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Ausgabe:

September/2022

Spalte:

793–795

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Fine, Steven [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Arch of Titus. From Jerusalem to Rome – and Back.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2021. XXVI, 196 S. m. Abb. Geb. EUR 110,00. ISBN 9789004447783.

Rezensent:

Achim Lichtenberger

Der Titus-Bogen in Rom ist eines der ikonischen Monumente Roms. (Die wichtigste archäologische Untersuchung zu dem Bauwerk bleibt M. Pfanner, Der Titusbogen, Mainz 1983.) Seine Reliefdekoration mit Darstellungen aus dem Triumphzug der Flavier nach der Zerstörung Jerusalems ist nicht nur ein wichtiges Zeugnis für römische Repräsentationskunst, sondern auch für antiquarische Untersuchungen jüdischer Kultgegenstände, da Menora, Schaubrottisch und Trompeten abgebildet sind. Der Titus-Bogen war zudem seit seiner Errichtung nach 81 n. Chr. jederzeit sichtbar, so dass er bis heute im Fokus einer lang zurückreichenden Rezeption steht.

Im Jahr 2012 hat Steven Fine von der Yeshiva University in New York ein Projekt initiiert, welches sich der digitalen Dokumentation und Untersuchung der Polychromie des Menora-Reliefs des Titus-Bogens widmete. Der anzuzeigende Band ist eine nachträgliche Begleitpublikation einer gleichnamigen Ausstellung 2017 in New York, bei der die Projektergebnisse vorgestellt wurden und die Rezeptionsgeschichte des Bogens aufgearbeitet wurde.

In einer knappen Einleitung (1–7) nimmt Fine ein Gedicht von Gisouè Carducci (1835–1907) als Ausgangspunkt, in dem der Dichter angesichts der monumentalen Größe Roms danach fragt, ob man Schmetterlinge unter dem Titus-Bogen suchen würde. Die Frage wurde populär und auch von Mussolini aufgenommen, so dass Fine sehr schön aufzeigen kann, wie der Titus-Bogen ein allseits beliebter Projektionsort war. Im folgenden Kapitel stellt Fine gemeinsam mit Donald H. Sanders und Peter J. M. Schertz die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts am Menora-Relief vor (8–31). Sie beginnen mit einer allgemeinen Einführung zur antiken Polychromie und präsentieren sodann den Nachweis von gelben Pigmenten an sechs Stellen der Menora. Angesichts der zahlreichen Restaurierungen und Reinigungen des Monuments ist dieser Befund bemerkenswert und verweist darauf, dass auch diese Friese polychrom gestaltet waren. Ausgehend davon stellt das Team eine vollständig polychrome Rekonstruktion des Reliefs vor. Die Autoren betonen, dass die Farbwahl bestenfalls auf Analogieschluss beruht, weshalb die farbige Rekonstruktion, bei der zudem Fehlstellen im Relief ergänzt wurden, als äußerst hypothetisch anzusehen ist. Der 3D-Scan des ganzen Frieses ermöglicht die Farbprojektion auf den Scan, so dass mit verschiedenen Versionen experimentiert werden kann und zukünftige Forschungsergebnisse berücksichtigt werden können. Die farbige Fassung des Frieses ist eindrücklich, doch gilt zu bedenken, dass die tatsächliche Evidenz im Einzelnen schwach ist.

Mit dem Titus-Bogen als Monument römischer Repräsentationsarchitektur befasst sich im Folgenden Ida Östenberg, die herausstellt, dass der Bogen in erster Linie die Apotheose des Titus feierte und nicht, wie immer wieder populär vermutet, ein Bogen war, der anlässlich des Triumphs über Judäa 71 n. Chr. errichtet wurde (32–41). Sodann diskutiert Samuele Rocca die Beschreibung des Triumphzugs durch Flavius Josephus und die Bogenreliefs (42–53).

