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Ausgabe:

November/2022

Spalte:

1037–1038

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Stackert, Jeffrey

Titel/Untertitel:

Deuteronomy and the Pentateuch.

Verlag:

New Haven: Yale University Press 2022. XIII + 251 S. = The Anchor Yale Bible Reference Library. Geb. US$ 65,00. ISBN 9780300167511.

Rezensent:

Eckart Otto

Das Deuteronomium habe, so Jeffrey Stackert, oft als Angelpunkt für die Datierung biblischer Texte innerhalb und außerhalb des Pentateuchs gedient, ohne dass auch nur im Ansatz ein Forschungskonsens über die Datierung des Deuteronomiums selbst erzielt wäre, was auch für sein Verhältnis zu altorientalischer Literatur Assyriens gelte. Auf die seiner Meinung nach offene Forschungssituation will S. mit dieser Monographie anhand exegetischer Analysen paradigmatisch ausgewählter Texte des Deuteronomiums reagieren, um zu klären, wie und wann das Deuteronomium verfasst worden sei und seine vorliegende Gestalt erhalten habe. S. will also konsequent literatur-, nicht aber rechtshistorische Fragen zum Deuteronomium klären. Auch geht es S. nicht um eine kursorische Kommentierung des Deuteronomiums. Eher soll die vorgelegte Monographie der Vorarbeit zu einer solchen Aufgabe dienen. S. hebt gleich zu Beginn hervor, dass er diesen Klärungsprozess vom Standpunkt der »New Documentarians«, die eine Rückkehr zur Quellenscheidung des 19. Jh. in ihrer teilweise vor-Wellhausen-Gestalt von J, E, D und P zum Ziel haben, vornehmen wollen. Mit diesem Ausgangspunkt ist nicht nur die Zurückweisung neuerer Ansätze zur Rekonstruktion der Literaturgeschichte des Pentateuchs jenseits der Quellenscheidung im 19. und 20. Jh. verbunden, sondern, wie schon der Titel des Buches andeutet, auch die konsequente Abkehr von Versuchen, die auf M. Noth zurückgehen, die Literaturgeschichte des Deuteronomiums nicht als Teil des Pentateuchs, sondern als Teil eines Deuteronomistischen Geschichtswerkes oder einer deuteronomistischen Komposition von Dtn 1–2 bis Kön 25 zu begreifen. Tatsächlich sind heute die Versuche, die Literaturgeschichte des Deuteronomiums als Teil eines Deuteronomistischen Geschichtswerks zu rekonstruieren, als gescheitert zu bezeichnen. Insofern will S. mit der konsequenten Einordnung des Deuteronomiums in den Pentateuch dessen captivitas babylonica in einem Deuteronomistischen Geschichtswerk beenden, um das Deuteronomium als Teil des Pentateuchs zu interpretieren. Das ist eine entscheidende Weichenstellung und Stärke dieses Buches.

S. unterscheidet zwischen der Rolle des Deuteronomiums als Quelle D, die Dtn 1,1–32,47 umfasse, und dem Buch Deuteronomium, in dem in Dtn 32,48–34,12 die Quelle D durch andere Pentateuchquellen erweitert und in den Pentateuch integriert worden sei. Dabei unterscheidet S. zwischen einer kritischen Interpretation der Quelle D und ihrer harmonisierenden Interpretation als Scripture in der Rezeptionsgeschichte von D schon im Buch Deuteronomium, sodass alle synchrone Textinterpretation als unkritisch der Rezeptionsgeschichte von D zuzuweisen sei. So wird die Quellenhypothese zum Schlüssel der Literaturgeschichte des Deuteronomiums, insofern D eine Revision der Quelle E sei, die durch den assyrischen Einfall in Juda 701 v. Chr. notwendig wurde, was angesichts der Tatsache, dass viele Heiligtümer im Lande zerstört, der Tempel von Jerusalem aber gerettet wurde, Jerusalem als Zentralheiligtum prädestiniert habe, was in Dtn 12 als Schlüssel der Revision des elohistischen Bundesbuches vollzogen wurde. Dabei lehnt S. sowohl eine Hermeneutik der subversiven Rezeption des Bundesbuches, wie sie B.M. Levinson vertritt, ebenso wie auch einer Rezeption als Ergänzung, so J. Berman, zugunsten einer Hermeneutik der Wiederbelebung (resuscitation) ab, was nicht nur für die Revision der Quelle E in D insgesamt gelten soll, sondern auch für die des assyrischen Loyalitätseides des Asahaddon (EST), mit dessen Rezeption in Dtn 13 und 28 dem »Zeitgeist« im Deuteronomium Genüge getan worden sei.

