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Ausgabe:

April/2023

Spalte:

289-310

Kategorie:

Aufsätze
Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Christoph Markschies

Titel/Untertitel:

Wie sinnvoll ist es, von »Mittelalter« zu reden?
Neuere Debatten über Epochen und Epochenwandel in der Geschichtswissenschaft und ihre möglichen Folgen für die Christentums- bzw. Kirchengeschichte1

Debatten über Periodisierungen und die Einteilung der Geschichte in Epochen2 gehören seit eh und je zum Alltag der historischen Arbeit. Und ebenso klar ist, dass man bei jeder Behandlung dieses Themas ein gewisses Maß von pragmatischer Nüchternheit braucht, um nicht in die theoretisch scheinbar naheliegenden extremen Positionen zu verfallen. Alle Epochengrenzen sind natürlich fließend,3 aber es gibt schlichte pragmatische Notwendigkeiten, Epochen zu begrenzen: Selbst das längere Wintersemester hat in Deutschland im Höchstfall sechzehn Doppelstunden für eine Vorlesung; ein Seminar und ein Manuskript müssen irgendwann abgeschlossen werden. Ein Stück von subjektivem Dezisionismus ist bei Epochenabgrenzungen, da nun einmal (glücklicherweise) keine narratio perennis existiert, unvermeidlich. Periodisierung ist unausweichlich, wie Jürgen Osterhammel einmal pointiert formuliert hat, und ermöglicht bestimmte historiographische wie methodische Einsichten.4 Jacques Le Goff hat in seinem geistreichen Essay »Geschichte ohne Epochen?« (im französischen Original lautet der Titel noch pointierter: »Muss man die Geschichte wirklich in Scheiben schneiden?«) entsprechend deutlich betont, wie eng auch wissenschaftsgeschichtlich die Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft an den Universitäten und bestimmte Mechanismen der Periodisierung zusammenhängen.5

Es gibt natürlich längst umfängliche Literatur zur Geschichte dieser Debatten.6 Im Rahmen der Kirchen- bzw. Christentumsgeschichte,7 insofern sie im institutionellen Rahmen theologischer Wissenschaftseinrichtungen und bewusst mit Bezug auf christlich-theologischen Hintergrund erforscht wird, wird dazu gern noch über die Frage debattiert, ob im Blick auf den inhaltlichen oder institutionellen Fokus eine spezifische Periodisierung angezeigt oder sogar geboten ist – kann es, um die für eine Kirchen- bzw. Christentumsgeschichte vor evangelischem Hintergrund vielleicht wichtigste Frage knapp aufzurufen, eine Periodisierung ohne eine eigene Epoche der »Reformationszeit« geben, die zwischen »Mittelalter« und »Neuzeit« steht?8

Auf den ersten Blick sind bisher alle unterschiedlichen Entwürfe einer Periodisierung in der einen oder anderen Form auf das berühmte dreiteilige Schema »Altertum« – »Mittelalter« – »Neuzeit« bezogen9 und nur wenige Schemata versuchen, radikal mit dieser in Europa überkommenen Einteilung zu brechen.

Zu diesen Versuchen eines Bruchs gehört die Konzeption des Jenaer KirchenhistorikersKarl Heussi (1877–1961),10 nicht nur sein zeitweilig ebenso viel genutztes wie kritisiertes »Kompendium der Kirchengeschichte«, sondern auch seine Jenaer Lehrveranstaltungen in neun Perioden zu gliedern und auf diese Weise sowohl die klassische Dreiteilung wie das Mittelalter als Epoche zu überwinden: »Die Kirche im heidnischen Römerreich (Die Entstehung des Christentums und seine Entwicklung bis auf Konstantin d. Gr.); die Römische Reichskirche (Das Christentum unter den christlichen römischen Kaisern von Konstantin bis zur Auflösung des Gesamtreichs c. 500); die Kirche in der Zeit des katholisch-germanischen Landeskirchentums (c. 500 bis c. 900); Aufstieg und Höhe der Papstkirche (c. 900 bis c. 1300); Vorreformation und Renaissance (vom Anfang des vierzehnten bis zum Anfang des 16. Jh.s); Reformation und Gegenreformation (1517–1689); das Zeitalter der Aufklärung;11 von der romantischen Reaktion bis zum ersten Weltkriege (1814–1914); die Kirche in der jüngsten Vergangenheit (seit dem ersten Weltkriege)«12. Auch wenn beispielsweise der Gießener Kirchenhistoriker Gustav Krüger (1862–1940) der Periodisierung von Heussi »die praktische Brauchbarkeit nicht absprechen« wollte,13 wurde sie doch kaum andernorts aufgegriffen und nach der Emeritierung des Heussi als Schüler verbundenen Eberhard H. Pältz (1929–2007) seit dessen Nachfolger Christoph Markschies auch in Jena nicht mehr den kirchen- bzw. theologiegeschichtlichen Zyklusvorlesungen zugrunde gelegt.

Debatten über Epochen und Periodisierungen begleiten also die historiographische Arbeit und sind an und für sich nichts Besonderes oder etwas Neues. Nun kann man aber fragen, ob nicht spätestens durch das verstärkte Interesse an einer Globalgeschichte (beispielsweise im Zuge einer Verflechtungsgeschichte, einer histoire croisée14 und der inzwischen noch weiter ausgreifenden entangled history15) die klassische, europäisch geprägte Epochengliederung noch einmal in neuer Weise problematisch werden musste – und damit auch ihre Zuspitzung in den konfessionell grundierten Kirchen- bzw. Christentumsgeschichten.16 Verschiedene Kulturräume können nun einmal schlecht mit einem einzigen Periodisierungsschema in den Griff genommen werden.17 Entsprechende Versuche wie die zeitweilig beliebte Vorstellung einer kulturtranszendenten »Achsenzeit« überzeugen bei näherer Analyse der angeblich parallelen Entwicklungen eher nicht, jedenfalls nicht die gesamte scientific community.18 Auch die zunehmende Internationalisierung der Forschungslandschaft könnte ein Grund sein, die Probleme der Epochenbildung und Periodisierung im 21. Jh. noch einmal neu und anders zu diskutieren: Verschiedene der bisher verhandelten Probleme sind nämlich auf den deutschen Sprachraum beschränkt und lassen sich nicht einmal in die englische Sprache übersetzen – die deutschen Ausdrücke »alte« bzw. »ältere Kirchengeschichte« meinen doch etwas anderes als »Ancient Church History«. »Middle Ages« steht im Unterschied zum deutschen Singular »Mittelalter« im Plural.19

Wenn nicht alles täuscht, wird in den gegenwärtigen Debatten über Epochen und Epochenwandel tatsächlich nicht nur wiederholt, was immer schon an Argumenten und Pseudo-Argumenten zu einer solchen Debatte gehörte. Dies soll im Besonderen an neueren Debatten über das Mittelalter gezeigt werden (Abschnitt 2) und nach Konsequenzen für die Kirchen- und Christentumsgeschichte gefragt werden (Abschnitt 3). Zuvor soll die Fragestellung aber durch einen Blick auf eine tagesaktuelle Debatte noch etwas vertieft werden (Abschnitt 1).

I Einige Beobachtungen zum Thema anhand eines aktuellen Kontextes



Im Jahr 2022 wurde immer wieder öffentlich die Frage diskutiert, ob das Jahr durch einen Epochenwechsel gekennzeichnet oder spätestens in diesem Jahr deutlich geworden sei, dass angesichts multipler Krisen eine Epoche zu Ende gegangen sei. Diese Debatten – die hier nicht nachgezeichnet werden müssen – machen aber Grundsätzliches über Epochen und damit über Periodisierung deutlich: Der Beginn einer neuen Epoche kann auch heute noch (wie beispielsweise in der Antike durch den Kaiser Augustus)20 in einem öffentlichen Rahmen proklamiert werden, beispielsweise durch eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers im Deutschen Bundestag: »Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents. Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen – aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage«21. Olaf Scholz hat in seiner Rede vom 27. Februar 2022 nicht nur eine »Zeitenwende« proklamiert, sondern auch erklärt, was er unter diesem Begriff versteht: »Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.«22

An dieser Stelle wird deutlich, dass der Begriff »Epoche« heute immer noch im klassischen Sinne als »Haltepunkt« oder auch als »Zäsur« verstanden wird.23 Mit der Konstruktion einer Epoche ist in aller Regel (und so auch hier) eine implizite oder explizite These über den Epochencharakter verbunden.24 Diese Epochenthese wird dann als das, was epochentypisch ist (bzw. als Epochensignatur) thematisiert. Ob eine solche Proklamation bloße Rhetorik bleibt, hängt neben den spezifischen Macht- und Gesellschaftskonstellationen selbstverständlich auch damit zusammen, wie eine solche Zeitansage in der Öffentlichkeit aufgegriffen wird und inwiefern sie Ausdruck eines entsprechenden allgemeinen Bewusstseins ist, in Zeiten eines Epochenumbruchs zu leben.25 Neben der autoritativen Proklamation des Beginns einer neuen Epoche muss ein allgemeines Bewusstsein für den Beginn einer neuen Epoche vorhanden sein, wenn die Proklamation nicht bloße Rhetorik bleiben soll.26 Ein solches allgemeines Bewusstsein schließt natürlich nicht aus, dass einzelne Individuen bestreiten, dass ein bestimmtes Ereignis oder eine Menge von Ereignissen wirklich ein Zeichen einer Zeitenwende ist oder aber eine bestimmte Situation nur anfänglich nach einer Zeitenwende aussah, sich dann aber wieder der Normalzustand wiederherstellte.27 Auch verbindet sich ein Epochenbewusstsein nicht unbedingt mit einer Zustimmung zu einer expliziten oder gar explizierten Epochenthese. Als weitere gesellschaftliche Institution neben politischen Autoritäten und der Öffentlichkeit diagnostizieren und proklamieren immer wieder auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Beginn einer neuen Epoche – zunächst, wie auch im Falle der Politik, Individuen, teilweise mit besonderer Autorität. So haben der niederländische Chemiker und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen (1933–2021) und der amerikanische Biologe Eugene F. Stoermer in einem Artikel im Mai des Jahres 2000 vorgeschlagen, ein neue Epoche der Erdzeitalter namens »Anthropozän« in die Chronologie der Erdzeitalter (nach dem Holozän, aber innerhalb der Erdzeitalter-Periode »Quartär«) einzufügen, weil die globalen Effekte menschlicher Zivilisation auf die Geologie der Erde sowie ihre Atmosphäre seit dem 18. Jh. prägend geworden sind.28 Der Vorschlag und die entsprechenden Argumente dafür fanden sowohl begeisterte Zustimmung, als sie auch vorsichtige Kritik erfuhren.29 Bislang hat die »International Commission on Stratigraphy«, die für die Normierung einer Chronologie der Epochen der Erdzeitalter zuständig ist, das »Anthropozän« allerdings trotz verschiedentlicher Vorstöße noch nicht in ihre Tabellen aufgenommen,30 aber entsprechende Forderungen mehren sich und die Max-Planck-Gesellschaft hat jüngst die Einrichtung eines Instituts für Geoanthropologie in Jena beschlossen, in dem es unter anderem um einen neuen, interdisziplinären wie transdisziplinären Forschungszugang zum Anthropozän und insbesondere zum Mensch-Erde-System gehen wird.31

Ein Blick auf solche aktuellen Debatten zeigt, dass schon aufgrund der verschiedenen Institutionen, die eine Epoche konstruieren oder einer Epochenkonstruktion zustimmen, und dem fragilen Verhältnis von Epochenbewusstsein und Epochenthese selten Konsens über Epochengrenzen und Epochenverhältnisse erzielt werden kann – und dies besonders unter den Bedingungen einer plural verfassten und global vernetzten Welt unserer Tage. Für das Mittelalter gibt es nun einmal keine Kommission, die mehr oder weniger autoritativ über die Periodisierung entscheiden könnte. Zu einer Epochendiskussion gehört die mehr oder weniger wissenschaftlich elaborierte Bestreitung einer Epochenschwelle bzw. eines Epochenbruchs, eines allgemeinen Epochenbewusstseins und eines Epochenthemas im eher ideengeschichtlichen oder sozialgeschichtlichen Sinne des Begriffs. Unterschiedliche historiographische Ansätze – eher geistes- und ideengeschichtlich, eher sozial-, technik- und wirtschaftsgeschichtlich, mentalitäts- oder emotionsgeschichtlich – müssen allerdings auch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen im Blick auf Epochen führen. Man kann diese ständigen Diskussionen durchaus positiv werten; so hat Barbara Picht die für das Ganze der Epoche prekäre Prozessualität als Auslöser einer »historiographisch produktiven Dauerunruhe« bezeichnet.32 Außerdem sind, wie Wilfried Barner einmal treffend bemerkt hat, auch »Epochenillusionen … historische Tatsachen«33. Und Thomas L. Gertzen hat jüngst (im Rahmen eines Projektes im Berliner EinsteinCenter »Chronoi. Time and Awareness of Time in Ancient Societies«) auf die Herausforderung klassischer Periodisierungen und Synchronologien in der Altorientalistik wie den Bibelwissenschaften durch naturwissenschaftliche Zugänge aufmerksam gemacht.34 – Die aus diesen Beobachtungen gewonnenen Erkenntnisse sollen nun auf einen Testfall angewendet werden, die Epochendiskussion über das Mittelalter. Dabei werden paradigmatisch drei für die Debatte repräsentative neuere Positionen in alphabetischer Ordnung behandelt, nämlich die von Thomas Bauer, Michael Borgolte und Bernhard Jussen.

