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Ausgabe:

Januar/2021

Spalte:

61–62

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

[Krötzl, Christian]

Titel/Untertitel:

Church and Belief in the Middle Ages. Popes, Saints, and Crusaders. Ed. by K. Salonen and S. Katajala-Peltomaa.

Verlag:

Amsterdam: Amsterdam University Press 2016. 276 S. m. Abb. = Crossing Boundaries: Turku Medieval and Early Modern Studies. Geb. EUR 99,00. ISBN 9789089647764.

Rezensent:

Kristin Skottki

Konzeptionell verbindet die Beiträge in dem hier angezeigten Sammelband, dass sie die Festschrift zum 60. Geburtstag des in Tampere (Finnland) tätigen mediävistischen Historikers Chris-tian Krötzl darstellen. Entsprechend sind in diesem Buch Beiträge von Weggefährten, Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen versammelt, die gleiche oder ähnliche Forschungs- und Interessenschwerpunkte haben wie der Jubilar. Die elf auf Englisch verfassten Beiträge der Festschrift stammen von Forscherinnen und Forschern aus Skandinavien, Frankreich, Italien und Deutschland und gruppieren sich zu den drei Themenfeldern Papal Administration, Saints and Miracles und Crusades and Conversion.
Besonders positiv hervorzuheben ist der einleitende Beitrag von Kirsi Salonen, Sari Katajala-Peltomaa und Kurt Villads Jensen (»In the Name of Saints Peter and Paul. Popes, Conversion, and Sainthood in Western Christianity«, 11–35), da er nicht nur einen Überblick über die Beiträge des Bandes bietet, sondern auch das Werk Christian Krötzls in den Wissenschaftsdiskurs einordnet und die aktuelle Forschungslandschaft (insbesondere in Skandinavien) zu Krötzls Arbeitsschwerpunkten Kirchenrecht, Hagiographie und christliches Alltagsleben im Mittelalter skizziert.
Im ersten Abschnitt zur römischen Kurie bietet Ludwig Schmugge einen Überblick über die seit 1455 nachweisbare neue kuriale Einnahmequelle der »composition fees« (compositio), während sich Jussi Hanska der Karriere eines unauffälligen, durchschnitt-lichen Kurialen im 15. Jh. widmet. Auch Per Ingesman bietet eine spezielle Fallstudie, indem er die Behandlung eines dänischen Konflikts um Benefizien an der römischen Rota zu Beginn des 16. Jh.s rekonstruiert. Alle drei Beiträge beziehen sich auf bislang kaum beachtetes beziehungsweise nahezu unbekanntes Ar­chivmaterial.
Den zweiten Abschnitt des Bandes zu Heiligen und Wundern eröffnet Gábor Klaniczay mit einem sehr lesenswerten Überblicksbeitrag zu Heiligkeitskonzepten und Kanonisationsprozessen im Spätmittelalter, in dem er vor allem aufzeigen kann, wie Kanonisationsprozesse selbst religionsproduktiv wirksam werden konnten und als wie mächtig die sowohl offiziell anerkannten wie auch die nicht anerkannten Heiligen kurz vor Beginn der Reformationszeit wahrgenommen wurden. Paolo Golinelli bietet an­schließend eine kurze Motivanalyse zum Vorbildcharakter der Vita des Alexius von Edessa (gest. 417 n. Chr.). Überzeugender sind dann wieder die beiden Beiträge von Didier Lett zur Bedeutung von Ärzten als Zeugen im Kanonisationsprozess des Nikolaus von Tolentino (gest. 1305) und von Jenni Kuuliala zur Frage nach der Bedeutung von partiellen beziehungsweise unvollständigen Heilungen für einen Kanonisationsprozess. In beiden Beiträgen geht es um die so wichtige Frage nach der Authentizität und Wirksamkeit von Heilungen als wesentlichen Wundern und damit »wissenschaftlichen« Beweisen für die vermeintliche Heiligkeit einer Person im spätmittelalterlichen Kanonisationsprozess.
Der letzte Abschnitt des Bandes zu Kreuzzügen und Christianisierung wird von einem Beitrag von Jüri Kivimäe zur Livländischen Chronik des Heinrich von Lettland eröffnet, in dem er diesen in der skandinavischen Forschung vielbeachteten Text als den Entwurf für eine christlich-marianische Utopie einer erst entstehenden livländischen Gesellschaft liest. Kurt Villads Jensen widmet sich dann einem scheinbaren Paradox der Kreuzzugszeit, das schon viele Forscherinnen und Forscher umgetrieben hat, nämlich die Gleichzeitigkeit von zwei ganz unterschiedlichen Strategien im Umgang mit den von den Kreuzzügen betroffenen An­dersgläubigen: der Aufbau von friedlichen Beziehungen versus die totale Vernichtung. Anhand dreier historiographischer Berichte aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s setzt Jensen sich insbesondere mit den Thesen von Gerd Althoff und Susanna Throop zu diesem Themenkomplex auseinander und zeigt einmal mehr, dass »Kreuzzug und Mission« keine sich ausschließenden Paradigmen im Umgang mit Andersgläubigen waren, sondern situationsbezogen mal als die bessere oder schlechtere Lösung angesehen wurden. Den letzten Beitrag des Bandes bietet Jens E. Olesen mit einem Überblick zu den Kreuzzugsaktivitäten der Schweden in Finnland im 12. und 13. Jh., die Olesen in den größeren Rahmen der westeuropäischen Kreuzzüge einzuordnen versucht und deren Ergebnis er zu Recht als die Integration Finnlands in die kulturelle Welt Lateineuropas deutet.
Wie immer bei solchen Sammelbänden, wird der eine Leser sicherlich mehr Gewinn aus bestimmten Beiträgen ziehen können als ein anderer. Die wissenschaftliche und sprachliche Qualität der Beiträge ist nahezu durchgängig sehr hoch und somit kann der Band in jedem Fall zur Lektüre empfohlen werden.