Während das Bauwerk und sein historischer Kontext gut erforscht sind, betritt das Buch mit der multi-perspektivischen Behandlung der Rezeptionsgeschichte echtes Neuland. Der Beitrag von Galit Hasan-Rokem widmet sich rabbinischen Quellen und ihrem Umgang mit Kaiser Titus, der in der jüdischen Tradition als Zerstörer des Jerusalemer Tempels bekannt war (54–61). Marie-Thérèse Champagne betrachtet die christliche Aneignung des Bogens im Mittelalter, bei der die jüdischen Sakralgeräte eine besondere Rolle spielten, da mit ihnen gleichermaßen christliche Autorität und Überwindung des Judentums reklamiert werden konnte (62–73). William Stenhouse fokussiert sich in seinem Beitrag auf die frühneuzeitlichen Besucher des Bogens (74–93). Nun begann eine intensive antiquarische Auseinandersetzung mit den Reliefs und ein erster wissenschaftlicher Meilenstein war die Arbeit von Adriaan Reland (1676–1718), worauf spätere Wissenschaftler zurückgriffen. So auch Moses Mendelssohn (1729–1786), mit dem sich Fine im folgenden Kapitel auseinandersetzt (94–101). Mendelssohn polemisierte gegen die Menora-Darstellung auf dem Fries, da sie seiner Ansicht nach nicht mit den rabbinischen Quellen übereinstimmte. Offensichtlich nahm er Anstoß an der sechsseitigen abgetreppten Basis mit figürlichen Darstellungen, die dem jüdischen Bilderverbot zuwiderliefen. Fine kann in seinem Beitrag eindrücklich nachzeichnen, wie diese religiöse Kritik bis in die Gegenwart wirkt.

Von 1818 bis 1823 wurde der Titus-Bogen massiv restauriert und von seiner nachantiken Bebauung »befreit«. Marina Caffiero kontextualisiert diesen Vorgang in ihrem Beitrag und kann aufzeigen, dass dies nicht eine einfache antiquarische Restaurierungsmaßnahme war, sondern zu einer gleichermaßen antinapoleonischen wie auch antijüdischen Agenda Papst Pius VII. gehörte (102–111). Jacob Wisse widmet sich der Rezeption des Bogens in Werken europäischer und amerikanischer Künstler des 19. Jh.s und kann deren jeweilige Aneignung anschaulich aufbereiten (112–127). Die Aufstellung zweier nach den Reliefs des Bogens gestalteten Menorot in der Johanneskathedrale in New York 1930 ist Gegenstand eines Beitrags von Yitzchak Schwartz, der unterschiedliche Intentionen und Rezeptionen des jüdischen Stifters und der christlichen Kirchenmänner diskutiert (128–139).

Eindrücklich ist der Beitrag von Fine, der sich im Folgenden den jüdischen Besucherinnen und Besuchern der Moderne zuwendet (140–169). Populär wurden die römischen Soldaten, die die jüdischen Kultgegenstände im Triumphzug mitführten, als jüdische Gefangene verstanden und entsprechend in die visuelle Kultur aufgenommen. Der Bogen war zugleich ein Anziehungspunkt wie auch ein Ort, der gemieden wurde, und F. stellt virtuos die unterschiedlichsten Aspekte bis in die allerjüngste Gegenwart vor, die er auch noch in einem Postscript behandelt, in dem die Ikonographie des Titus-Bogens in der populären Verarbeitung der Coronapandemie in Israel behandelt wird (170–175). Es folgt eine Auflistung der in der Ausstellung 2017 gezeigten Objekte (178–191).

Auch wenn der Nachweis für Polychromie an dem Bogen nur minimal ist und nicht überrascht, so ist doch dem Herausgeber des Bandes zu danken, dass er das zum Anlass für eine übergreifende und reich bebilderte Betrachtung genommen hat. Der Sammelband wird so zu einem hochspannenden Beitrag zur Rezeptionsgeschichte des Titus-Bogens und er unterstreicht, wie sehr das Monument ein zentraler Ort globaler Kulturgeschichte ist.