II Die Epochenbezeichnung »Mittelalter« als Testfall der neuen Debatten



Eine Diskussion über die Epoche und die Epochenbezeichnung »Mittelalter« existiert schon lange, wie bereits am Hinweis auf so verschiedene Historiker wie Karl Heussi (s. o. Sp. 289 f.) oder Jacques Le Goff (Sp. 289 f.) deutlich wurde, der auch in seiner deutsch erst zwei Jahre nach seinem Tod 2016 erschienenen Veröffentlichung über die »Geschichte ohne Epochen« für sein Konzept eines »langen Mittelalters« plädiert, weil es (jedenfalls in seiner stark sozial-, technik- und wirtschaftsgeschichtlich zugespitzten Perspektive) »sowohl auf wirtschaftlichem, politischem und sozialem Gebiet im 16. Jh., eigentlich sogar bis Mitte des 18. Jh.s, keine grundlegende Veränderung gegeben hat, die eine Trennung zwischen einem Mittelalter und einer neuen, anderen Periode, die dann die Renaissance wäre, rechtfertigen würde«35. Mir scheint aber, dass durch die (Wieder-)Entdeckung der Globalgeschichte und die im Zuge postkolonialer Hermeneutik übliche kritische Sichtung bisheriger Kategorien und Methoden die traditionelle Diskussion noch einmal intensiver geworden ist und zusätzliche Argumente vorgetragen werden. Dies soll an drei Veröffentlichungen exemplarisch dargestellt werden.

In einem schmalen, aber gehaltvollen Band hat der in Münster wirkende Islamwissenschaftler Thomas Bauer darüber gehandelt, »warum es kein islamisches Mittelalter gab«36. Bauer liefert – wie auch die in Berlin und Jerusalem lebende Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth schon vor ihm (dazu unten, Sp. 297) – viele Beispiele aus der Geistes-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte für eine Kontinuität im Nahen Osten nach dem Untergang des Imperium Romanum und kritisiert am Epochenbegriff »Mittelalter« die mangelnde chronologische Präzision, die damit verbundenen Gefahren von vorurteilsbeladenen Missverständnissen über die Epochensignatur islamischer Gesellschaften, die Exotisierung und die fehlende sachliche Grundlage.37 Bauer versteht den Begriff »Mittelalter« als eine kulturspezifische, für einen bestimmten Abschnitt der europäischen Geschichte partiell geeignete Epochenbezeichnung, die für nahöstliche und ostasiatische Geschichte nicht passt. Allein die mangelnde chronologische Präzision – im Westen beginnt man das Mittelalter herkömmlich mit dem sogenannten Ende des weströmischen Reiches 476 n. Chr., in einer zentralen Landschaft des Ostens wie Syrien mit der arabischen Eroberung von Damaskus 635 n. Chr – macht die Probleme dieses klassischen Epochenbegriffs deutlich. »Der Begriff Mittelalter trägt nichts zur Klarheit bei, ganz im Gegenteil«38. Bauer leugnet nicht, wie viele Fäden die Geschichte des nahöstlichen Raumes nach der arabischen Eroberung mit der Antike verbinden: Arabische Medizin beginnt mit der Übersetzung der Texte des kaiserzeitlichen Autors Galen, der vor allem in Pergamon, Alexandria und Rom lebte und wirkte, Mehmet Fatih nennt sich nach seiner Eroberung von Konstantinopel (wie die byzantinischen Machthaber) »Kaiser von Rom«39. Doch das weit verbreitete Vorurteil, »der Islam« habe »die Aufklärung« noch vor sich (was vollkommen ignoriert, dass bestimmte Modernisierungsbewegungen des 20. Jh.s sich auf die Muʿtazila, eine stark von griechischer Philosophie beeinflusste rationalistische Denkschule des 9.–11. Jh.s bezogen)40, hängt nach Bauer mindestens auch am gern verwendeten Begriff »islamisches Mittelalter« und den im Epochenbegriff gesetzten Vorurteilen über angeblich fehlende Rationalisierung in dieser Zeit.41 Anhand eines alphabetisch geordneten Rasters lebensweltlicher Phänomene (von »Analphabetismus« bis »Ziffern und Zahlen«) zeigt er, dass es im nahöstlichen Raum keinen Epochenbruch wie im lateinischsprachigen West- und im griechischsprachigen Ostreich in der Zeit der sogenannten Völkerwanderungen gab: Die Badeanlagen funktionierten weiter und es entstanden neue Wellnesstempel, die Produktion von kunstvollem Glas wurde weiter verfeinert und gesteigert, die Städte wuchsen und die Rechenkunst wurde vervollkommnet. »Bewahrung und Fortentwicklung der antiken Kultur kennzeichnen somit den Osten, weshalb es dort auch keine Renaissance geben konnte.«42 Man könnte an dieser Stelle stärker, als es Bauer tut, auch die Heilige Schrift des Islam, den Qur’an, in den Blick nehmen und insbesondere seine Interpretation durch Angelika Neuwirth und ihre Schule. Neuwirth hat in verschiedensten Veröffentlichungen den Qur’an als Werk der Spätantike zu präsentieren versucht, der auf jüdische und christliche Traditionen wie Texte Bezug nimmt und reagiert;43 der digital zugängliche Kommentar des Akademienvorhabens »Corpus Coranicum« der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften bietet die entsprechenden Passagen im Vergleich.44 Außerordentlich wichtig erscheint mir außerdem noch der Hinweis von Thomas Bauer, dass das Kalifat sich als direkte Fortsetzung sowohl des oströmischen als auch des persischen Reiches sah und deswegen Persien bzw. der Iran immer mit in den Blick genommen werden muss, diese zweite Kontinuität islamischer Staatlichkeit wie Kultur aber wegen des »Verschwindenlassens Persiens« und einer regelrechten »Iran-Vermeidungsstrategie« in der europäischen Historiographie meist vergessen wird.45 Tatsächlich brechen ja in einer klassischen Geschichte des Christentums in der Antike die Sassaniden gleichsam aus dem östlichen Dunkel in das Imperium ein und die interessante Geschichte des Judentums und Christentums im persischen Reich taucht nur sehr gelegentlich in den Darstellungen und Lehrveranstaltungen auf. Bauer plädiert dafür, das ganze erste Jahrtausend als eine einzige Epoche zu nehmen, als die formative Epoche der islamischen Kultur und Religion, und sie als prozesshaft zu verstehen.46 Er hält selbst fest, dass er damit an eine entsprechende These von Garth Fowden anknüpft.47 Der englische Alt- und Religionshistoriker kann auch den (ursprünglich persischen) Manichäismus mit seinen deutlichen Bezügen auf den Zoroastrismus in die Epoche eines »First Millennium« integrieren, das nach Fowden von Augustus bis zum islamischen Universalgelehrten al-Bīrūnī (973–1048 AD = 362–442 AH) reicht. Nur am Rande sei bemerkt, dass auch Oswald Spengler schon diese Konzeption eines ersten Jahrtausends als zusammengehörige Epoche gegen das klassische dreiteilige Periodisierungsschema vertrat.48 Versteht man, so Bauer, auch im Westen und Osten des Imperium das 4. bis 8. Jh. als Transformationsperiode, spricht nichts dagegen, den lateinisch- und griechischsprachigen Kern des Imperium, aber auch den mehrsprachigen Nahen Osten, Persien und Afrika unter der Epochenbezeichnung »First Millennium« – »Erstes Jahrtausend« als einen einzigen Bezugsraum ungeachtet aller kulturellen, religiösen und sprachlichen Unterschiede zu begreifen.

Interessanterweise hat allerdings der Berliner Mittelalterhistoriker Michael Borgolte im Jahre 2022 die Globalgeschichte eines deutlich anders als bei Fowden und Bauer bestimmten Jahrtausends vorgelegt und für die zehn Jahrhunderte zwischen 500 und 1500 n. Chr. eine ebenso umfangreiche wie umfassende Darstellung unter dem Titel »Die Welten des Mittelalters« veröffentlicht.49 Zu Beginn informiert Borgolte in einer Einleitung nicht nur über die Begriffsgeschichte der Epochenbezeichnung »Mittelalter« seit dem 18. Jh., sondern argumentiert gerade mit der von Thomas Bauer kritisierten chronologischen Vagheit für den – auch bei einzelnen islamischen Autoren – eingeführten Begriff.50 Man könne, weil es überhaupt keine vormodernen globalen historischen Zäsuren gebe, mit denen man die Zeitläufte global periodisieren könne, daher auch das »mittelalterliche Jahrtausend« 500 bis 1500 unserer Zeitrechnung als chronologische Grenze setzen, »ohne damit historische Urteile und Vorurteile über diese Periode zu transportieren oder gar als Maßstab an andere Kulturen anzulegen«51. Weil es keine gemeinsamen globalen Epochengrenzen gebe, entfalle auch der klassische Bezug eines »Mittelalters« auf eine »Antike« und eine »Neuzeit« (oder »Renaissance«). Mittelalter ist also in dieser transkulturell aufgeweiteten Sichtweise nur noch ein konventioneller Begriff für tausend beliebige Jahre Globalgeschichte, obwohl er sich faktisch einer globalen Ausweitung der ehemals weitestgehend auf die lateinische Christenheit bezogenen Perspektive verdankt.52 Borgolte setzt ihn daher an vielen Stellen seiner Darstellung in Anführungsstriche oder spricht vom »sogenannten Mittelalter« (und rettet so zugleich auch den traditionellen Fachbegriff seiner eigenen Disziplin, der Mediävistik). Das lateinische Christentum verliert auf diese Weise seine Zentralität, es bildet nicht mehr den Ausgangspunkt (oder gar den Zielpunkt) der Darstellung, die immer wieder bewusst an den bisherigen Peripherien des klassischen europäischen Blicks ansetzt.53 Bewusst ist die Abkürzung »v. Chr.« bzw. »n. Chr.« durch »v. u. Z.« und »u. Z.« ersetzt. Borgolte schreibt in seiner über tausendseitigen Globalgeschichte trotzdem als europäisch geprägter Mediävist und damit vor dem Hintergrund der lateineuropäischen Sicht: Die hauptsächlichen drei Welten seines »Mittelalters« sind die erstmals auf hochmittelalterlichen Illustrationen von zeitgenössischen Handschriften antiker Texte belegten und dann weit verbreiteten Schemata eines dreigeteilten Erdkreises,54 der aus Asien, Europa und Afrika besteht und auf die biblischen und post-biblischen Überlieferungen zu den drei Söhnen Noahs, Sem, Ham und Jafet zurückgeht (Gen 9,18–10,32).55 In einer Art kühnen Griff Borgoltes werden diese drei höchst traditionellen Weltteile zu dem untereinander vielfältig kulturell wie ökonomisch vernetzten »trikontinentalen« Raum seiner Globalgeschichte, den er auch »Eufrasien« nennt56 (seine Berliner mediävistische Kollegin Dorothea Weltecke spricht von »Afro-Eurasien«)57. Ausgegliedert werden aus dieser trikontinentalen Globalgeschichte (mit Begründung)58 allerdings Afrika südlich der Sahara, Sibirien in Asien, die riesige pazifische Inselwelt, die unzähligen nordamerikanischen Siedlungsareale und die unverbundenen mittel- und südamerikanischen Hochkulturen, weil sie für Borgolte nicht Teil der »Verknüpfungen in der trikontinentalen Menschenwelt« im Jahrtausend 500 bis 1500 sind. Die drei Hauptkapitel des Buches handeln in einer »untersuchenden Darstellung«, die das forschende Suchen und Finden von Momenten eines Ganzen nachgestalten will,59 von größeren und kleineren Reichen als Kommunikationsräumen, den großen Religionen der drei Weltteile und dem Fernhandel. Dabei räumt Borgolte ein, dass natürlich nicht alle Abschnitte durch eigene Forschung unterlegt werden konnten; auch bei einhundertzehn Seiten Anmerkungen und sechsundsiebzig Seiten Quellen- und Literaturverzeichnis bleiben natürlich Lücken.60 Aber man wird Borgoltes magistrale Zusammenschau einer trikontinentalen Vernetzungsgeschichte ja auch nicht zur Erstinformation über die Geschichte des antiken Christentums im Imperium Romanum heranziehen wollen. Nicht umsonst beginnt die Darstellung der »Beziehungsnetze der Religionen« wieder beim scheinbar Fremden der eigenen latein-europäischen Geschichte, mit der Shintô-Religion, dem Jainismus, dem Zoroastrismus, Brahmanentum und Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus und Daoismus, bevor dann Judentum (»Universelle Insularität einer Nationalreligion«) und Christentum (»drei Christenheiten und dezentrale Sonderkirchen«), der Manichäismus (»eine restringierte Universalreligion«) und der Islam (»Religion des eufrasischen Mittelalters«) behandelt werden.61 Natürlich geht es immer auch um die trikontinentale Geschichte dieser vier Religionen, so wird die Geschichte des Judentums nicht nur für das westliche und östliche Europa dargestellt, sondern auch für Nordosteuropa, Nordafrika und Asien. Die Abschnitte über das Christentum behandeln zunächst deutlich ausführlicher die Kirchen und Christentümer außerhalb der Grenzen des Römischen Reiches, die in den klassischen europäischen Veröffentlichungen der antiken und mittelalterlichen Christentumsgeschichte schon aufgrund der sprachlichen Herausforderungen durch die meist syrisch überlieferten Texte keine bedeutsame Rolle spielen.62 Hier ist nicht der Platz für eine ausführliche Würdigung und Kritik der religions- und christentumsgeschichtlichen Passagen dieser Globalgeschichte (und ein Vergleich mit anderen mediävistischen Ansätzen einer Globalgeschichte)63; festzuhalten ist in unserem Zusammenhang lediglich, dass durch die transkulturelle Aufweitung bei gleichzeitiger Konzentration auf die drei Kontinente der vernetzten eufrasischen Welt für die tausend Jahre zwischen 500 und 1500 eine globale Vernetzungsgeschichte (»entangled history«) anschaulich wird. Die Religionen haben in dieser globalen Vernetzungsgeschichte eine zentrale Stellung: Angehörige des Christentums und des Islam sind nach Borgolte Wegbereiter der Globalisierung im Mittelalter.64

