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Ausgabe:

Juni/2022

Spalte:

579–580

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Cyrille d’Alexandrie

Titel/Untertitel:

Commentaire sur Jean. Tome I: Livre I. Texte grec, introduction, traduction, notes et index par B. Meunier.

Verlag:

Paris: Les Éditions du Cerf 2018. 634 S. = Sources chrétiennes, 600. Kart. EUR 59,00. ISBN 9782204131568.

Rezensent:

Heinrich Holze

Aus dem umfangreichen Œuvre des Cyrill von Alexandrien liegen in den Sources Chrétiennes (SC) bislang die apologetische Schrift »Gegen Julian« (SC 322, 582), drei Dialoge über Christologie und Trinität (SC 97, 231, 237, 246) sowie mehrere Osterfestbriefe (SC 372, 392, 434) vor. Mit dem vorliegenden Band eröffnen die SC die Herausgabe der exegetischen Schriften des Alexandriners. Den Einstieg bildet die Edition des Kommentars über das Johannesevangelium. Insgesamt sind nicht weniger als zwölf Bände geplant, was zeigt, dass dieser Kommentar trotz schwieriger Überlieferungslage weitgehend vollständig rekonstruiert werden kann. Der anzuzeigende erste Band enthält Cyrills Auslegung von Joh 1,1–28. Herausgeber ist Bernard Meunier, Leiter des Instituts der Sources Chrétiennes und Dozent an der Theologischen Fakultät Lyon. Meunier hat in seiner Pariser Dissertation (1997) eine Analyse der Christologie Cyrills vorgelegt sowie mehrere Beiträge zur altkirchlichen Dogmen- und Konzilsgeschichte veröffentlicht. In den SC hat er an der Edition der Osterfestbriefe mitgewirkt, verfügt also über wichtige Erfahrungen bei der Herausgabe der Schriften Cyrills. Der Johanneskommentar, für den bislang nur die Patrologia Graeca (Bd. 73/74) sowie der von Philip Edward Pusey erstellte Text (Oxford 1872, ND Bruxelles 1965) zur Verfügung standen, liegt in fünf Manuskripten vor. Sie bilden zwei Überlieferungslinien, deren älteste in das 12. Jh. zurückreicht, während die Manuskripte der jüngeren Linie zwischen dem 14. und 17. Jh. entstanden sind. Beide Linien lassen sich auf einen im 5. Jh. entstandenen gemeinsamen Urtext zurückführen. Für die vorliegende Ausgabe wurden außerdem die Katenenüberlieferung sowie Florilegiensammlungen, in denen Cyrills Johannesauslegung zitiert wird, herangezogen. Auf dieser breiten Quellengrundlage bietet Bernard Meunier verbunden mit einer gepflegten und kommentierten französischen Übersetzung zum ersten Mal eine kritische Edition dieses bedeutsamen Textes der biblischen Auslegungsgeschichte.
Der Johanneskommentar Cyrills ist eine der wichtigsten exegetischen Schriften über das vierte Evangelium in der christlichen Spätantike. Entstanden zwischen 424 und 428, also noch vor Ausbruch des nestorianischen Streites, erweist sich seine Bedeutung in den trinitarischen und christologischen Aussagen, die Cyrill weitgehend unpolemisch ausgehend vom biblischen Text entfaltet. Natürlich klingen auch die Konflikte mit theologischen Gegnern wie Arianern, Origenisten und Pneumatomachen an. Im Zentrum aber steht die aus dem Johannesevangelium gewonnene theologische Überzeugung, dass Vater, Sohn und Geist wesensgleich sind. Daraus entwickelt Cyrill den Gedanken, dass die Erlösung des Menschen in der Gegenwart Gottes in der Welt, die in der Fleischwerdung des Wortes Gestalt gewonnen hat, ihren Ursprung hat. In seiner Argumentation verwendet Cyrill häufig das Stilmittel des Syllogismus, was seine antike Bildung unterstreicht. Zudem zitiert er oft Quellen, darunter Schriften des Athanasius ebenso wie Texte des Eunomius. In Auseinandersetzung mit ihnen, aber vor allem am biblischen Text entwickelt er eine trinitätstheologische Sprache, die das Ringen um die christologische Auslegung des nizänischen Bekenntnisses im 5. Jh. prägen sollte. Der Johanneskommentar eröffnet daher spannende Einblicke in einen theologischen Klä rungsprozess. Er zeigt, dass hinter den kirchenpolitischen und persönlichen Kontroversen, die das Leben des alexandrinischen Patriarchen durchzogen haben, die Suche nach einem tieferen Verstehen des biblischen Textes und der christlichen Wahrheit steht.