen setzen die Grundfunktionen der Metapher nicht außer Kraft, sondern intensivieren sie innerhalb eines Interaktionsraumes. Als Modifikation, Multiplikation oder Extension der Ausgangsfigur verstärken »Mixed Metaphors« den theologischen Aussagegehalt und erzeugen einen Mehrwert.

Die Unzulänglichkeit der Metapher als menschlicher Rede von Gott betontThomas Hieke (71–87). »Manche Stellen sind ›Systemsprenger‹, die alles eingespurte Reden von Gott durchbrechen. Sie bremsen eine voreilige Festlegung auf bestimmte Bilder, Formeln, Aussagen, Qualitäten und Logiken aus« (72 f.). Dies wird am Beispiel von Hos 11; Ps 27,10; Jes 49,15 erläutert, wo jeweils die Eltern- bzw. Liebesmetaphorik gesprengt wird: Gott ist immer größer als die intensivste und dennoch begrenzte Menschenliebe. Gott ist kein Mensch, er ist weder Mann noch Frau, sondern der, der menschliche Logik durchkreuzt und überragt. Die Metaphernsprenger der Bibel zeigen an, dass Gott auch mit Metaphern niemals festgelegt werden kann, menschliche Bilder über ihn keine Macht gewinnen können. Er kann weder vollständig erfasst noch annähernd begriffen werden.

Die Gottesmetaphern in den Psalmen behandelt Katharina Pyschny an zwei ausgewählten Beispielen (89–107). In Ps 23 und 46 dominiert Herrschaftsmetaphorik (Gott als Hirte bzw. als Schutz, Hilfe, Burg), die sich aber nicht in hierarchischen Dimensionen, sondern relational in der Fürsorge und dem Schutz Gottes für sein Volk zeigt. Die Gottesmetaphern stehen im Kontrast zu den Bedrängnissen der Beter und evozieren so das Bekenntnis zur heilvollen Gegenwart Gottes in seiner Schöpfung. Dabei ist eine Universalisierung unverkennbar: »Der in der Geschichte wirkmächtige Gott ist unabhängig von Raum und Zeit gegenwärtig« (107).

Die Gottesbilder in den Henoch-Gleichnissen (1Hen 37−71) analysiert Loren Stuckenbruck (109–127). Hier finden sich zahlreiche Gottes-Namen (z. B. »Herr der Geister, Allerhöchster«), wobei Gott als »Haupt der Tage« im Kontext der erstmals in Kap. 46 erscheinenden Vermittlergestalt des »Menschensohnes« tituliert wird. Dem Menschensohn werden keine göttlichen Züge zugeschrieben, wohl aber ist er mit dem Schicksal der Gerechten und der Erschaffung der endzeitlichen Welt untrennbar verbunden.

Markus Tiwald (129–142) lokalisiert die Vatermetaphorik Jesu zunächst in ihrem frühjüdischen Kontext (Schöpfung, familia Dei) und sieht deren Proprium »in einer besonders innigen und vertrauensvollen Vaterbeziehung, die Jesus zu seinem himmlischen Abba unterhält« (137). Trotz zeitweiser innerfamiliärer Spannungen und widriger Lebensumstände entwickelte Jesus ein positives Vater-Bild und verkündigte einen Gott der Liebe.

Den Gottesbildern der synoptischen Gleichnisse widmet sich Kurt Erlemann (143–153). Er betont die starke Kontrastivität und Methaphorizität der Gottesbilder, die sich jeweils situativ erklären und keine geschlossene Systematik zulassen. Zugleich steht aber der souverän erwählende und verwerfende Gott im Mittelpunkt der Erzählungen. Besonders im Gleichnis vom Schalksknecht (vgl. Mt 18,23–35) zeigt sich: »Wer die Vergebungsbereitschaft Gottes durch eigene Erbarmungslosigkeit konterkariert, provoziert Gottes Zorn.« (149) Die Gleichnisse appellieren so an die Menschen, ihr Verhalten zu überdenken und auf die von Gott ebenfalls geliebten Mitmenschen auszurichten.