Ob man nun mit Thomas Bauer den Epochenbegriff »Mittelalter« wegen seiner bekannten problematischen Implikate entschlossen verabschieden oder mit Michael Borgolte transkulturell aufgeweitet einfach pragmatisch beibehalten sollte, ist schwer zu entscheiden. Als der in Frankfurt lehrende Mediävist Bernhard Jussen bei einer Debatte der Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften über »spekulative Theorien, Kontroversen, Paradigmenwechsel« im Jahr 2016 energisch für eine Verabschiedung des Periodisierungsschemas Antike, Mittelalter, Neuzeit und die Überweisung des Konzepts in die Wissenschaftsgeschichte votierte,65 bemerkte die Mainzer Ethnologin Carola Lentz, die Konsequenz aus dem Vortrag von Jussen sei doch eigentlich, seine Lehrstuhldenomination (Professur für Mittelalterliche Geschichte mit ihren Perspektiven in der Gegenwart) komplett zu ändern.66 Jussen replizierte seinerseits, »Das Festhalten an Denominationen ist in der Tat die strukturkonservative Abwehrstrategie«67. Man könnte seine Bemerkung zu den Denominationen der Professuren leicht ergänzen durch die Studien- und Examensordnungen, klassischen Vorlesungszyklen und darauf bezogenen Lehrbücher, die ebenfalls mit dem klassischen Periodisierungskonzept Antike, Mittelalter und Neuzeit auch den Epochenbegriff »Mittelalter« in aller Regel strukturkonservativ bewahren, wenn er nicht wenigstens wie bei Borgolte eher aus pragmatischen Gründen beibehalten und ansonsten entschlossen transkulturell entgrenzt sowie neu gefüllt wird. Jussen hat seine programmatische und provokative Verabschiedung der klassischen dreiteiligen Periodisierung und des Epochenbegriffs »Mittelalter« in der Berliner Debatte mit dem »lateineuropäischen Tunnelblick« begründet, der normalerweise mit beidem verbunden war,68 und den gewandelten Konzeptionen von Global- und Weltgeschichte (er nennt als »Leitstichworte« »Provincializing Europe«, »Multiple Modernities« und »Postsäkulares Zeitalter«): »Warum ändert sich das makrohistorische Deutungsmodell nicht mit dem Erklärungsbedarf? Warum bekommt ein Makromodell aus der Zeit des Ancien Regime nicht ein ordentliches Begräbnis in der Wissenschaftsgeschichte?«69 Jussen verweist neben solchen makrohistorischen Zusammenhängen in seinem Beitrag auch auf weitere mikrohistorische Probleme des Epochenbegriffs »Mittelalter«, die bisher noch nicht im Blick waren: Die Revolutionen der stadtgeschichtlichen Entwicklungen, die ins Hochmittelalter fallen, werden im Interesse der longue durée des Mittelalters abgeblendet und erst für die Neuzeit wahrgenommen, die berühmten »christozentrischen« Herrscherdarstellungen des Mittelalters, an denen man Epochensignaturen zu erklären pflegt, fanden sich nur in bestimmten liturgischen Büchern, die nur ein sehr bestimmter Teil des Klerus bei sehr bestimmten Gelegenheiten zu sehen bekam,70 und das Verwandtschaftssystem der Kleinfamilie wird in die Neuzeit projiziert, obwohl es ins Mittelalter gehört.71 Mit einer Formulierung des expressionistischen Dichters Rudolf Leonhard (alias Raoul Lombat, 1889–1953)72 macht Jussen darauf aufmerksam, dass die im Epochenbegriff »Mittelalter« und der dazugehörigen dreiteiligen Periodisierung mitgesetzten Vorurteile immer wieder durchschlagen, und plädiert für einen förmlichen Abschied: »Wer falsch spricht, denkt falsch«.

Wir haben an drei Beispielen gesehen, dass die neue Debatte über den klassischen Epochenbegriff »Mittelalter« und das damit verbundene dreigliedrige Periodisierungssystem bisher nicht auf ein einhelliges Ergebnis geführt hat. Jussen votiert für Musealisierung, Borgolte für pragmatische Übernahme zur Bezeichnung eines transkulturell und globalgeschichtlich konstruierten Jahrtausends zwischen 500 und 1500 und Bauer lässt offen, ob man den Begriff wenigstens für die lateineuropäische Welt noch guten Gewissens gebrauchen darf. Zudem fällt auf, dass weder Bauer noch Jussen mit letzter Emphase für einen, gar für einen gemeinsamen neuen Epochenbegriff votieren. Zudem ist mit »First Millennium« eine reine Kombination von zwei Zahlworten als Epochenbegriff vorgeschlagen, den man sich schlecht als Teil eines Periodisierungssystems vorstellen kann: Leben wir dann im »Second Millennium« oder wird die Einteilung feingliedriger?73 In einem letzten Abschnitt dieses Beitrags soll noch nach besonderen Konsequenzen für die Kirchen- und Christentumsgeschichte gefragt werden.

III Ein paar Konsequenzen aus den Beobachtungen zu den neuen Debatten



Zunächst: Christentumsgeschichte kann von ihren Anfängen an nicht anders denn als Globalgeschichte erforscht und vermittelt werden74 – und dies gilt eigentlich auch für eine klassische Form von Kirchengeschichte, die vor allem auf den je eigenen konfessionellen Kontext bezogen ist.75 Ich wähle ein einziges, ebenso beliebiges wie charakteristisches Beispiel und dies bewusst aus meinem persönlichen Erfahrungsraum: In der Straße im Berliner Zentrum, in der ich wohne, lebt wenige Häuser weiter ein Priester der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien, die gewöhnlich zu den miaphysitischen, dem christologischen Dogma von Chalkedon 451 n. Chr. gegenüber kritisch eingestellten Kirchen gezählt wird76 und in manchen Kontexten nach dem Reorganisator des antiochenischen Patriarchats, dem Asketen und Bischof Jakob Baradai (gestorben 578 n. Chr.)77, auch »jakobitische Kirche« genannt wird (eine von der Kirche und ihren Glaubenden abgelehnte Fremdbezeichnung)78. Christenmenschen, die sich dieser Kirche zurechnen, leben allerdings nicht nur im heutigen Syrien und in der Türkei, in indischen Diözesen (als autonome »Syrisch-Orthodoxe Kirche von Malankara«), sondern aufgrund der schrecklichen politischen Ereignisse und Verfolgungen des 20. Jh.s in Amerika, verschiedenen Ländern Europas und eben auch in Berlin. Kirche und Gemeindezentrum dieser Gemeinde mit ihren ca. 2500 Gliedern, ehemals Teil einer römisch-katholischen Gemeindekirche, liegen zwei Querstraßen entfernt. Es wäre nun relativ unsinnig, die syrisch-orthodoxe Kirche von Antiochien angesichts dieser globalen und lokalen Präsenz nur kurz unter die nicht-chalkedonensischen Kirchen der Spät- antike zu rubrizieren und danach aus dem Fokus einer Kirchen- und Christentumsgeschichte verschwinden zu lassen.

Sodann: In einer globalen, transkulturellen Welt ist es relativ schwer, für unterschiedlichste Regionen und Kulturen jeweils einheitliche Epochenbrüche zu markieren, also Epochenschwellen zu identifizieren, ein einheitliches Epochenbewusstsein zu konstatieren und gemeinsame Epochenthemen zu benennen.79 Thomas Bauer stellt in seiner oben ausführlicher referierten Monographie »Warum es kein islamisches Mittelalter gab« hilfreiche Voraussetzungen für einen leistungsfähigen Epochenbegriff zusammen: Ein solcher Epochenbegriff sollte wertungsfrei sein, er sollte großräumig gelten, die durch ihn bezeichneten Epochen müssen umfassend lebensprägend sein und die Veränderungen, die eine neue Epoche konstituieren, die der Begriff benennen soll, müssen endgültig und dauerhaft sein.80 Je globaler und transkultureller aber der Raum wird, für den eine gemeinsame Epoche konstruiert werden soll, desto schwieriger wird es, eine präzise datierte Epochenschwelle anzugeben, auf die die von Bauer nachvollziehbar definierten Kriterien auch zutreffen. Das Problem bestand, wie wir sahen (s. oben Sp. 296 f.), schon vor der Entdeckung der Globalgeschichte bei einer gemeinsamen Bestimmung einer Epochengrenze zwischen Spätantike und Frühmittelalter für den West- und Ostteil des Imperium Romanum. Es hat sich in dem Maße, in dem die letzten Jahrhunderte der Spätantike in diesem Ostteil in den letzten Jahren gesteigerte Aufmerksamkeit in der scientific community gefunden haben, verschärft; ich nenne paradigmatisch die Monographie »The Rise of Christian Theology and the End of Ancient Metaphysics« des Oxforder Patristikers Johannes Zachhuber.81 Hier wird die Chalkedon-kritische Theologie des zeitweilig als Patriarch amtierenden und dann exilierten Severus von Antiochien (ca. 456–538 n. Chr.), deren Entwicklung in seinen hauptsächlich in syrischer Sprache überlieferten Texten belegt ist, auf ihre philosophischen Grundlagen befragt und die einflussreiche Deutung als philosophisch nach antiken Maßstäben unausge- gorener »Monophysitismus« von Joseph Lebon präzise widerlegt. Das Achtergewicht der Auseinandersetzung zwischen bestimmten antiken philosophischen Konzepten und christlichen Versuchen, mit ihrer Hilfe oder in Absetzung von ihnen Christologie und Trinitätstheologie zu explizieren, verschiebt sich von kaiserzeitlichen Platonikern wie beispielsweise Origenes auf christliche Autoren des 5. bis 8. Jh.s. Severus schreibt im 6. Jh. griechisch, wird aber in den folgenden Jahrhunderten ins Syrische übersetzt und vor allem, aber nicht ausschließlich in der syrischsprachigen orthodoxen Kirche Antiochias rezipiert.83

Damit bleibt aber schließlich im Rahmen eines globalen Ansatzes nur übrig, vergleichsweise freihändig einen Zeitraum zu definieren, den man einer Geschichtsdarstellung zugrundelegen will. Es hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt, entweder (in der Tradition der klassischen Epochenkonzeption »Mittelalter«) die tausend Jahre zwischen dem 5. Jh. und 15. Jh. unserer christlichen Zeitrechnung oder (im Sinne des Konzepts »First Millennium«) die ersten tausend Jahre zusammenzufassen. Ob man sich für einen stärkeren Epochenbruch bzw. eine längere Epochentransformation entscheidet und ob man diese Prozesse eher in das fünfte bis achte oder in das 9. und 10. Jh. datiert, hängt, wie wir sahen (Sp. 297 f.), nicht zuletzt von der Region ab, die man in den Blick nimmt, und den geistes- und ideengeschichtlichen, kulturellen, ökonomischen und sozialen Kriterien, die man der Analyse zugrunde legt.84

