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Ausgabe:

Juni/2021

Spalte:

565–567

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Euler, Walter Andreas [Hg.]

Titel/Untertitel:

Die Römischen Jahre des Nikolaus von Kues. Akten zum Jubiläumssymposion des Wissenschaftlichen Beirats der Cusanus-Gesellschaft in Kooperation mit dem Päpstlichen Institut Santa Maria dell’Anima aus Anlass des 550. Todestages von Nikolaus von Kues im Jahr 2014 in Rom. Hg. unter Mitarbeit v. A. Geissler.

Verlag:

Trier: Paulinus Verlag 2020. XXXV, 447 S m. 14 Abb. = Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, 35. Kart. EUR 54,90. ISBN 9783790215960.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Der Band enthält neben den Referaten des Jubiläumssymposions die Nachrufe auf die Cusanus-Forscher Karl Bormann, Mariano Álvarez Gomes, Erich Meuthen, Werner Beierwaltes und Hermann Schnarr, dazu vier Sonderbeiträge und drei Rezensionen. Register fehlen leider. Die Vorträge werden nach dem Alphabet der Autoren, nicht nach der Reihenfolge der drei Sessionen abgedruckt, was sehr zu bedauern ist, die Rezension folgt der Reihenfolge der Sessionen.
Eröffnet wurde das Symposion mit dem Vortrag von Arnold Esch über »Die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Italienern im 15. Jahrhundert« (119–139). Ihm geht es nicht um die Urteile und Vorurteile, die beide übereinander hatten, doch kommt er nicht wesentlich darüber hinaus. Während die Italiener wenig Kenntnis über Deutschland hatten, lebten zahlreiche Deutsche in Italien, vor allem in Rom. Nikolaus war der einzige deutsche Kardinal, der längere Zeit in Rom residierte (1458–1464). Er fiel durch seinen sparsamen Lebensstil auf; es »war der geistige und menschliche Rang, den die Italiener am ›deutschen Kardinal‹ wahrnahmen« (126).
In der Session »Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues – der historische Kontext« referierte Marco Brösch über »Das Testament des Nikolaus von Kues und seine römischen Stiftungen« (39–97). Nach dem Basler Konzils sollte das zu einem Trümmerhaufen verkommene Rom wieder zum Zentrum von Christentum und Papsttum werden (vgl. 215). Die renovatio blieb Aufgabe der Päpste und ihrer Kardinäle. Einige waren reich und konnten sich umfang-reiche Stiftungen leisten, dagegen waren Nikolaus’ Geldmittel so bescheiden, dass er auf Zuwendungen des Papstes angewiesen war. Doch hinterließ er in seinem Testament eine gewisse Summe, die auf mehrere Stiftungen verteilt werden konnte, so an seine Titularkirche S. Pietro in Vincoli, die seine Grabstätte wurde, aber auch an das St.-Nikolaus-Hospital in Kues, seinen »zentralen Gedenkort« (91), sowie an seine Familie und Bediensteten. Johannes Helmrath sprach über »Nikolaus von Kues in Rom« (141–181). Er weist auf Erinnerungsorte hin: auf seine Titularkirche und auf S. Maria dell’Anima, deren Bruderschaft er angehörte. In dieser Zeit schrieb er »schwergewichtige Traktate« und wurde als Kenner der Ge­schichte gerühmt. Zugleich wirkte er im Auftrag des Papstes ab 1458 als Reformer, Generalvikar in temporalibus und als legatus urbis. Thomas M. Izbicki behandelte »Nicolas of Cues and Monte Oliveto« (183–195), Andreas Rehberg »Stadt und Kommune Rom in der Zeit des Nikolaus von Kues (1424–1464)« (213–257). Er betont dabei die engen Verbindungen zu Pius II., Valla und Bessarion. Bei seinen Reformbemühungen griff er nicht auf die donatio Constantini zurück, das Fundament der Kirche war für ihn Gott allein. Joachim Stieber ging näher auf »Die Reformatio generalis des Nikolaus von Kues und die Reformdekrete des Konzils von Basel« (279–325) ein. Seine Schrift spiegelt die persönlichen Anliegen von Nikolaus wider. Er griff dabei auch Beschlüsse des Basler Konzils auf, so soll der Papst Vorbild einer imitatio Christi sein, zugleich betonte er aber die Autorität des Papstes. Obwohl Pius II. ihm den Auftrag zu dieser Schrift gegeben hatte, gab Pius seinem Kreuzzugsprojekt den Vorzug vor einer Kirchenreform.
