Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2022

Spalte:

538–539

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lang, Bernhard

Titel/Untertitel:

Himmel, Hölle, Paradies. Jenseitswelten von der Antike bis heute.

Verlag:

München: C. H. Beck 2019. 128 S. m. 21. Abb. = C. H. Beck Wissen, 2900. Kart. EUR 9,95. ISBN 9783406742415.

Rezensent:

Kristin Skottki

Bei dem vorliegenden Büchlein handelt es sich um eine von Bernhard Lang völlig überarbeite Neuauflage des 2003 erstmals in der gleichen Reihe erschienenen Büchleins »Himmel, Hölle, Paradies. Jenseitswelten von der Antike bis heute«. Während die ältere Ausgabe offenbar sehr deutlich auf die Theologie des Christentums ausgerichtet war, bemüht sich die Neuausgabe durchaus erfolgreich um einen religionswissenschaftlichen, oder doch eher geis-tesgeschichtlichen systematischen Überblick, der zugleich – wie der Untertitel schon verrät – auch einem historisch-chronologischen Erzählmuster folgt.
Wie immer bei den kurzen Überblicksdarstellungen aus der Reihe C. H. Beck Wissen würden sich Expertinnen und Experten für die jeweils angesprochenen Themenkreise sicherlich an einigen Stellen mehr Differenziertheit und historische Kontextualisierung wünschen, doch dafür ist hier erwartungsgemäß kein Raum, weshalb man auf die Literaturliste am Ende des Büchleins verwiesen bleibt, die neben einschlägigen Quellentexten jeweils etwa ein Dutzend Titel weiterführende Forschungsliteratur pro Kapitel aufzählt (124–147). Dass etwas mehr Differenziertheit dennoch hin und wieder angebracht wäre, zeigt das Beispiel des panentheistischen Philosophen Charles Hartshorne (gest. 2000), dessen Position unter dem Stichwort Pantheismus diskutiert wird (109 f.) – den Hartshorne jedoch ablehnte.
Die ersten drei Kapitel zu Jenseitsvorstellungen in der griechisch-römischen Antike, im antiken Judentum und frühen Chris-tentum sowie im (»vormodernen«) Islam bieten einen schönen Überblick, insbesondere da der von L. für diesen Teil des Büchleins entworfene analytische Dreischritt »Mythos – Dogma – Kritik« sehr gut hilft, das Material zu gliedern und so die Komplexität des Themas in angemessener Art und Weise herunterzubrechen und auch einem »Laienpublikum« zugänglich zu machen.
Im Gegensatz zu den ersten drei Kapiteln findet in den beiden letzten Kapiteln des Büchleins eine nirgends explizit begründete Verengung der Darstellung auf das (lateinisch-westliche, europäische) Christentum und die modernen Naturwissenschaften statt. Implizit wird diese Verengung jedoch in der Einführung thematisiert, wenn L. als Anliegen formuliert, dass sein Werk »der Erinnerung an [das] Kulturgut [Jenseitswelten]« dienen solle (10).
So werden in Kapitel IV der Kirchenvater Augustinus (4./5. Jh. n. Chr.), der italienische Dichter Dante Alighieri (13./14. Jh.) und der schwedische Wissenschaftler Emanuel Swedenborg (17./18. Jh.) als Beispiele für eine historisch-chronologisch zunehmende Loslösung vom mythologischen Jenseits aufgeführt, die schließlich in Kapitel V in einer Diskussion von Naturalismus, Pantheismus und Existentialismus kulminieren.
Die letzten Abschnitte des Buches durchzieht dann ein wohl psychohistorisch inspirierter melancholischer Grundton, wenn L. das Festhalten an Jenseitsvorstellungen als emotional begründetes Festhalten an Fragmenten »eines alten Weltbildes« klassifiziert (123), und den »traditionalistisch orientierten Kirchen« attestiert, dass sie sich damit schwertäten, »den Tod des Menschen als endgültig zu akzeptieren und sich so von biblischen Mythen zu verabschieden« (122).
Offenbar hält L. eine durch und durch diesseitige, rationalis-tische und vollkommen entmythologisierte christliche Theologie für die einzige unserer Gegenwart angemessene Umgangsweise mit dem Jenseits, von der er meint, dass sie »unter gebildeten christlichen Laien große Zustimmung« finde (122). Als Kronzeugen dieser »Theologie ohne Jenseits« führt er in Kapitel V.3 Rudolf Bultmann, Gotthold Hasenhüttl und Karl Rahner an (110–115). Diese überkonfessionelle Trias von auf je eigene Weise sehr einflussreichen – aber auch durchaus umstrittenen – Theologen des 20. Jh.s kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den Christentümern des 21. Jh.s (und keinesfalls beschränkt auf die des globalen S üdens) eine solche Theologie wohl kaum mehrheitsfähig ist. Umso problematischer erscheinen daher geradezu normativ-dogmatische Aussagen L.s wie diese: »Himmel und Hölle, verstanden als jenseitige Orte und Zustände der menschlichen Seele, gehörten in biblischer Zeit zum Weltbild, heute haben sie keinen Anspruch mehr darauf, geglaubt zu werden. Wenn in der Bibel himmlischer Lohn verheißen und höllisches Feuer angedroht wird, sagt uns [sic!] das etwas über unser jetziges Leben, nicht über ein Leben nach dem Tod (über das nichts gewusst werden kann)« (111). Dass L. hier offenbar seine eigene theologische Positionierung zur allgemeingültigen Maxime erhebt, passt schlecht zum eigentlich geistesgeschichtlich-religionswissenschaftlich systematisierenden Anspruch des Büchleins.
Wer jedoch ohne besondere Vorkenntnisse einige prominente Jenseitsentwürfe aus unterschiedlichen historischen Kontexten und religiösen bzw. philosophischen Traditionen kennenlernen möchte, findet hier einen gut lesbaren und anschaulichen Einstieg.