Wie soll man nun die je nach Globalität bzw. Regionalität des Fokus mehr oder weniger konstruierte Epoche aber benennen? Eine realistische Einschätzung der Chancen, in den nächsten Jahren den Begriff »Mittelalter«, wie Bernhard Jussen in seiner geistreichen Polemik angesichts seiner multiplen Probleme und vorurteilsfördernden Traditionen vorschlägt, endgültig in die Wissenschaftsgeschichte zu verabschieden, ist schwierig. Auf der einen Seite tendieren Wissenschaftseinrichtungen und also auch Fakultäten an Universitäten mit ihren Lehrstuhldenominationen zu Strukturkonservativismus, auf der anderen Seite macht die immer stärkere interdisziplinäre Vernetzung und die zunehmende Durchlässigkeit von akademischen Disziplinen die Entwicklung neuer gemeinsamer Kategorien notwendig, um Ergebnisse einer gemeinsamen Lerngeschichte besser darstellen und kommunizieren zu können. Mir scheint – ohne dass ich diese Einschätzung jetzt ausführlicher belegen kann – dass der Strukturkonservativismus in theologischen Fakultäten hierzulande nicht zuletzt aufgrund der Staatskirchenverträge noch eine Note stärker ausgeprägt ist als in anderen universitären Wissenschaftsdisziplinen. Gleichzeitig gilt aber, dass die Situation sich schon jetzt stellenweise verwirrend plural und in mehrfacher Hinsicht inkonsistent darstellt. Erneut wähle ich ein einziges, ebenso beliebiges wie charakteristisches Beispiel und auch dies bewusst aus meinem persönlichen Erfahrungsraum, um ungeachtet aller Strukturkonservativität der Institutionen die Pluralität, Wandelbarkeit und Inkonsistenz von Epochenterminologien und Periodisierungsschemata zu dokumentieren: Ich bekleidete in Jena in den Jahren 1994–1999 einen »Lehrstuhl für Kirchengeschichte« ohne Epochendifferenzierung, in Heidelberg 1999–2004 einen »Lehrstuhl für Historische Theologie (Antike und Mittelalter)« und wurde 2004 in Berlin auf eine »Professur für Ältere Kirchengeschichte und Patristik« berufen, die inzwischen »Professur für antike Christentumsgeschichte« heißt (in Berlin wurde die klassische Bezeichnung »Lehrstuhl« abgeschafft).85 Diese unterschiedlichen Bezeichnungen haben freilich, wenn ich recht sehe, kaum Einfluss auf meine sich wandelnde Lehr- und Forschungstätigkeit gehabt und schon gar nicht meine eigene Periodisierung und Epochenterminologie determiniert, die mir im kritischen Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte allerdings auch nicht unbedingt konsistent erscheint:

Ich habe in ein Lehrbuch für den Studienanfang aus dem Jahre 1995 zunächst die klassische dreiteilige Periodisierung des Faches in ihrer damals üblichen Ausdifferenzierung aufgenommen,86 mich in einem Lexikonartikel aus dem Jahre 1998 mit Emphase unter dem reichlich traditionellen Stichwort »Alte Kirche« (das mir von den Vorgängern in der Fachberatendenschaft mit der Stichwortliste vorgegeben worden war) für eine möglichst unveränderte Übernahme des Periodisierungsschemas der allgemeinen Geschichtswissenschaften in die Kirchen- und Christentumsgeschichte ausgesprochen87 und (wie ich ehrlich zugeben muss) lange auf die Epochenkonzeption gesetzt, die der Jenaer und Berliner Kirchenhistoriker Hans Lietzmann (1875–1942) verwendete und in Veröffentlichungen wie in institutionellen Zuordnungen verbreitete.88 Entsprechend nutzte ich lange Jahre als Ordnungskategorie die Epochenbezeichnung »Spätantike«, die nach allgemeiner Konvention für den griechischen Sprachraum mit dem Todesjahr des Johannes von Damascus (vermutlich 754 n. Chr.) beendet wird und im lateinischen Westen, wie oben Sp. 296 beschrieben, deutlich früher. Aber inzwischen scheint mir die Konzeption, die ersten tausend Jahre mindestens für die östliche Hälfte des Imperium und die angrenzenden Gebiete als epochale Einheit zu nehmen (»First Millennium«), wesentlich passender, schon allein wenn man – wie beispielsweise Angelika Neuwirth – die Entstehung des Islam und seine frühe Theologie wesentlich stärker mit jüdischen und christlichen Gruppen der »Spätantike« verbindet.89 Schließlich ist ja auch Johannes von Damascus (bzw. Yūḥanna ad-Dimashqī) nicht nur ein monastisch geprägter Theologe, der zeittypisch verschiedenste Formen von kirchlichem und theologischem Wissen sammelt, sondern auch ein (nach heutiger Terminologie) hoher Verwaltungsbeamter am Hof der Kalifen in Damascus,90 nach der hagiographischen Überlieferung πρωτοσύμβουλος, zu Deutsch »erster Ratgeber« des muslimischen Souveräns.91

Eine abschließende Frage mit kurzer Antwort: Wir sahen, dass mindestens im deutschen Sprachraum die methodischen Einführungen in die Christentums- bzw. Kirchengeschichte, die klassischen Zyklusvorlesungen an den konfessionell geprägten Fakultäten und die darauf bezogenen Lehrbücher und Veröffentlichungen nach wie vor zumeist dem klassischen Periodisierungsschema folgen und also auch den damit verbundenen klassischen Epochenbegriffen wie »Mittelalter«. Eine engagierte Debatte um Recht und Grenze des Epochenbegriffs »Mittelalter« in der konfessionellen Christentums- bzw. Kirchengeschichtsschreibung, die den Debatten zwischen Bauer, Borgolte und Jussen vergleichbar wäre, fehlt nach meinem Eindruck bisher. Könnten dafür vielleicht spezifische Gründe geltend gemacht werden, die die Theologizität des Faches, seine spezifische Stellung im Rahmen einer theologischen Ausbildung oder der Verantwortung theologischer Fakultäten für die Lehre der jeweiligen Kirche betreffen?

Unter »Theologizität des Faches« möchte ich verstehen, dass eine an konfessionell bestimmten theologischen Fakultäten betriebene Christentums- bzw. Kirchengeschichte nicht allein über den Gegenstand des Faches (z. B. »Kirchengeschichte als die Geschichte der Inanspruchnahme des Christlichen«: Albrecht Beutel)92 bestimmt wird, sondern zum Beispiel über die Heuristik (»die Generierung der für die Kirchengeschichte leitenden Fragen aus dem theologischen Diskurs«: Volker Leppin)93 oder (wie von mir selbst vorgeschlagen)94 über ein auf Gott bezogenes Verständnis metahistorischer Leitkategorien einer Geschichtsschreibung wie Raum und Zeit, Individuum und Gesellschaft, Ordnung und Chaos sowie Handeln und Erleiden.95

Ohne dass hier jetzt die reiche Literatur zu den höchst unterschiedlichen Positionen zu diesen drei Dimensionen einer Christentums- bzw. Kirchengeschichte96 dokumentiert oder gar referiert werden kann, ist deutlich, dass bestimmte Positionierungen hier zu metahistorischen Aufladungen im Epochenbegriff »Mittelalter« führen können. Die vielleicht deutlichste Formulierung einer metahistorischen Aufladung bei einem entsprechenden Verständnis der Epoche »Mittelalter« in einer evangelischen Kirchengeschichte aus der jüngeren Vergangenheit stammt von dem Göttinger Kirchenhistoriker Ekkehard Mühlenberg; sie lautet: »Es besteht also ein Wechselverhältnis zwischen Reformation und mittelalterlicher Kirche; in einer evangelischen Kirchengeschichte ist die Kirche des Mittelalters so gesehen, daß die Reformation überzeugend bleibt.«97 Offenkundig wird hier für ein Dekadenzmodell mindestens in bestimmten Partien des betreffenden Bildes vom »Mittelalter« geworben und dies mit der Kritik reformatorischer Theologen an Dekadenzerscheinungen mittelalterlicher Kirchlichkeit verbunden. Einmal abgesehen von der in meinen Augen nicht besonders sinnvollen Frage, ob theologische Einsichten der Reformation – nach der oben explizierten Differenzierung ein Teil des Epochenthemas der Epoche und zugleich Teil des Epochenbewusstseins bestimmter Bevölkerungskreise in bestimmten Gegenden – in heutigen Kontexten Plausibilität gewinnen oder verlieren, wenn bestimmte Bilder des »Mittelalters« so oder anders gezeichnet werden, könnte man gerade aus einer solchen metahistorischen Aufladung der Sicht auf das Mittelalter ein zusätzliches Argument für die Position von Bernhard Jussen gewinnen, auf den mehrfach belasteten Epochenbegriff zu verzichten.98 Weil aber für den gegenwärtigen theologischen Wert der reformatorischen Theologie (und damit auch für ihren Wert im 16. Jh.) nach der Kritik von Gotthold Ephraim Lessing an solcher μετάβασις εἰς ἄλλο γένος99 nicht durch ein bestimmtes Bild vom Mittelalter argumentiert werden kann (und eine Christentums- bzw. Kirchengeschichte aus evangelischer Sicht daher auch keine Dekadenzmodelle braucht)100, kann für die vorläufige Beibehaltung eines (mit Borgolte) globalgeschichtlich und transkulturell aufgeweiteten und inhaltlich ansonsten entleerten »Mittelalter«-Begriffs ebenso votiert werden wie für die Musealisierung dieses klassischen Epochenbegriffs und des ihm zugrundeliegenden dreiteiligen Periodisierungsschemas. Bei allem Recht, das für eine pragmatische Haltung der vorsichtigen Beibehaltung mit inhaltlichen Revisionen ins Feld geführt werden kann, wird wohl im Zusammenhang der in Zukunft anstehenden Revisionen der theologischen Ausbildung und ihrer Institutionen auch an einer Revision der Periodisierungsschemata und der Epochenterminologie der Christentumsgeschichte kein Weg vorbeiführen. Wann dies genau passieren wird, ist schwer zu sagen. Aber vor solchen Revisionsprozessen braucht sich auch niemand zu fürchten. Nochmals: Die Theologizität der Kirchen- bzw. Christentumsgeschichte hängt nicht am dreiteiligen Periodisierungsschema, höchstens der Epochenbegriff »Reformationsgeschichte« vermag eine solche Theologizität der Disziplin zu signalisieren, muss es aber natürlich nicht, wie entsprechend säkulare Zugriffe auf das mit dem Terminus beschriebene Feld zeigen.101 Wie theologisch eine Chris-tentums- oder Kirchengeschichte angelegt ist, steht auf einem anderen Blatt als auf dem, auf dem die Periodisierungsschemata gezeichnet werden.102

Abstract



How meaningful is it to talk about the »Middle Ages«? Recent debates on epochs and epochal change in historical scholarship and their possible consequences for Church History/History of Christianity.

Using the example of three recent approaches (by the Islam historian scholar Thomas Bauer and the medieval historians Borgolte and Jussen), this essay shows that the current debates on epochs and epoch changes do not merely repeat what has always been part of such a debate in terms of arguments and pseudo-arguments. To this end, we will first take a look at the history of the discussion and a current debate (section 1), then discuss the contributions of the three scholars on the epoch designation »Middle Ages« (section 2) and ask about consequences for the history of the Church and Christianity (section 3). The construction of an epoch or the proclamation of a break with an epoch is usually connected with an implicit or explicit thesis about the character of the epoch and a kind of general awareness of the epoch. At present, it is proposed both with new arguments to dispense with the epoch designation »Middle Ages« and to retain it with a radically changed meaning. Under the conditions of a global-historical approach, it has become much more difficult to delimit epochs for global spaces in the classical sense. However, delimitations remain unavoidable and do not only have negative effects. This also means, however, that the days of the classical three-part periodisation scheme of church and Christian history are probably numbered.

