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Ausgabe:

März/2021

Spalte:

233-235

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Eckholt, Margit, Link-Wieczorek, Ulrike, Sattler, Dorothea, u. Andrea Strübind [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Ökumene.

Verlag:

Freiburg i. Br.: Verlag Herder; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018. 496 S. Geb. EUR 34,00. ISBN 9783451383038 (Herder); EUR 30,00. 9783525570852 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Christine Schliesser

Die »Hoffnung der Herausgeberinnen ist, dass Bewegung in eine seit langem stagnierte Debatte um Ämter und Dienste in der Kirche kommt und dass deutlich wird, dass diese Fragen in Zukunft nur gemeinsam – von Männern und Frauen – zu beantworten sind« (22). So formulieren die vier Herausgeberinnen Margit Eckholt (Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück), Ulrike Link-Wieczorek (Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg), Dorothea Sattler (Katholisch-Theologische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster) und Andrea Strübind (Institut für Evangelische Theologie und Religionspädago-gik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) ihr gemeinsames Ziel, das sie in ökumenischer Gemeinschaft miteinander verbindet.
Diese Hoffnung weitertragen soll der vorliegende Band, der auf einen Kongress an der Universität Osnabrück im Dezember 2017 zurückgeht (im Vorwort irrtümlich mit 2018 angegeben, 14). Seine 38 Beiträge bieten eine umfassende Diskussion des Themas aus unterschiedlichen Blickwinkeln, darunter biblische und historische, ökumenische, systematisch-theologische und kirchenrechtliche sowie pastorale Perspektiven. Sieben »Osnabrücker Thesen«, die während des Kongresses von mehr als 120 Teilnehmenden verabschiedet wurden, fassen die Kerninhalte und Überzeugungen zusammen und sollen als Anstiftungen für Dialog und Diapraxis dienen. Auch die kritische Stimme des Präfekten der Glaubenskongregation, Luis Kardinal Ladaria, ist aufgenommen, der die rö­misch-katholische lehramtliche Position wiedergibt (479–483), so­wie eine Replik von Dorothea Sattler (484–489). Ladarias Beitrag, am 29. Mai 2018 und damit nur wenige Monate nach dem Osnabrücker Kongress im »L’Osservatore Romano« erschienen, verdeutlich einerseits die Aktualität der Thematik, während er zugleich mit Papst Franziskus apodiktisch festhält: »Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht.« (482)
Der Kompromisslosigkeit des römisch-katholischen Lehramts stellt der Band mit seinen fünf Abteilungen fundierte und polyperspektivische Argumente für eine differenzierte Betrachtung entgegen. Im Folgenden sollen dazu exemplarisch einige Beiträge vor-gestellt werden. Teil I beschreibt den Spannungsbogen, der die ge­samte Thematik kennzeichnet, »Zwischen Tradition und Innovation: Horizonteröffnung für die Frage nach Frauen in kirchlichen Ämtern« (27–83). Dabei setzt bereits der erste Beitrag von Franz-Josef Bode (»›Und sie bewegt sich doch‹. Schritte und Bewegungen im Miteinander von Frauen und Männern in der katholischen Kirche«, 29–38), Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Unterkommission für Frauen, einen positiven Kontrapunkt und wirbt zugleich für einen weitergehenden Kulturwandel. Teil II widmet sich »Frauen in kirchlichen Ämtern. Biblische und historische Perspektiven« (85–219). Michael Theobald begründet dabei in seinem Beitrag (»Apostolizität und Macht. Wer hat das Sagen? Oder zur ambivalenten Rolle von Frauen im Neuen Testament [samt einem Vorschlag zum Apostelfest der Maria Magdalena]«, 87–106) aus neutestamentlich exegetischer Perspektive einen weiteren Apostelbegriff und macht deutlich, dass das Apostelamt im Neuen Testament nicht den Männern vorbehalten war – ein Argument, das in lehramtlichen Texten immer wieder zu finden ist.
