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Ausgabe:

Dezember/2022

Spalte:

1231–1233

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schröder, Bernd [Hg.]

Titel/Untertitel:

Bildung.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. X, 246 S. = utb. Themen der Theologie, 14. Kart. EUR 19,90. ISBN 9783825257491.

Rezensent:

Friedrich Schweitzer

Dieser Band folgt der für diese Reihe bezeichnenden Gliederung: Nach einer Einführung des Herausgebers folgen sieben Teile, die jeweils auf eine der fünf theologischen Disziplinen vom Alten Testament bis zur Praktischen Theologie bezogen sind, erweitert durch ein Kapitel »Pädagogik« und ein Kapitel »Vergleichende Religionspädagogik: Judaistik – Islamwissenschaft – Buddhismus-Forschung«. Am Ende steht eine »Zusammenschau« des Herausgebers. Die Umfänge der Kapitel schwanken zwischen etwa 25 und 40 Seiten.

Laut Verlag behandelt die Reihe »Schlüsselthemen der Theologie und stellt mit wissenschaftlichem Anspruch die jeweiligen Themen in elementarer und verständlicher Weise dar.« Zielgruppe sind Studierende, aber auch Fachkollegen. Diese Zielsetzung bedingt es, dass weniger neue Erkenntnisse im Zentrum stehen sollen als vielmehr der Stand der Forschung, was durch die Beiträge des Bandes über weite Strecken auch eingelöst wird. Allerdings geht der beschränkte Umfang mitunter auf Kosten von Einblicken in kontroverse Debatten, was bei einem immer wieder kontroversen Begriff wie dem der Bildung bedauert werden kann.

Die Zugänge der theologischen Disziplinen fallen unterschiedlich aus und lassen erkennen, dass der in Erziehungswissenschaft und Religionspädagogik vorherrschende Bildungsdiskurs in der Breite der Theologie eher wenig rezipiert wird und sich möglicherweise in den historischen Fächern auch nicht wirklich rezipieren lässt, weil er zu eng mit Aufklärung und Moderne verbunden ist. So überschreibt der Herausgeber seine Einführung ganz zu Recht mit »Bildung – ein zu Unrecht vernachlässigtes Thema der Theologie« (1). Darauf bezogen ist die doppelte Zielsetzung des Buches: »Es will in den Binnenraum von Theologie und Kirche hinein auf den Stellenwert und die zum Teil unabgegoltenen Bedeutungshorizonte von Bildung verweisen und es will an die Adresse der (empirischen) Bildungswissenschaft gerichtet auf die Dignität religiöser Bildung und den kategorialen Rang von Religion für Bildung verweisen.« (14)

Wie schwer es ist, dieses Ziel zu erreichen, zeigt sich freilich schon bei dem alttestamentlichen Beitrag von Beate Ego, der sich auf den Begriff des »Lernens« sowie auf »Lernszenen in der Überlieferung der Hebräischen Bibel und der Septuaginta« konzentriert (19), aber nicht eigens auf ein Bildungsverständnis eingeht – abgesehen von Reflexionen zum Menschenbild, aus deren Weiterführung eine Brücke zur Bildungsdiskussion möglich wäre. Auch der neutestamentliche Beitrag von Tor Wegge bezieht sich immer wieder auf Lehren und Lernen, verweist aber deutlicher – auch im Blick auf die Umwelt des Neuen Testaments – auf damalige Bildungsdiskurse. Innovativ ist Wegges These, dass für die Frage nach Bildungsprozessen der »Analyse der pragmatischen Dimension von Texten eine entscheidende Bedeutung« zukomme, im Sinne der »Signale an die Leser, wohin der Text sie in Bezug auf Bildung leiten wollte« (45). Demnach haben die Texte auch selbst einen Bildungsanspruch (»was der Leser an Bildung braucht, um sich mit den aktuellen Texten auseinandersetzen zu können«) (46).

Stärker auf den Bildungsbegriff fokussiert ist die kirchengeschichtliche Darstellung von Peter Gemeinhardt, die »christentumsgeschichtliche Perspektiven« zu »Bildung – Theologie – Bildungsreligion« (65) bietet. In großen Etappen wird das Christentum in Spätantike, Mittelalter, Reformationszeit sowie Neuzeit in den Blick genommen, wobei die Darstellung bis zum Ende des 18. Jh.s reicht. Da Gemeinhardt von einer »sukzessiven Säkularisierung« des Bildungsbegriffs in der Neuzeit ausgeht (89), könnte der Eindruck entstehen, es gäbe im 19. und 20. Jh. nichts mehr Berichtenswertes zu Bildung und Christentum. Dies wird durch den systematisch-theologischen Beitrag (Dorothee Schlenke) zwar insofern etwas korrigiert, als sie, ausgehend von »reformatorischen Grundorientierungen« (107), einen starken Akzent auf Schleiermachers Bildungsbegriff legt, was zu interessanten Bestimmungen zu einem »protestantischen Bildungsverständnis« (118) führt, aber – vom systematisch-theologischen Schwerpunkt her verständlich – nicht zu einer Darstellung der »christlich-religiösen« Synthesen etwa im Herbartianismus des 19. oder der Reformpädagogik im ersten Drittel des 20. Jh.s. Auch der erziehungswissenschaftliche Beitrag (Volker Ladenthin) verfolgt mit seinem anthropologisch-bildungsphilosophischen Ansatz deutlich andere Interessen, mit einem Fokus u. a. auf dem pädagogischen Zusammenhang zwischen Bildung und Gottebenbildlichkeit. Der praktisch-theologische/religionspädago-gische Beitrag (Bernd Schröder) ist vor allem an systematischen Aspekten ausgerichtet. Dazu werden interessante normative Perspektiven entwickelt, etwa zu »Bildung als regulative Idee allen Handelns im Namen des Christentums« (171).

Besonders hervorzuheben ist der Beitrag zur »Vergleichenden Religionspädagogik« (Bernd Schröder), der Perspektiven aus Judaistik, Islamwissenschaften und Buddhismus-Forschung in den Blick nimmt. Vor allem der instruktive Abschnitt zum »deutschsprachigen Judentum« geht deutlich über das hinaus, was die religionspädagogische Literatur dazu sonst zu bieten hat. Der weit kürzer gehaltene Abschnitt zum Islam hingegen fällt zu knapp aus – auch angesichts gegenwärtiger Entwicklungen in der islamischen Theologie hätte man sich hier einen stärkeren Akzent vorstellen können.

Wie auch in der »Zusammenschau« herausgestellt wird, belegt der Band das insgesamt enge Verhältnis zwischen Bildung, Bildungsgeschichte und Christentum und unterstützt damit die These des Herausgebers: »christliche Religion ist bildungsfreundlich«, und sie ist eine »Bildungsreligion«, auch wenn sie dem nicht immer gerecht wird (234) und auch wenn das Thema Bildung bislang noch keineswegs von allen theologischen Disziplinen gleichermaßen bearbeitet wird (233).

Ohne Zweifel hat der Band also vieles zu bieten und wird damit der eingangs genannten Zielsetzung gerecht. Zwei Lücken bleiben allerdings zu konstatieren: Zum einen betrifft dies die schon genannte, für die Verbindung zwischen Christentum und Bildung besonders bedeutsame Zeit des 19. und 20. Jh.s und noch mehr die empirische Bildungsforschung, die in vielen Hinsichten doch zu wichtigen, gerade auch für die Bildungspraxis weiterführenden Erkenntnissen geführt hat.