Fussnoten:

1) Sehr herzlich möchte ich Judith Becker, Michael Borgolte, Bernhard Jussen, Jürgen Osterhammel und Bernd Schneidmüller für vielfältige Anregungen zum Thema in den letzten Jahren und bei Gesprächen über diesen Beitrag in letzter Zeit danken. Wichtige Hinweise verdanke ich auch Roland Römhildt.
2) Die Termini »Epoche«, »Periode«, »Periodisierung«, »Epochenwende« bzw. »Epochenzäsur« werden oft nicht präzise voneinander abgegrenzt; »Epoche« und »Periode« werden gern synonym verwendet. Oft ist auch nicht deutlich, dass »Periode« (vom griechischen ἡ περίοδος) die Wiederholbarkeit impliziert und ursprünglich eine zyklische Vorstellung voraussetzt (»eine Periode starker wirtschaftlicher Unsicherheit«), »Epoche« dagegen einfach einen abgegrenzten Zeitraum bezeichnet (vom griechischen ἡ ἐποχή; in der Musiktheorie für einen Zeitraum verwendet bei Nicomachus von Gerasa, Enchiridion 3,1 [Musici Scriptores Graeci, 241,10 Jan]). Leider spricht man nicht von »Epochisierung«, wenn man die Geschichte »epochenweise« einteilen möchte, sondern von »Periodisierung«. Zur Begriffsgeschichte von »Epoche« jetzt Barbara Picht, Die Ganzheit der Epoche, in: Formen des Ganzen, hg. v. Eva Geulen u. Claude Haas, Literatur- und Kulturforschung. Schriftenreihe des ZfL 1, Göttingen 2022, (363–378) 363–372.
3) Walter DemeI, »Fließende Epochengrenzen«. Ein Plädoyer für eine neue Periodisierungsweise historischer Zeiträume, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48, 1997, 590–598. Geistreiche Polemik gegen jede Form von Epochenabgrenzungen in den historischen Wissenschaften hat Kurt Flasch formuliert: ders., Philosophie und Epochenbewusstsein, in: Zeithorizonte in der Wissenschaft, hg. v. Dieter Simon, Berlin/New York 2004, 1–20 = ders., Historische Philosophie. Beschreibung einer Denkart, Klostermann Rote Reihe 152, Frankfurt a. M. 22021, 154–168, vgl. auch 129–153.
4) Jürgen Osterhammel, Über die Periodisierung der neueren Geschichte, in: Berichte und Abhandlungen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 10, 2006, Berlin 2006, (45–64) 47. Ich nenne wenige Klassiker der Debatte: Leopold von Ranke, Über die Epochen der neueren Geschichte. Historisch-kritische Ausgabe, hg. von Theodor Schieder u. Helmut Berding, Leopold von Ranke. Aus Werk und Nachlaß 2, München/Wien 1971; Epochenschwelle und Epochenbewußtsein, hg. v. Reinhart Herzog u. Reinhart Koselleck, Poetik und Hermeneutik 12, München 1987 und Emil Göller, Die Periodisierung der Kirchengeschichte und die epochale Stellung des Mittelalters zwischen dem christlichen Altertum und der Neuzeit/Karl Heussi, Altertum, Mittelalter und Neuzeit in der Kirchengeschichte. Ein Beitrag zum Problem der historischen Periodisierung, Libelli 263, Darmstadt 1969 (Gegen Heussis erstmals 1921 publizierte Schrift hatte polemisch Stellung genommen: Georg von Below, Über historische Periodisierungen mit besonderem Blick auf die Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit. Mit einer Beigabe: Wesen und Ausbreitung der Romantik, Einzelschriften zur Politik und Geschichte 11, Berlin 1925; Heussi replizierte in: Die Krisis des Historismus, Tübingen 1932, 85 f.); Benno von Wiese, Zur Kritik des geistesgeschichtlichen Epochenbegriffs, Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 11, 1933, 130–144; Hans Diller/Fritz Schalk, Studien zur Periodisierung und zum Epochenbegriff, AAWLM. GS 4/1972, Stuttgart 1972; Manfred Riedel, Art. Epoche, Epochenbewußtsein, HWPh 2, 1972, 595–599; Stephan Skalweit, Der Beginn der Neuzeit. Epochengrenze und Epochenbegriff, EdF 178, Darmstadt 1982; Périodes. La construction du temps historique. Actes du Ve colloque d'Histoire au Present, éd. par Olivier Dumoulin et Raphaël Valéry, Paris 1991; Lawrence Besserman, the Challenge of Periodization. Old Paradigms and New Perspectives, in: The Challenge of Periodization. Old Paradigms and New Perspectives, ed. by Lawrence Besserman, New York/London 1996, 3–27; Gerhard Krämling, Art. Periode, Periodisierung, HWPh 7, 1989, 259–261; Günter Vogler, Probleme einer Periodisierung der Geschichte, in: Geschichte. Ein Grundkurs, hg. v. Hans-Jürgen Goertz, rowohlts enzyklopädie 55688, Hamburg 32007, 253–263; Andreas Kamp, Vom Paläolithikum zur Postmoderne – Die Genese unseres Epochen-Systems, Bd. 1 Von den Anfängen bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts, Bochumer Studien zur Philosophie 50, Amsterdam 2010 (mit ausführlicher Bibliographie auf S. 249–300), sowie Bd. 2: Das 18. und 19. Jahrhundert, Bochumer Studien zur Philosophie 56, 2015.
5) Jacques Le Goff, Geschichte ohne Epochen? Ein Essay, Darmstadt 2016 (= Faut-il vraiment découper l’histoire en tranches?, Paris 2014, übers. v. Klaus Jöken), 39–51.158–160.
6) Hier nur in Auswahl (vgl. auch oben Sp. 289 f. mit Anm. 4): Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit. Erneuerte Ausgabe, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1268, Frankfurt a. M. 1996, 529–700 (»Aspekte der Epochenschwelle«); Arndt Brendecke, Vom Zählschritt zur Zäsur. Die Entstehung des modernen Jahrhundertbegriffs, Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 10/3: Zeitfeld, hg. von Steffi Richter, 2000, 21–37 sowie Justus Fetscher, Art. Zeitalter/Epoche, Ästhetische Grundbegriffe 6, 2010, 774–810.
7) Die zeitweilig muntere Diskussion an deutschsprachigen konfessionell denominierten Fakultäten, ob das eigene Fach besser als »Kirchengeschichte« oder als »Christentumsgeschichte« begriffen und entsprechend tituliert werden sollte, kann und muss hier nicht erschöpfend dokumentiert werden. Ich nenne hier nur in strenger Auswahl: Judith Becker, Christentumsgeschichtsschreibung. Europäisches Christentum und globale Perspektiven. Cursor_ Zeitschrift für explorative Theologie Mai 2021, https://cursor.pubpub.org/pub/christentumsgeschichtsschreibung-global (zuletzt aufgerufen am 31.12.2022); Sebastian Kranich, Christentumsgeschichte contra Theologische Kirchengeschichte: Beobachtungen zu einem Streit. Christentumstheorie: Geschichtsschreibung und Kulturdeutung. FS Trutz Rendtorff, hg. v. Klaus Tanner, Leipzig 2008, 55–81 und Christoph Markschies, Kirchengeschichte theologisch – einige vorläufige Bemerkungen, in: Eine Wissenschaft oder viele? Die Einheit evangelischer Theologie in der Sicht ihrer Disziplinen, hg. v. Ingolf U. Dalferth, Forum Theologische Literaturzeitung 17, Leipzig 2006, 47–75. – Diese komplexe Diskussion kann man natürlich auch beliebig simplifizieren. Für Andreas Stegmann, Matthias Deuschle und Jennifer Wasmuth, Proseminar Kirchengeschichte. Einführung in die Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens, utb 5983, Tübingen 2022, 4, ist die »Bezeichnung des Faches als ›Christentumsgeschichte‹ … Ausdruck der Tendenz, Kirchengeschichte als rein historische Disziplin, unabhängig von ihrem Kommunikationszusammenhang mit den anderen theologischen Fächern und der verfassten Kirche zu betreiben«. Diese Charakterisierung trifft auf viele, die für die Fachbezeichnung »Christentumsgeschichte« votieren, ganz gewiss nicht zu.
8) Ich beschränke mich bewusst auf zwei pointierte Beiträge von Thomas Kaufmann: Die Reformation als Epoche?, in: Epochengrenzen der Geschichte in kirchenhistorischer Diskussion, Verkündigung und Forschung 47, 2002, 49–62 und ders., Wider die Pluralisierung der Reformation! Refutation einer semantischen Expropriation und Plädoyer für die Reformation als erste Etappe einer Epoche der Frühen Neuzeit, in: Reformation und Reformationen. Kontinuitäten, Identitäten, Narrative/Reformation and Reformations. Continuities, Identities and Narratives, hg. v. Kaspar von Greyerz und Anselm Schubert, SVRG 221, Gütersloh 2022, 38–61.
9) In dem zitierten Proseminarbuch Kirchengeschichte von Stegmann, Deuschle und Wasmuth heißt es entsprechend auch ohne Umschweife (a. a. O., 5): »Die Kirchengeschichte gliedert sich in fünf Epochen, wobei die angegebenen Jahreszahlen nur eine grobe Orientierung bieten und bei näherem Hinsehen kaum als Epochengrenzen taugen: Alte Kirche (30–500); Mittelalter (500–1500); Reformationszeit (1500–1555); Frühe Neuzeit (1555–1789); Neuzeit (1789–1989). Dazu kommt noch die Kirchliche Zeitgeschichte für die Zeit von 1918/45/89 bis heute. Die unterschiedliche Grenzziehung für die Zeitgeschichte hängt mit der generationellen Selbstverortung der Forschenden zusammen«. Vgl. ausführlicher: Horst Günther, Art. Neuzeit, Mittelalter, Altertum, HWPh 7, 1984, 782–798 und Paul Lehmann, Vom Mittelalter und von der lateinischen Philologie des Mittelalters, Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 5/1, München 1914; Karl Borinski, Die Weltwiedergeburtsidee in den neueren Zeiten: I Der Streit um die Renaissance und die Entstehungsgeschichte der historischen Beziehungsbegriffe Renaissance und Mittelalter, Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 1/1919, München 1919.
10) Hanna Jursch, In memoriam Karl Heussi (16. Juni 1877–25. Januar 1961). Rede zur Gedächtnisfeier der Theologischen Fakultät Jena am 16. Februar 1961, »In disciplina Domini« – In der Schule des Herrn. Thüringer kirchliche Studien 1, Berlin 1963, 151–164; Eberhard Pältz, Geschichte als Selbstorientierung in der Zeit. Zum Vermächtnis Karl Heussis (1877–1961). Gedenkvorlesung vor der Sektion Theologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, in: Mosaiksteine. 22 Beiträge zur thüringischen Kirchengeschichte. FS Herbert von Hintzenstern, TKS 4, Berlin 1981, 19–43.
11) Bemerkenswerterweise bei Heussi die einzige Epoche ohne Jahreszahlen.
12) Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, 16. Aufl., unveränderter Nachdruck der dreizehnten, durch einen Literaturnachtrag ergänzten Aufl., Tübingen 1981, V–X (Inhaltsübersicht). Heussi begründet seine Gliederung im Kompendium a. a. O., 5: »Die moderne Geschichtstheorie hat die Dreiteilung und den Begriff des Mittelalters stark bestritten. Wählt man als Einteilungsprinzip die großen kulturgeschichtlichen Zusammenhänge, so ergeben sich in der Tat nur zwei und nicht drei Hauptteile: I. Die Kirche vorwiegend in der hellenistisch-römischen, II. die Kirche vorwiegend in der germanisch-romanischen Welt. Wählt man zum Teilungsprinzip den konfessionellen Gegensatz, so entstehen wiederum nicht drei, sondern zwei Hauptperioden, getrennt durch das Jahr 1517. Die Dreiteilung entsteht nur, wenn man unter der Hand das Einteilungsprinzip vertauscht, also durch einen logischen Fehler. Es gibt also kein Mittelalter, sofern dies der zweite von drei gleich geordneten, durch logische Partition des Ganzen gewonnenen Teilen sein soll. Als Monographie ist das sog. Mittelalter natürlich denkbar (= das katholische Jahrtausend der germanisch-romanischen Welt, c. 500–1517). In der vorliegenden Darstellung ist die Dreiteilung seit der 5. Auflage aufgegeben«. Eine in der DDR als Manuskript gedruckte Fortsetzung des Kompendiums (Gert Wendelborn, Kompendium für Neuere und Neueste Kirchengeschichte 1958–1969, Rostock/Berlin 1988) greift die Gliederung von Heussi nicht mehr auf.
13) In einer Rezension der Kritik von Belows (s. o. Sp. 289 f. Anm. 4): ThLZ 52, 1927, (50–52) 51 f. Zum Thema vgl. auch Harald Zimmermann, Das Problem des Mittelalters in der Kirchengeschichtsschreibung des deutschen Protestantismus, in: Geschichtswirklichkeit und Glaubensbewährung. Festschrift für Bischof Friedrich Müller, hg. von Franklin Clark Fry, Stuttgart 1967, 108–129.
14) Michael Werner/Bénédicte Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, Geschichte und Gesellschaft 28, 2002, 607–636.
15) Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, hg. v. Sebastian Conrad und Shalini Randeria, 2., erw. Aufl., Frankfurt a. M. 2013.