In der 2. Session ging es um die cusanischen Spätschriften. Claudia D’Amico widmet sich De non aliud (3–20). Wie in anderen Schriften auch, so bezog sich Nikolaus mehrfach auf Dionysius Areopagita, den er »den Größten unter den Theologen« nennt. Ihm geht es darum, das Absolute aenigmatisch zu benennen. Non-aliud ist ein Name, der etwas benennt, das an sich unbenennbar ist, ein Prinzip des Seins und Erkennens (20). Kazuhiko Yamaki interpretierte De ludo globi und dabei das cusanische rotunditas-Denken als »Erklärungssystem des Schauens Gottes« (327–341), es führt zum Mittelpunkt Christus (336.340). Hans Gerhard Senger untersuchte die letzten Schriften des Nikolaus (259–277). Das compendium ist eine sehr kurze Anleitung und zugleich weiterführende Darstellung seines philosophisch-theologischen Denkens, es stellt eine Zeichentheorie auf, die als Erklärung für viele Themenbereiche dient, De apice theoriae hat als Thema »die Suche nach dem Seins- und Erkenntnisprinzip, das alles und jedes einzelne möglich macht« (268).
Die 3. Session widmete sich dem Thema »Cusanus und die italienische Renaissance«, so Paul Richard Blum »Lorenzo Valla und Nicolaus Cusanus« (21–37). Beide teilten »ein scharfsinniges Interesse an der Reform der Kirche und der Sprache sowie grundsätzlich des Denkens«, ebenso an einer genauen Quellenforschung (21.24). Il Kim sprach über »The Lives of Alberti and Cusanus and Their Shared Objective«, dabei vor allem darüber, wie sich Albertis frühe Schriften in den späteren Schriften des Nikolaus widerspiegeln (197–212). Gianluca Cuozzo verglich das »theologische Infinitesimale« bei Nikolaus und Bruno (99–117). Beide berühren sich in der Unterscheidung eines »negativ Unendlichen« und eines »schlechten Unendlichen«, das Minimum fällt mit dem Maximum zusammen (100), Nikolaus betonte zugleich beider Nachwirkung auf Leibniz.
Der Leser erfährt manch Neues, anderes ist schon lange be­kannt. Das ist gut so. Es fällt aber auf, dass das Kreuzzugsprojekt gegen die Türken – an dem Nikolaus stark involviert war – nur am Rande erwähnt wird. Leider gibt es etliche Fehler in den Anmerkungen, vor allem bei Rückverweisungen auf Angaben in früheren Anmerkungen (Brösch!). 14 Abbildungen sind beigegeben, ihre Wie­dergabe lässt zu wünschen übrig.
Es folgen Sonderbeiträge: Niels Bohnert und Tom Müller: »Zur Cusanus-Rezeption bei Johannes Trithemius« (345–375), Clyde Lee Miller: »The Cusanus Map and Nicholas of Cusa’s Cosmographicus« (377–393), Viki Ranff: »Dionysius in der Gottesnamenspekulation des jungen Predigers Cusanus« (395–410) und Max Rohstock: »Nicolaus Cusanus und Johannes Scottus Eriugena: Abhandlung über die historisch-systematischen Grundlagen der cusanischen Spätphilosophie« (411–433). – Bohnert/Müller gehen den zahlreichen Erwähnungen nach, die Trithemius über Nikolaus gemacht hat, vor allem zu seiner Legationsreise. Inhaltlich hat er sich mit seinem Werk wohl kaum befasst. Ranff betont, dass Nikolaus lebenslang durch die Schriften des Dionysius geprägt war, vor allem durch dessen mystische Theologie. Dies zeigt sich besonders in der Gottesnamenthematik und dabei in der Verwendung von Aussagen einer negativen Theologie: Gott ist letztlich über jeden Namen erhaben (405), trotzdem suchte Nikolaus immer nach neuen Gottesnamen. Und Rohstock untersucht, inwieweit Nikolaus ganz in der Tradition des Neuplatonismus steht. Er denkt »Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten als Einheit« (420). Zu dieser Erkenntnis kommt er durch Proklos, Ps.-Dionysius und Eriugena, vor allem durch dessen »originelles Konzept absoluter Transzendenz«. Es führte ihn zur Erkenntnis, dass das Nicht-Wissen die »höchste Weisheit« sei (426.432).
Diese Beiträge vertiefen unser Wissen über Nikolaus und sein philosophisch-theologisches Denken.