Mit Teil III rückt das »Frauendiakonat. Ökumenische Perspektiven« (221–314) in den Fokus. Peter Hünermann betont in seinem Beitrag (»Die Diskussion um das Frauendiakonat in der katholischen Kirche«, 247–260) die Zusammengehörigkeit des Ordo und der Dienste und beschreibt einen Abbruch patristischer Traditionen in der scholastischen Theologie, in der die Rezeption aristotelischer Traditionsmuster mit der Festschreibung eines status subjectionis der Frau einherging. Hinsichtlich der geschichtlichen Begrün-dung des Ausschlusses von Frauen vom Ordo seit dem Mittelalter bis zur Neuzeit kommt er zu folgendem Ergebnis: »Es liegt in diesem ›Traditionsbeweis‹ keine formal theologische, d. h. normativ-verbindliche Begründung vor, sondern eine materiale Tradition, die ihre unhinterfragte Plausibilität von kulturellen, gesellschaftlichen und biologischen Selbstverständlichkeiten des Mittelalters und der Neuzeit bezogen hat.« (258 f.) Auf die hier anzuschließende Traditionskritik verweist u. a. die dritte Osnabrücker These: »Nicht der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss« (470).
Teil IV umfasst Beiträge »Zur Debatte um die Zulassung von Frauen zum Amt. Systematisch-theologische und kirchenrechtliche Perspektiven« (315–414). Saskia Wendel hinterfragt in ihrem Beitrag (»Jesus war ein Mann … – na und? Ein funktionales und nicht sexualisiertes Amtsverständnis in anthropologischer Hinsicht«, 330–341) die Relevanz der Geschlechterdifferenz für die Amtsfrage. Einer substanzontologischen Anthropologie hält sie die Aporien eines naturalistischen bzw. biologistischen Fehlschlusses vor Augen und betont das inklusive, nicht exklusive Moment der Person Christi: »Ob Jesus ein Mann war oder nicht, spielt für die Funktion, in persona Christi zu handeln, keine Rolle. Dann aber spricht aus systematischer Sicht auch nichts dagegen, dass in persona Christi prinzipiell alle Gläubigen handeln können, unabhängig von ethnischer, sozialer und sexueller Zugehörigkeit bzw. Identität.« (340) Der abschließende Teil V bringt »Horizonteröffnungen. Pastorale Perspektiven« (415–464). In ihrem Beitrag »Frischer Wind?« geht Ulrike Link-Wieczorek dem »Erneuerungspotential der Pastorinnen in der evangelischen Kirche« (428–440) nach. Darin wirbt sie für die Notwendigkeit einer »ganzheitlichere[n] Erfahrung von Kirche, in der eine ausgewogene Repräsentation der na­türlichen Ge­schlechterdifferenz auch im Pfarramt das Gefühlt vermittelt, dass irgendwann auch der eigene Erfahrungshintergrund mitgedacht und mitgefühlt wird« (428). Zugleich geht sie – unter Berücksichtigung der Auswirkungen des gesellschaftlichen Kulturwandels auf den Pfarrberuf – auf die spezifischen Herausforderungen für die Pfarrperson sowie deren Familie ein, wie sie etwa in der pos-tulierten Untrennbarkeit von Amt und Person deutlich werden.
Unter der Vielzahl an Stimmen und Perspektiven sind nicht zuletzt diejenigen besonders zu würdigen, die über den deutschsprachigen Kontext hinausweisen und einen Blick in die weltweite Ökumene ermöglichen, darunter Sr. Mary John Mananzans Beitrag zu »Frauen im Dienst der katholischen Kirche auf den Philippinen« (69–83) und Thomai Chouvardas Gedanken zu »Diakoninnen in der orthodoxen Kirche. Überlegungen und Perspektiven« (273–286). Darin spiegelt sich die Stoßrichtung der ersten Osnabrücker These wider: »Das erklärte Ziel der ökumenischen Bewegung, die sichtbare Einheit der Kirchen, ist nicht zu erreichen ohne eine Verständigung über die Präsenz von Frauen in allen kirchlichen Ämtern« (465). Es fällt angenehm auf, dass sich die Beiträge, so klar sie in der Sache sind, in der Tonalität der siebten These verpflichtet sehen, nämlich den »unterschiedlichen theologischen Überzeugungen in der Frage der kirchlichen Ämter stets mit Wertschätzung und versöhnungsbereit argumentativ im Miteinander« (466) zu begegnen. Die zentralen Argumente auf wissenschaftlicher Seite sind ausgetauscht. Nun ist es Zeit für Bewegung.