16) Thomas Kaufmann, Globalisierung in christentumsgeschichtlicher Perspektive – kommentierende Bemerkungen aus kirchengeschichtlicher und fachpolitischer Sicht, in: Etappen der Globalisierung in christentumsgeschichtlicher Perspektive, hg. v. Klaus Koschorke, Studien zur Außereuropäischen Christentumsgeschichte 19, Wiesbaden 2021, 361–371 sowie Stanislau Paulau, Europäische Christentumsgeschichte postkolonial? Anmerkungen zu einem umstrittenen Diskurs, Cursor_Zeitschrift für explorative Theologie Mai 2021, https://cursor.pubpub.org/pub/christentumsgeschichte-postkolonial (zuletzt aufgerufen am 31.12.2022).
17) Johan Hendrik Jacob van der Pot, Sinndeutung und Periodisierung der Geschichte. Eine systematische Übersicht der Theorien und Auffassungen, Leiden 1999, 63.
18) Karl Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte [1949], hg. v. Kurt Salamun, Karl Jaspers Gesamtausgabe I/10, Basel 2017; zur Kritik Jan Assmann, Achsenzeit. Eine Archäologie der Moderne, München 2018. Anders Hans Joas, Was ist die Achsenzeit? Eine wissenschaftliche Debatte als Diskurs über Transzendenz, Jacob Burckhardt-Gespräche auf Castelen 29, Basel 2014 und noch einmal anders Björn Wittrock, The Axial Age in Global History. Cultural Crystallizations and Societal Transformations, in: The Axial Age and Its Consequences, ed. by Robert N. Bellah and Hans Joas, Cambridge/MS and London 2012, 102–125. – Joas hat sich entsprechend kritisch auf Assmann bezogen, vgl. seine Rezension in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 1.3.2019 (im Internet zugänglich unter: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/jan-assmanns-buch-achsenzeit-eine-archaeologie-der-moderne-16053418-p2.html [letzter Zugriff am 31.12.2022]).
19) Diese sprachlichen Unterschiede wurden mir schlagartig deutlich, als im Jahre 1999 sich in Jerusalem ein in Deutschland ausgebildeter Archäologe bei einem Sommerfest des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes seinen Gästen vorstellte und dabei ausführte, er habe »Old History« studiert.
20) Vgl. dazu beispielsweise die berühmte, heute in Berlin im Pergamonmuseum aufbewahrte »Kalenderinschrift von Priene«: OGIS 458 = Inschriften von Priene Nr. 105, S. 80 f. – Bridget Buxton/Robert Hannah, OGIS 458, the Augustan Calendar, and the Sucession, in: Studies in Latin Literature and Roman History XII, ed. by Carl Deroux, Collection Latomus 287, Brüssel 2005, 290–306.
21) Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022, hier zitiert nach: Olaf Scholz, Reden zur Zeitenwende, Berlin 2022, 7 (im Internet zugänglich unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/ 992814/2131062/78d39dda6647d7f835bbe76713d30c31/bundeskanzler-olaf-scholz-reden-zur-zeitenwende-download-bpa-data.pdf?download=1 [letzter Zugriff am 31.12.2022]). Die im Zusammenhang des »Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache«, eines Akademienvorhabens der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, angebotenen Wortstatistiken zeigen für den Begriff »Zeitenwende«, dass der Begriff ab 2018 deutlich häufiger in den Referenztexten des Corpus verwendet wird: https://www.dwds.de/wb/Zeitenwende (letzter Zugriff am 31.12.2022).
23) Scholz, Reden zur Zeitenwende, Berlin 2022, 8. Vgl. auch S. 17: »Die Zeitenwende trifft nicht nur unser Land; sie trifft ganz Europa«.
23) Vgl. Martin Sabrow, Zäsuren in der Zeitgeschichte (Version 1.0 vom 3.6. 2014), in: Docupedia-Zeitgeschichte. Begriffe, Methoden und Debatten der zeithistorischen Forschung, im Internet zugänglich unter: http://docupedia.de/zg/Zaesuren (letzter Zugriff am 31.12.2022).
24) Stefan Jordan, Art. Epoche, in: Staatslexikon8 online (Stand vom 8.6.2022), im Internet zugänglich unter: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Epoche (letzter Zugriff am 31.12.2022).
25) Vgl. dafür allgemein: Arndt Brendecke, Die Jahrhundertwenden. Eine Geschichte ihrer Wahrnehmung und Wirkung, Frankfurt a. M./New York 1999.
26) Für eine solche Diagnose im hier behandelten Fall spricht, dass das Wort »Zeitenwende« von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) als »Wort des Jahres 2022« ausgewählt wurde: https://gfds.de/wort-des-jahres-2022/ (letzter Zugriff am 31.12.2022).
27) Entsprechende Äußerungen lassen sich für die Monate März bis Dezember 2022 mühelos belegen, hier nur zwei Nachweise: Der Potsdamer Historiker Sönke Neitzel erklärte in der Nachrichtensendung »Heute Journal« vom 11.12.2022: »Ich glaube, wir sind gerade dabei, die Zeitenwende mit Karacho gegen die Wand zu fahren« (im Internet zugänglich unter: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/zeitenwende-bundeswehr-neitzel-ukraine-krieg-russland-100.html [letzter Zugriff am 31.12.2022]); der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer, Friedensbeauftragter des Rates der EKD, sah im März 2022 dezidiert »keine Zeitenwende«: https://www.evangelisch.de/inhalte/198344/11-03-2022/kramer-sieht-keine-zeitenwende (letzter Zugriff am 31.12.2022). – Man könnte hier auch Beobachtungen im Umgang mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 anschließen, die zunächst auch vielfach als dramatische Zeitenwende empfunden wurden; eine Diagnose, die sich später relativierte.
28) Paul J. Crutzen/Eugene F. Stoermer, The »Anthropocene«, International Geosphere-Biosphere Programme Global Change Newsletter 41, Mai 2000, 17 f. (im Internet zugänglich unter http://www.igbp.net/download/18.316f1832 1323470177580001401/1376383088452/NL41.pdf; letzter Zugriff am 31.12.2022).
29) Vgl. z.B. Bernd Scherer/Jürgen Renn, Das Anthropozän. Zum Stand der Dinge, Berlin 2015; Anthropozän – Klimawandel – Biodiversität. Transdisziplinäre Perspektiven auf das gewandelte Verhältnis von Mensch und Natur, hg. v. Stascha Rohmer u. Georg Toepfer, Freiburg/München 2021.
30) https://stratigraphy.org/timescale/ (letzter Zugriff am 31.12.2022). Die Rezeption des 1833 erstmals vorgeschlagenen Begriffs Holozän brauchte bis 1885, wie Crutzen/Stoermer, The »Anthropocene«, 17 einleitend feststellen.
31) Vgl. die entsprechenden Angaben auf der Homepage des Instituts: https://www.shh.mpg.de/ (letzter Zugriff am 31.12.2022).
32) Picht, Die Ganzheit der Epoche, 373.
33) Wilfried Barner, Zum Problem der Epochenillusion, in: Epochenschwelle und Epochenbewußtsein, (517–529) 527.
34) Thomas L. Gertzen, Aber die Zeit fürchtet die Pyramiden. Die Wissenschaften vom Alten Orient und die zeitliche Dimension von Kulturgeschichte, Chronoi. Zeit, Zeitempfinden, Zeitordnungen 4, Berlin/Boston 2022, 13–47.
35) Le Goff, Geschichte ohne Epochen?, 115. Auf den S. 149–156 unterzieht Le Goff die klassischen Argumente für einen geistes- und ideengeschichtlichen Bruch am Anfang des 16. Jahrhunderts einer Inspektion; diese Thematik können wir hier nicht vertiefen.
36) Thomas Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab. Das Erbe der Antike und der Orient, München 22019.
37) Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab, 11–31.
38) A. a. O., 15.
39) A. a. O., 14.23.
40) So schon Ignaz Goldziher, Die Richtungen der islamischen Koranauslegung. An der Universität Upsala gehaltene Olaus-Petri-Vorlesungen, Veröffentlichungen der »De Goeje-Stiftung« 6, Leiden 1920, 315 f. (Goldziher sieht allerdings keine traditionsgeschichtlichen Kontinuitätslinien; zur Muʿtazila – »die sich Absetzenden« – vgl. vor allem Editionen und Beiträge von Sabine Schmidtke, vgl. z. B. zur Einführung A Common Rationality. Muʿtazilism in Islam and Judaism, ed. by Camilla Adang, Sabine Schmidtke, and David Sklare, Istanbuler Texte und Studien 15, Würzburg 2007. Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab, 41 sieht die Bewegung offenbar kritischer: »Die Lehre der Muʿtazila, bei der die Gerechtigkeit Gottes im Zentrum stand und die deshalb für den schweren Sünder ewige jenseitige Strafen vorsah, hatte sich nicht durchsetzen können«.
41) Bei Bauer durch eine Gegenüberstellung der Periodisierungsschemata für »Europa« und die »Islamische Welt« deutlich gemacht: ders., Warum es kein islamisches Mittelalter gab, 27.
42) Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab, 75 (das »Alphabet« zum Zweck des Vergleichs von Orient und Okzident a. a. O., 33–77). Man muss sich allerdings klarmachen, dass Bauer in Absetzung von der Idee einer »Transformation der Antike« im Mittelalter stärker der Akzentuierung eines Zivilisationsbruchs in den Monographien von Peter Heather (ders., Der Untergang des römischen Reiches, Stuttgart 2007 = The Fall of the Roman Empire, London 2005, aus dem Engl. v. Klaus Kochmann) und Brian Ward-Perkins (ders., Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation. Darmstadt 2007 = The Fall of Rome and the End of Civilization, Oxford 2005, aus dem Engl. v. Nina Valenzuela Montenegro) folgt. Vermutlich müsste man das kleineAbecedarium doch noch anders akzentuieren, wenn man auch für den Westen desImperium mit Transformation rechnet: H. Böhme, Einladung zur Transformation, in: Transformation. Ein Konzept zur Erforschung kulturellen Wandels, hg. v. Hartmut Böhme, Lutz Bergemann, Martin Dönike, Albert Schirrmeister, Georg Toepfer, Marco Walter u. Julia Weitbrecht, München 2011, 7–37.
43) Angelika Neuwirth, Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang, Frankfurt a. M. 2010; dies., Koranforschung, eine politische Philologie?: Bibel, Koran und Islamentstehung im Spiegel spätantiker Textpolitik und moderner Philologie, Litterae et Theologia. Publikationen des Frey-Grynaeischen Instituts in Basel 4, Berlin/Boston 2014; dies., Wie entsteht eine Schrift in der Forschung und in der Geschichte? Die Hebräische Bibel und der Koran, Lucas-Preis 2015, Übersetzungen v. Paul Silas Peterson, hg. v. Jürgen Kampmann, Tübingen 2017. – Ausführlicher: Christoph Markschies, Laudatio für Angelika Neuwirth zur Verleihung des Theologischen Preises [der Salzburger Hochschulwochen 2015], in: Prekäre Humanität, im Auftrag des Direktoriums der Salzburger Hochschulwochen als Jahrbuch hg. v. Gregor Maria Hoff, Innsbruck/Wien 2016, 179–194.
44) Corpus Coranicum, vgl. insbesondere den Kommentar: Die Suren in ihrer historischen Reihenfolge und thematischen Entwicklung: https://corpuscoranicum.de/de/commentary sowie die Texte aus der Umwelt des Korans: https://corpuscoranicum.de/de/verse-navigator/sura/32/verse/10/intertexts (letzter Zugriff am 31.12.2022).
45) Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab, 97 und 95. Die doppelte Kontinuität illustriert Bauer anhand der Münzprägungen a. a. O., 97 f. – Auch für die Christentumsgeschichte kann man, ohne dass dies hier ausführlich nachgezeichnet werden kann, durchaus von einem »Verschwindenlassen Persiens« und einer »Iran-Vermeidungsstrategie« sprechen. Allerdings gibt es Ausnahmen, ich nenne hier nur zwei:Erik Peterson (1890–1960) war ein profunder Kenner der Christentumsgeschichte Persiens, hat aber seine Kenntnisse vor allem in italienischen Lexikonartikeln entfaltet; meine akademische LehrerinLuise Abramowski (1928–2014) hat ihre stupenden Kenntnisse der christologischen Entwicklungen in diesem Raum in einem posthum veröffentlichten Band dargelegt: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 2/5 v. Luise Abramowski†, hg., bearb. u. mit weiteren Kapiteln ergänzt v. Theresia Hainthaler, Freiburg i. Br. u. a. 2022. Ich hoffe, auf diese Zusammenhänge einmal ausführlicher an anderer Stelle zurückkommen zu können.
46) Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab, 107–110.
47) Garth Fowden, Before and after Muḥammad: The First Millennium Refocused, Princeton 2014. – Vgl. die Rezension von Stefan Rebenich, Spengler redivivus? Garth Fowden’s First Millennium, Millennium 13, 2016, 53–56.
48) Dazu ausführlich Rebenich in seiner Rezension (vgl. vorherige Anmerkung). Vgl. auch die Konzeption einer islamischen Spätantike bei Thomas Sizgorich, Narrative and Community in Islamic Late Antiquity, Past & Present 185, 2004, 9–42.
49) Michael Borgolte, Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends, München 2022.