Veronika Burz-Tropper (155–172) wählt Joh 1,18 als Lektüreanweisung des Evangeliums und interpretiert von dort das johanneische Vater-Bild. Im Zentrum steht eine Analyse der Winzermetapher Joh 15,1–8, in der die Theozentrik des 4. Evangeliums besonders sichtbar wird. Auch die »Ich-bin-Worte« will sie theozentrisch verstehen: »Es geht dem Johannesevangelium also weniger um die viel propagierte Selbstoffenbarung Jesu als vielmehr um die Offenbarung des biblischen Gottes in Jesus Christus.« (171) Ob diese indirekte Alternativsetzung dem johanneischen Denken entspricht, wird man von Joh 10,30 her (»Ich und der Vater sind eins«) bezweifeln können.

Den Metaphern der paulinischen Gottesrede widmet sich Jochen Flebbe (173–185). Bei Paulus dominiert die Vater-Metapher, daneben finden sich aber zahlreiche metaphorische Wendungen wie z. B. »neue Schöpfung« (2Kor 5,17) oder »Beschneidung des Herzens« (Röm 2,28 f.), die das pro nobis des Heilsgeschehens betonen und bei denen der Heilige Geist als göttliche Kraft als »Metaphorisierer« wirkt. Die metaphorische Wirklichkeit wird bei Paulus zur Wirklichkeit Gottes, denn »die Metapher ist es, die alles in der Bibel zur Sinnkonstituierung der Gemeinde dienen lässt« (184).

Die Gottesbilder der Deuteropaulinen (Kol; Eph) thematisiert Andrea Taschl-Erber (187–215). Dominante Metaphern sind Vater, König, Herrscher, Richter und Schöpfer, die sich in Bildfeldern überlagern. Das »Bild Gottes« schlechthin ist der Sohn, der wiederum den »neuen Menschen« abbildet. In den metaphorischen Netzwerken geht es um Gotteskindschaft, Liebe, Erwählung, Rettung und Neuschöpfung; darüber hinaus erscheint Gott als kosmischer Versöhner und Friedensstifter. Damit verbinden sich im Kontext eines dreistöckigen Weltbildes vielfältige Raummetaphern, wobei die Einwohnung der göttlichen Fülle im ›Leib Christi‹ im Mittelpunkt steht.

Die eindrucksvolle Bilderwelt der Johannesapokalypse untersucht Konrad Huber (217–243). Er stellt zunächst die Basiskoordinaten der Gottesrede in der Apokalypse vor, um dann die zentralen Raummetaphern zu behandeln: himmlischer Thronsaal und Tempel. Sie stehen im Mittelpunkt der himmlischen Perspektive des Apokalyptikers: »Akzentuiert die erste Imagination eine primär politische Dimension, ist es in der zweiten primär die sakrale Dimension dieses Raumes, ohne dass die beiden Dimensionen […] streng voneinander zu trennen wären.« (234 f.) Beides läuft auf das neue Jerusalem als Raum Gottes zu, in dem es nach Offb 21,22 keinen Tempel mehr gibt, »denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm«. Charakteristisch für die Offenbarung sind paradoxe Gleichsetzungen, die das geheimnisvolle Ineinander von Gott, Christus und den Seinen zum Ausdruck bringen.

Überlegungen zur Bildlichkeit der Gottesrede in der neueren evangelischen Theologie unternimmt Malte Dominik Krüger (245–257). Er betont, dass die Frage der Gottes-Bilder nicht nur ein Problem der Hermeneutik, sondern eine Fundamentalfrage der Theologie ist. Sie steht unter Historisierungsdruck und dem Projektionsverdacht und ist nun in ihrer Geschichte nach dem Kulturprotestantismus und der Kerygmatheologie mit den Begriffen des Symbols und der Metapher auf dem Weg zu einer »Bildlehre des Glaubens«. Entscheidend sind dabei die Ostererfahrungen: »Denn mit Ostern wird aus Jesus, der in Sprachbildern, Gleichnissen und Metaphern über seinen Gott redet und sich entsprechend verhält, selbst das Bild Gottes.« (255)

Abschließend stellt Jakob Helmut Deibl sechs Thesen zur »anarchischen Gottesrede der Bibel« auf (259–272). Er betont darin den metaphorischen Charakter jeder Gottesrede; sie hat poetischen Charakter und ist keineswegs ein defizienter Modus.

Insgesamt bietet der Band einen repräsentativen Überblick zur aktuellen biblischen Bild-Forschung, der vor allem die Leistungsfähigkeit, aber auch die Grenzen der metaphorischen Sprache aufzeigt.