Man wird der Datierung von D in das 7. Jh. aufgrund der Rezeption des assyrischen Loyalitätseides zustimmen wollen wie auch der These, dass die EST- Rezeption eine Schlüsselstellung in der Frage nach der Datierung von D als gegen die assyrische Königsideologie gerichtet hat. Weniger Zustimmung wird die These finden, dass die deuteronomischen Gesetze in Dtn 12–26 als rein literarische Produkte Funktion nur in der erzählten Zeit/Welt von D als der des Moses unter Ausblendung von Rechtsfunktionen in der Zeit/Welt der Adressaten von D haben sollen. Dem widerspricht, dass die Ereignisse des assyrischen Einfalls von 701 v. Chr. Anlass für die Revision des Bundesbuchs in D sein sollen und damit ein Geschehen nicht in der Welt des Moses als der der Quelle D, sondern ihrer Adressaten. Widerspruch wird S. insbesondere aber mit der These ernten, dass D eine Reformulierung aus Gründen der »Wiederbelebung« der Quelle E sein soll.

S. hat an anderer Stelle eingeräumt, dass er als »New Documentarian« mit der Quellenhypothese eine Minderheitsmeinung in der gegenwärtigen Pentateuchforschung vertritt (cf. ThLZ 146, 2021, 1186), während die Mehrheit der Exegeten, wie bereits durch W. Rudolph (BZAW 68, 1938) vor knapp einhundert Jahren vorgezeichnet, die Existenz eines Elohisten infrage stellt. Der Wechsel der Gottesnamen von JHWH zu Elohim im Buch Genesis ist nicht quellenkritisch zu erklären, sondern hermeneutisch zu interpretieren (siehe E. Otto, FS M Köckert, BZAW 400, 2009, 49–65) und wird von R. Achenbach (FS U. Rüterswörden, 2019, 1–21; cf. id., FS J.-L. Ska, FAT 101, 2015, 35–51) als Zeichen einer späten Textbearbeitung interpretiert. Schließlich wird die Beschränkung aller Versuche des Ausgleichs von Textspannungen im Pentateuch auf ein unkritisches Verständnis des Pentateuchs und des Buches Deuteronomium als Scripture Widerspruch ernten, da es schwerlich zu begründen ist, warum bei der Zusammenstellung der Quellen im Gegensatz zur Rezeptionsgeschichte des Pentateuchs kein Bemühen um einen schlüssigen Text in Anschlag gebracht werden soll. Zumindest räumt S. ein, dass bei der Quellenredaktion Gesichtspunkte der Chronologie beachtet wurden. Doch ist nicht einsichtig, warum dass, was für die Textrezeption gelten soll, für den Text selbst ausgeschlossen werden kann und also zwischen Scroll und Scripture in Bezug auf das Deuteronomium zu scheiden sei, was nur unter Voraussetzung der Quellenhypothese Sinn ergibt und also ein Zirkelschluss ist. Methodisch konsequenter ist es, damit zu rechnen, dass auf allen Stufen der Textentwicklung ein Bemühen im Spiel war, einen in sich stimmigen Text zu erzeugen, was im Prozess der Fortschreibungen nicht immer gelang. Die Literarkritik sollte allerdings erst dort ins Spiel kommen, wo alle anderen Mittel hermeneutischer Textinterpretationen versagen.

Die Studie hat diesen Einwänden zum Trotz das Zeug, ein Standardwerk der Deuteronomiumsliteratur für den akademischen Unterricht gerade im amerikanischen Kontext zu werden. Dazu trägt bei, dass S.. intensiv auch die nicht-angelsächsische Forschungsliteratur zum Deuteronomium rezipiert und stellenweise auch diskutiert hat, was gerade auch dort zur Geltung kommt, wo er nicht explizit auf sie Bezug nimmt.