50) Borgolte verweist a. a. O., 14 in Anm. 15 auf Ignacio Sánchez, Art. Periodisierungen, 4.3 Muslime, Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften, Bd. 1 Grundlagen, Berlin/Boston 2014, 275–295.
51) Borgolte, Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends, 15.
52) A. a. O., 16.
53) A. a. O., 16.
54) A. a. O., 18: Vat. Lat. 3328, fol. 13v, s. X/XI (oft »t/o-map« genannt, eher s. XII; im Internet ist die wohl aus Frankreich stammende Handschrift zugänglich unter https://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.3328 [letzter Zugriff am 31.12.2022]). Die Karte steht zwischen zwei Sallust-Texten,De coniuratione Catilinae, fol. 1r–13r, undBellum Iugurthinum, fol. 14r–37r, ohne Zusammenhang zu den Texten.
55) Arnold Angenendt, Der eine Adam und die vielen Stammväter. Idee und Wirklichkeit der »Origo gentis« im Mittelalter, in: Herkunft und Ursprung. Historische und mythische Formen der Legitimation, Akten des Gerda-Henkel-Kolloquiums, veranstaltet vom Forschungsinstitut für Mittelalter und Renaissance der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vom 13. bis 15. Oktober 1991, hg. v. Peter Wunderli, Sigmaringen 1994, 27–52, insbes. 34–39.
56) Ausführlicher: Michael Borgolte, Europäische und globale Geschichte des Mittelalters. Erfahrungen und Perspektiven, Francia 43, 2016, 285–303, bes. 296 f.; ders., Sprechen wir doch einfach vom eufrasischen Zeitalter. Hat sich das Mittelalter erledigt? Eine Erwiderung auf den Historiker Thomas Bauer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.08.2018, 11.
57) Dorothea Weltecke, Minderheiten und Mehrheiten. Erkundungen religiöser Komplexität im mittelalterlichen Afro-Eurasien, Das mittelalterliche Jahrtausend 6, Berlin/Boston 2020; Borgolte weist a. a. O., 31 Anm. 69 (auf S. 880) selbst auf Weltecke hin. Sowohl die Veröffentlichung von Thomas Bauer (Warum es kein islamisches Mittelalter gab) als auch von Dorothea Weltecke gehen auf Vorlesungen an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zurück.
58) Borgolte, Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends, 34–74 (und dazu »Die Fremde der europäisch-afrikanisch-asiatischen Ökumene«, a. a. O., 75 f.).
59) So Borgolte a. a. O., 16 Anm. 19 (auf S. 878) mit Johann Gustav Droysen, Historik. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. 1 Rekonstruktion der ersten vollständigen Fassung der Vorlesungen (1857). Grundriß der Historik in der ersten handschriftlichen (1857/1858) und in der letzten gedruckten Fassung (1882), Stuttgart-Bad Cannstatt 1977, 446.
60) Das wird beispielsweise deutlich, wenn die Aussage, dass »der jüdische Historiker Josephus … um 100 u. Z. die drei Gruppen der Pharisäer, der Sadduzäer und der Essener voneinander« unterschieden habe (a. a. O., 379), in Anm. 1206 auf S. 928 mit drei knappen Lexikonartikeln aus der ersten Auflage von »The Oxford Dictionary of the Jewish Religion« (ed. by R. J. Zwi Werblowsky and Geoffrey Wigoder, Oxford 1997) belegt werden.
61) Borgolte, Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends, 375–422 (Judentum). 422–553 (Christentum). 554–563 (Manichäismus). 564–585 (Islam). Der Abschnitt schließt mit einem Passus »Christen und Muslime des Mittelalters als Pioniere der Globalisierung« (585–592).
62) Allerdings spricht Borgolte trotz entsprechender terminologischer Klarstellungen (a. a. O., 429 und 457) immer wieder einmal von »Nestorianern« (teilweise auch in Anführungsstrichen) und »Monophysiten«; hier sollte in einer neuen Auflage die Terminologie durchgängig an den gegenwärtigen Stand angepasst werden, der zugleich auch auf die Selbstbezeichnungen dieser Kirchen Rücksicht nimmt.
63) Beispielsweise Catherine Holmes/Naomi Standon, Introduction: Towards a Global Middle Ages, in: The Global Middle Ages, ed. by Holmes and Standon, Past & Present 238, Oxford 2018, 1–44; A Companion to the Global Early Middle Ages, ed. by Erik Hermans, Leeds 2020 sowie Geraldine Heng, The Global Middle Ages. An Introduction, Cambridge 2021.
64) Borgolte, Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends, 591.
65) Bernhard Jussen, Wer falsch spricht, denkt falsch. Warum Antike, Mittelalter und Neuzeit in die Wissenschaftsgeschichte gehören, in: Spekulative Theo-rien, Kontroversen, Paradigmenwechsel. Streitgespräch in der Wissenschaftlichen Sitzung der Versammlung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 25. November 2016, Debatte 17, Berlin 2017, 38–45 (im Internet zugänglich unter: https://edoc.bbaw.de/frontdoor/index/index/docId/2678 [letzter Zugriff am 31.12.2022]).
66) Diskussion zum Vortrag, in: Spekulative Theorien, Kontroversen, Paradigmenwechsel, (46–52) 46.
67) Ebd.
68) Jussen, Wer falsch spricht, denkt falsch. Warum Antike, Mittelalter und Neuzeit in die Wissenschaftsgeschichte gehören, 38. Der Berliner Beitrag ist eine kurze Zusammenfassung von Gedanken, die Jussen ausführlicher formuliert hat in: Ders., Richtig denken im falschen Rahmen? Warum das »Mittelalter« nicht in den Lehrplan gehört, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 67, 2016, 558–576 sowie ders., »Abendland« – »Lateineuropa« – »Provincializing Eur- ope«. Bemerkungen zum poströmischen Europa zwischen alten und neuen Deutungsmustern, in: Pluralistische Identität. Beobachtungen zu Herkunft und Zukunft Europas, hg. v. Dirk Ansorge, Darmstadt 2016, 24–34. Natürlich ist eine einschlägige Kritik des Begriffs Mittelalter immer wieder vorgebracht worden, vgl. nur Klaus Arnold, Das »finstere« Mittelalter. Zur Genese und Phänomenologie eines Fehlurteils, Saeculum 32, 1981, 287–300.
69) Jussen, Wer falsch spricht, denkt falsch. Warum Antike, Mittelalter und Neuzeit in die Wissenschaftsgeschichte gehören, 39.
70) Jussen expliziert das (a. a. O.) am Beispiel der Darstellung Ottos III. im Liuthar-Evangeliar, um 1000 n. Chr., Aachen, Domschatzkammer, Inv. nr. 25, fol. 15v–16r, als Abb. 1 bei Jussen, a. a. O., 42.
71) Nachweise bei Jussen, Wer falsch spricht, denkt falsch. Warum Antike, Mittelalter und Neuzeit in die Wissenschaftsgeschichte gehören, 43–45.
72) Rudolf Leonhard, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Bd. 4 Der Weg und das Ziel. Prosaschriften, mit einem Vorwort hg. v. Maximilian Scheer, Berlin (DDR) 1970, 330–337.
73) An dieser Stelle wäre eigentlich ausführlicher über die Epochenkonzeption »Alteuropa« zu diskutieren, für die beispielsweise mein Berliner His-toriker-Kollege Heinz Schilling votiert hat: Alteuropa – Vormoderne – Neue Zeit. Epochen und Dynamiken der europäischen Geschichte (1200–1800), hg. v. Christian Jaser, Ute Lotz-Heumann u. Matthias Pohlig, Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 46, Berlin 2012.
74) Ich verzichte an dieser Stelle darauf, ausführlich zu dokumentieren, wer schon sehr früh im Fach auf diese Thematik in welchen Veröffentlichungen hingewiesen hat – erst 2004 wurde das verdienstvolle Werk der »Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen« durch einen sechsten Band ergänzt: Außer- europäische Christentumsgeschichte (Asien, Afrika, Lateinamerika) 1450–1990, hg. v. Klaus Koschorke, Frieder Ludwig u. Mariano Delgado, unter Mitwirkung v. Roland Spliesgart, 2., durchg. Aufl., Neukirchen-Vluyn 2006. Eine frühe mediävistische Stimme aus dem Bereich der evangelischen Theologie war Ulrich Köpf, A European View of the Problems of Dividing Church History into Periods. The Inclusion of the »Third World« in the Presentation of the History of the Church, in: Towards a History of the Church in the Third World. Papers and Report of a Consultation on the Issue of Periodisation, convened by the Working Commission on Church History of the Ecumenical Association of Third World Theologians (Juli 17–21, 1983, Geneva), ed. by Lukas Vischer, Evangelische Arbeitsstelle Ökumene Schweiz. Veröffentlichung 3, Bern 1985, 87–109.
75) Zur Terminologie s. o. Sp. 290 f. mit Anm. 7.
76) Vgl. dazu aber die ökumenischen Gespräche des zwanzigsten Jahrhunderts, die vor allem die Wiener Stiftung »Pro Oriente« seit 1971 begonnen hat und die »International Joint Commission for the Theological Dialogue between the Catholic Church and the Oriental Orthodoxy« fortsetzt, insbesondere: Documents on Unity in Faith between the Oriental-Orthodox Church and the Roman Catholic Church, ed. by Peter Hofrichter u. Johann Marte, Pro Oriente 36, Innsbruck/Wien 2013 sowie die Zusammenstellung auf https://ecumenism.net/docu/orthodox-romancatholic.php (letzter Zugriff am 31.12.2022) und die Überblicke bei Dorothea Wendebourg, Chalkedon in der ökumenischen Diskussion, ZThK 92, 1995, 207–237 und Geevarghese Chediath, Syriac Churches in Dialogue, The Harp 11/12, 1998/1999, 87–98.
77) David Bundy, Jacob Baradaeus. The state of research. A review of sources and a new approach, Le Muséon 91, 1978, 45–86; Theresia Hainthaler (mit Alois Grillmeier), Die hierarchische Spaltung des antiochenischen Patriarchats, in: Alois Grillmeier†, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 2/3 Die Kirchen von Jerusalem und Antiochien nach 451 bis 600, mit Beiträgen von Alois Grillmeier, Theresia Hainthaler, Tanios Bou Mansour, Luise Abramowski hg. v. Theresia Hainthaler, Freiburg u. a. 2002, 192–203, insbes. 197–203.
78) Die verborgene Perle. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche und ihr antikes aramäisches Erbe, hg. v. Sebastian Brock, David G. K. Taylor u. Witold Witakowski, produziert v. Giacomo Pezzali u. Riccardo Grassetti, aus dem Englischen übersetzt v. Alf Özen, Bd. 1 Das antike aramäische Erbe, Bd. 2 Die Empfänger des aramäischen Erbes, Bd. 3 An der Schwelle zum dritten Jahrtausend, Bd. 4 Audio und Video, Rom 2001; Martin Tamcke, Die Christen vom Tur Abdin. Hinführung zur Syrisch-Orthodoxen Kirche, Frankfurt a. M. 2009. – Vgl. auch die Homepage: https://syrisch-orthodox.org/ (letzter Zugriff am 31.12.2022).
79) Zu dieser Trias vgl. oben Sp. 291 f.
80) Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab, 81–87. – Bauer schlägt vor, in Analogie zum sprachwissenschaftlichen Begriff »Isoglosse« (Übergangslinie unterschiedlicher Wortformen) und dem »Isoglossenbündel«, das erst eine regelrechte Dialektgrenze markiert, den Begriff »Isoschem« zu verwenden, der die Grenze zwischen verschiedenen gesellschaftlichen, ideengeschichtlichen, kulturellen oder politischen Ausprägungen markieren soll. Ein »Isoschem« kann so beispielsweise »die Einführung des Papiers als Schreibmaterial (...) oder das Ende der Vorstellung, dass die Obrigkeit von Gott eingesetzt ist« sein (a. a. O., 88 f.). Auf der Grundlage der von ihm im Büchlein analysierten »Isoschemenbündel« grenzt Bauer eine »islamische Spätantike« so ab (a. a. O., 157; partiell Le Goff, Geschichte ohne Epochen, 115–156 und das Konzept vom »langen Mittelalter« aufgreifend): »Die romano-graeco-iranische Antike geht um 250 n. Chr. in eine Spätantike über, die um 1050 großräumig in eine neue Epoche eintritt, welche wiederum bis etwa 1750 andauert, wobei diese Grenzen natürlich mit einem Spielraum von mindestens fünfzig Jahren zu verstehen sind«.
81) Johannes Zachhuber, The Rise of Christian Theology and the End of Ancient Metaphysics. Patristic Philosophy from the Cappadocian Fathers to John of Damascus, Oxford 2020; vgl. zuvor beispielsweise: Severus of Antioch – His Life and Times, ed. by John D’Alton and Youhanna Youssef, Texts and Studies in Eastern Christianity 7, Leiden/Boston 2016.
82) Joseph Lebon, Le monophysisme sévérien. Étude historique, littéraire et théologique sur la résistance monophysite au concile de Chalcédoine jusqu’ à la constitution de l’église jacobite, Leuven 1909; ders., La christologie du monophysisme syrien, in: Das Konzil von Chalkedon. Geschichte und Gegenwart, hg. v. Alois Grillmeier u. Heinrich Bacht, Bd. 1 Der Glaube von Chalkedon, Würzburg 1951, 425–580.
83) Yonatan Moss, Saving Severus. How Severus of Antioch’s Writings Survived in Greek, Greek, Roman, and Byzantine Studies 56, 2016, 785–808.
84) Interessanterweise propagieren die Verantwortlichen für das erstmals 2013 unter dem Titel »Millennium« publizierte »Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr.« nicht die Epochentheorie eines »First Millennium«: Auf der Homepage der Zeitschrift findet sich nur ein knappes englisches Editorial für das Jahrbuch und die begleitende Monographien-Serie: »Millennium transcends boundaries – between epochs and regions, and between disciplines. LikeMillennium-Studien, the journalMillennium-Jahrbuch pursues an international, interdisciplinary approach that cuts across historical eras. Composed of scholars from various disciplines, the editorial and advisory boards welcome submissions from a range of fields, including history, literary studies, art history, theology, and philosophy.Millennium also accepts manuscripts on Latin, Greek, and Oriental cultures« (https://www.degruyter.com/journal/key/mjb/html?lang=de#editorial; letzter Zugriff am 31.12.2022).
85) Eine etwas breitere Übersicht zu den Lehrstuhl- bzw. Professur-Denominationen und damit verbundenen terminologischen Fragen bei Peter Gemeinhardt, Patristik – Historische Theologie – Christentumsgeschichte? Neuere Perspektiven evangelischer Geschichtsschreibung der Alten Kirche, ThQ 200, 2020, (110–134) 111–113. Zur Begriffsgeschichte auch Christoph Markschies, Art. Kirchengeschichte/Kirchengeschichtsschreibung. I. Begrifflichkeit und Voraussetzung, RGG4 Bd. 4, Tübingen 42001, Sp. (1170–1179) 1177; Wolfram Kinzig, Wie theologisch ist die »Historische Theologie«? Bemerkungen zur Geschichte eines Begriffs und seiner heutigen Bedeutung, in: Kirchengeschichte und Religionswissenschaft. Methoden und Fallstudien, hg. v. Klaus Fitschen, Wolfram Kinzig, Armin Kohnle u. Volker Leppin, AKThG 51, Leipzig 2018, 49–91 sowie Adolf Martin Ritter, Kirchengeschichte – was ist das? Ein Gespräch mit Wolfram Kinzig und Hartmut Leppin, in: Kirchengeschichte. Historisches Spezialgebiet und/oder theologische Disziplin, hg. v. Claudia Kampmann, Ulrich Volp, Martin Wallraff u. Julia Winnebeck, Theologie – Kultur – Hermeneutik 28, Leipzig 2020, (373–392) 378–385. – Die Verwendung der Bezeichnung »antikes Christentum« (beispielsweise auf der Homepage: www.antikes-christentum.de [letzter Zugriff am 31.12.2022]) habe ich nach 2010 vor allem deswegen forciert, weil die Ausdrücke »ältere Kirchengeschichte« und »Patristik« für ausländische Kolleginnen und Kollegen oft Implikationen über theologische Standorte und Forschungsrichtungen transportierten, die zu transportieren gar nicht in meinem Interesse lag.
86) Christoph Markschies, Arbeitsbuch Kirchengeschichte, UTB 1857, Tübingen 1995, 7–19. Ganz analog übrigens zuletzt auch Tobias Jammerthal, David Burkhart Janssen, Jonathan Reinert u. Susanne Schuster, Methodik der Kirchengeschichte. Ein Lehrbuch, UTB 5851, Tübingen 2022, 18–21.
87) Christoph Markschies, Art. Alte Kirche, RGG4 Bd. 1, Tübingen 41998, Sp. 344–360.
88) Dafür steht programmatisch das gemeinsam mit Hanns Christof Brennecke verfasste Editorial der »Zeitschrift für antikes Christentum« (ZAC 1, 1997, 3–9, bes. 8 f.). Diese Zeitschrift sollte den entsprechenden Teil der zeitweilig von Lietzmann herausgegebenen »Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche« (so seit Jahrgang 20, 1921, dem ersten von Lietzmann herausgegebenen Jahrgang, zuvor »und die Kunde des Urchris-tentums«) verselbständigen und erschien aber eben nicht unter dem Titel »Zeitschrift für die Kunde der älteren Kirche«. Der zweite Teil des Titels der ZNW ist seit Jahrgang 104, 2013, entfallen.
89) Vgl. die Nachweise oben Sp. 298 in Anm. 47. – Für eine Ausweitung der im Begriff »Spätantike« mitgedachten Dimensionen plädiert Peter Gemeinhardt, »Multiple Spätantiken«? Denkräume und Ungleichzeitigkeiten in der Geschichte des Christentums, in: Denkraum Spätantike. Reflexionen von Antiken im Umfeld des Koran, hg. von Nora Schmidt, Nora K. Schmid u. Angelika Neuwirth, Episteme in Bewegung. Beiträge zu einer transdiziplinären Wissensgeschichte 5, Wiesbaden 2016, 533–563. Eine parallele Ausweitung bei Pablo Ariel Blitstein, A Global History of the »Multiple Renaissances«, The Historical Journal 64, 2021, 162–184.
90) Peter Schadler, John of Damascus and Islam. Christian Heresiology and the Intellectual Background to Earliest Christian-Muslim Relations, The His-tory of Christian-Muslim Relations 34, Leiden/Boston 2018, 97–110 sowie Sidney Griffith, »Melkites«, »Jacobites« and the Christological Controversies in Arabic in Third/Ninth-Century Syria, in: Syrian Christians under Islam. The First Thousand Years, ed. by David Richard Thomas, Leiden/Boston 2001, (9–56) 19–22, vgl. auch insgesamt 19–38.
91) Ich verkürze den komplexen Befund des Verhältnisses der Viten und zitiere nur dieVita BHG 884 (zur Überlieferung dieser Rezension Albert Ehrhard, Überlieferung und Bestand der hagiographischen und homiletischen Literatur der griechischen Kirche von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, TU 52/2, Berlin 1952, 1025): PG 94, 449,24 f.: Ὁ δὲ τῶν Σαρακηνῶν ἀρχηγὸς τὸν Ἰωάννην εἰσκαλεσάμενος, προεχειρίζετο πρωτοσύμβουλον.
92) Albrecht Beutel, Vom Nutzen und Nachteil der Kirchengeschichte: Begriff und Funktion einer theologischen Kerndisziplin, ZThK 94, 1997, (84–110) 88 = ders., Protestantische Konkretionen. Studien zur Kirchengeschichte, Tübingen 1998, (1–27) 5.
93) Volker Leppin, Die Kirchengeschichte im Kreis der theologischen Fächer. Historische Offenlegung der vielfältigen Möglichkeiten christlicher Religion, in: Fremde unter einem Dach? Die theologischen Fächerkulturen in enzyklopädischer Perspektive, hg. v. Markus Buntfuß und Martin Fritz, TBT 163, Berlin/Boston 2014, 69–94.
94) Christoph Markschies, Kirchengeschichte Theologisch – einige vorläufige Bemerkungen, in: Eine Wissenschaft oder viele? Die Einheit evangelischer Theologie in der Sicht ihrer Disziplinen, hg. v. Ingolf Dalferth, ThLZ.F 17, Leipzig 2006, 47–75. – Jochen Schmidt, Standort, Perspektive und Haltung. Überlegungen zu einem Proprium der Kirchengeschichte als einer Disziplin theologischer Wissenschaft, in: Kirchengeschichte. Historisches Spezialgebiet und/oder theo- logische Disziplin, (393–408) 402 f. fragt, ob es sich um einen hypothetischen oder nicht-hypothetischen Rückgriff auf christliche Wirklichkeitsverständnisse handelt und hält (verständlicherweise) nur ersteren im Rahmen von Wissenschaft für legitim. Ein solcher hypothetischer Rückgriff vermag nach Schmidt aber nurbedingt das christliche Proprium zu sichern und bleibt damit für die Bestimmung des Propriums blass (a. a. O., 405). Wenn man sich aber klarmacht, dass derartige Leitkategorien innerhalb einer Wissenschaftsdisziplin schon nach Aristoteles immer Hypothesen bleiben, da sie als Axiome ihren Status in einer anderen Wissenschaftsdisziplin erhalten, wären, folgte man Schmidt, alle entsprechenden Leitkategorien nicht nur hypothetisch, sondern auch blass. Das ist eine reine Behauptung; vgl. dagegen (vor dem Hintergrund anderer Wissenschaftstheorien) auch Wolfhart Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt a. M. 1973, 329–348.
95) Es ist mir leider bisher noch nicht gelungen, die Bearbeitung meiner 2017 in Regensburg gehaltenen »Ratzinger-Vorlesungen« für die Veröffentlichung abzuschließen, in der ich dieses Konzept ausführlicher entfaltet habe und 2022 in Melbourne noch einmal präzisiert habe. Ich hoffe aber, dies bald tun zu können. Dort wird auch die entsprechende Literatur ausführlich behandelt; die bearbeiteten Vorlesungen sollen unter dem Titel »Christentumsgeschichte in christlicher Perspektive. Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft einer Form von Geschichtsschreibung« bald erscheinen. Einen längeren Abschnitt habe ich in der Festschrift zum 60. Geburtstag von Wolfram Kinzig veröffentlicht: Christoph Markschies, Die Troeltsch-Kriterien. Genese und Probleme einer scheinbar selbstverständlichen Beschreibung historiographischen Arbeitens, in: Kirchengeschichte. Historisches Spezialgebiet und/oder theologische Disziplin, 321–370.
96) Gemeint sind: die Theologizität des Faches, seine spezifische Stellung im Rahmen einer theologischen Ausbildung bzw. die Verantwortung theologischer Fakultäten für die Lehre der jeweiligen Kirche.
97) Ekkehard Mühlenberg, Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte. Ein Vorschlag, in: LOGOS. Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993, hg. v. Hanns Christof Brennecke, Ernst Ludwig Grasmück u. Christoph Markschies, BZNW 67, Berlin/New York 1993, (545–553) 545.
98) Mühlenberg, Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte. Ein Vorschlag, 545: »Ein evangelischer Kirchenhistoriker kann die Reformation nicht anders, denn als den einen Grund betrachten, von dem aus die Gestalt und das Selbstverständnis der mittelalterlichen Kirche kritisiert wurde. Geschah die Kritik zu Recht, so wird der Kirchenhistoriker sie nachvollziehen können. Sollte die reformatorische Kritik sich nur auf Verfall und Mißstände beziehen, dann – so dürfte der evangelische Kirchenhistoriker erwarten – wäre eine Verständigung über die Kritik damals leichter gewesen, als sie es tatsächlich war. Sollte sich aber die Kritik auf grundlegende Überzeugungen richten, dann wäre eine Epoche der Kirche mit ihren Erfahrungen von Scheitern, Hoffnungen und Zielen zu Ende gegangen. Es besteht also ein Wechselverhältnis zwischen Reformation und mittelalterlicher Kirche; in einer evangelischen Kirchengeschichte ist die Kirche des Mittelalters so gesehen, daß die Reformation überzeugend bleibt«. – Aus der Behauptung einer Tiefe von historischen Verständigungsproblemen wird hier zum einen auf die Tiefe eines normativen, metahistorischen Dissenses geschlossen und zum anderen aus der Tiefe der Kritik auf einen Epochenbruch. Zur Kritik schon Ulrich Köpf, Protestantismus und Mittelalter, PuN 21, 1995 [Festschrift für Johannes Wallmann zum 65. Geburtstag], (319–341) 334 = ders., Frömmigkeitsgeschichte und Theologiegeschichte. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 2022, (184–208) 201 und Gottfried Maron, Wer hat einen besseren Zugang zum Verständnis des Mittelalters: Katholiken oder Protestanten? Eine freundschaftliche Gegenrede auf eine allzu schnelle Antwort, in: Papsttum und Kirchenreform. Historische Beiträge. Festschrift für Georg Schwaiger zum 65. Geburtstag, hg. v. Manfred Weitlauff u. Karl Hausberger, St. Ottilien 1990, 263–280.
99) Gotthold Ephraim Lessing, Beweis des Geistes und der Kraft (1777): »Wenn keine historische Wahrheit demonstriert werden kann, so kann auch nichtsdurch historische Wahrheiten demonstriert werden. Das ist:zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden« (zitiert nach: Gotthold Ephraim Lessing Werke 1774–1778, hg. v. Arno Schilson, Werke und Briefe Bd. 8, Bibliothek deutscher Klassiker 45, Frankfurt a. M. 1989, 441). Aus der Fülle der Literatur jetzt besonders: Hannes Kerber, Die Aufklärung der Aufklärung. Lessing und die Herausforderung des Christentums, Göttingen 2021, 151–209.
100) Christoph Markschies, Dieeine Reformation und die vielen Reformen oder: Braucht evangelische Kirchengeschichtsschreibung Dekadenzmodelle?, ZKG 106, 1995, 18–45.
101) Dazu oben die Nachweise Sp. 291 mit Anm. 8.
102) Vgl. von Ranke, Über die Epochen der neueren Geschichte. Historisch-kritische Ausgabe, 59,13–60,6: »Ich aber behaupte: jede Epoche ist unmittelbar zu Gott, und ihr Wert beruht gar nicht auf dem, was aus ihr hervorgeht, sondern in ihrer Existenz selbst, in ihrem Eigenen selbst. Dadurch bekommt die Betrachtung der Historie, und zwar des individuellen Lebens in der Historie, einen ganz eigentümlichen Reiz, indem nun jede Epoche als etwas für sich Gültiges angesehen werden muß und der Betrachtung höchst würdig erscheint«.