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Ausgabe:

Dezember/2020

Spalte:

1214–1216

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Seifert, Andreas

Titel/Untertitel:

Der Markusschluss. Narratologie und Traditionsgeschichte.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2019. 314 S. = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 220. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-17-036434-9.

Rezensent:

Johannes U. Beck

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Paul, André: Aujourd’hui l’Apocalypse. Traduction nouvelle. Lecture à plusieurs voix. Paris: Les Éditions du Cerf 2020. 306 S. Kart. EUR 22,00. ISBN 978-2-204-13317-3.


André Paul surprendra les lecteurs car la lecture qu’il propose de l’Apocalypse est à nulle autre semblable, unique, à notre connaissance. D’abord son titre: pourquoi l’adverbe aujourd’hui? Parce que, pour une part, il annonce une approche de ce livre au moyen de connaissances et de méthodes bien maîtrisées, et, que, d’autre part, ce même aujourd’hui désigne notre propre époque, avec ses peurs et ses attentes. Aussi n’est-il pas étonnant qu’il n’a cessé de se rendre présent tout au long des siècles et jusqu’à nos jours.
Nous pouvons le relire aujourd’hui dans la traduction faite par P., traduction réalisée à partir du texte grec, et suffisamment lit-térale, mais, soulignons-le, moderne dans sa forme littéraire. Succèdent à cette traduction sept »voies de lecture« destinées à décrire le travail du texte. Pourquoi »sept voies« et non pas trois ou cinq? Tout simplement parce que, tout au long de l’œuvre, le chiffre sept se manifeste: on le retrouve cinquante-quatre fois, mais, à la fin, à jamais gommé au profit du chiffre »un«.
Chacune des sept voies proposées part d’un point initial »A« pour aboutir à un point terminal »B«. C’est ainsi, pour ne prendre qu’un exemple, qu’avec la première voie nous partons de »la Révélation« pour aboutir à »L’exceptionnelle dualité du héros et du signataire« après avoir franchi les étapes suivantes: de »la Révélation à l’Évangile dans le Livre«; de l’»Apocalypse de Jésus-Christ« à l’»Apocalypse de Jean«; »Témoins d’un modèle uniforme du titre«.
Deux voies, la 12e et la 20e sont privilégiées par l’auteur: le premier texte relate la »Victoire de la Femme aux douze étoiles sur le Dragon avec la médiation victorieuse de l’archange Michel«. Il n’a cessé d’inspirer les artistes, et l’image zodiacale des douze étoiles n’est-elle pas constitutive du drapeau européen? Le second qui ne cesse d’inspirer les penseurs et leaders révolutionnaires, est l’annonce d’un »Règne terrestre du Christ qui durerait mille ans«, le Millénarisme qui a généré bien des élans révolutionnaires.
En conclusion, P. nous rappelle que ce qui est vraiment révélé ce n’est pas la fin du monde ou des hommes, mais un modèle de vie aux potentialités sans frontières, ce modèle portant en lui la vertu d’être validé avec ou même sans Dieu.
Nous recommandons chaleureusement ce livre à tout lecteur désireux de faire une lecture de l’Apocalypse.

Saint Barthélemy d’AnjouJean Riaud




Mit dieser Arbeit präsentiert Andreas Seifert seine 2018 an der Ruhr-Universität Bochum angenommene und für den Druck leicht überarbeitete Dissertation. Entstanden ist sie am Lehrstuhl Reinhard von Bendemanns, an dem S. mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Sie zielt darauf, »den seltsamen und oft als unbefriedigend empfundenen Erzählschluss des Markusevangeliums in den Blick zu nehmen und seine Bedeutung für die Gesamterzählung, insbesondere durch den Vergleich mit anderen literarischen Erzählschlüssen in der antiken Literatur, zu analysieren.« (13) Für dieses Vorhaben sei ein »Analysewerkzeug« notwendig, »das zu antiken Erzählschlüssen passt.« (14) Da dieses noch nicht existiere, muss es unter Rückgriff auf moderne Analyseverfahren erst entwickelt werden.
In einem ersten Abschnitt (Kapitel 2–4; 17–90) geht S. dafür allgemein dem Sinn von Erzählschlüssen nach, indem er einzelne antike und moderne Bestimmungen des Erzählschlusses diskutiert. Zeigt sich in diesen Positionen die »besondere Bedeutung des literarischen Schlusses«, begegnet S. sodann dem »Desiderat einer einheitlichen Terminologie« (35), indem er ein breit angelegtes Verfahren zu entwickeln sucht, das funktionalistische, formkritische und rezeptionsästhetische Perspektiven gleichermaßen berücksichtigt. Nach einer kurzen Darstellung verschiedener Modelle, die bereits auf den unhintergehbaren Zusammenhang von Schluss und vorausgehender Erzählung verweisen, beruft sich S. dabei grundlegend auf die Erzählschlussanalyse von Constanze Krings. Hierin werde nicht nur der Bezug des Schlusses zur Residualgeschichte berücksichtigt, sondern ebenso die Unterscheidung von Handlungs- und sprachlicher Ebene, oder – was für S. offenbar dasselbe ist – von story und discourse.
In leicht modifizierter Fassung dient dieses Analysemodell S. im Folgenden »als Grundlage der Analyse der Erzählschlüsse von antiken Texten« (54). Die Modifikationen, die S. nur knapp und – anders, als die Einleitung (14) vermuten lässt – ohne Bezug zu antiken Texten benennt (54–55), betreffen einerseits die eigenständige Erfassung auch des Erzählanfangs sowie den für die Analyse des markinischen Schlusses wesentlichen Aspekt der Ordnung, im Rahmen dessen vor allem Pro- und Analepsen Beachtung finden. Die zu­grundeliegende Unterscheidung zwischen story- und discourse-Ebene wird aber auch hier teilweise übergangen, wenn etwa der der story zugeordnete Aspekt des Erkenntnisgewinns »immer auf zwei Ebenen beantwortet werden [muss], die eng korrelieren: der Er­kenntnisgewinn für die Akteure und der intendierte Erkenntnisgewinn auf Seiten seiner Rezipienten.« (128)
Da es zudem »gattungsspezifische Konventionen gibt, die für die Schlussgebung leitend sind« (57), schließt sich ein Forschungsüberblick zur Gattung des Markusevangeliums an. Obwohl S. dabei von Mk 1,1 als einer »Art Überschrift« (58) ausgeht, wird freilich weder der Begriff noch die Ausdehnung des »Anfangs des Evangeliums« thematisiert. Vielmehr zielt der Überblick darauf ab, unter Verweis auf die klassische Intertextualitätstheorie die formgeschichtliche Bestimmung des Markusevangeliums als Gattung sui generis zu relativieren, selbst wenn sich der von S. betonte Bezug zu antiken Gattungen bei gleichzeitiger »Transformation und Weiterentwicklung von bereits Bestehendem« (82) auch hiermit fassen ließe. Diese Relativierung ist für S. wichtig, um das Markusevangelium mit anderen antiken Texten vergleichen zu können, wobei nicht nur die hellenistisch-römische, sondern auch die jüdische Literatur als kultureller Hintergrund des Markusevangeliums wahrgenommen wird.
In Kapitel 5–7 (91–173) werden anschließend mit Hilfe des erarbeiteten Modells die Erzählschlüsse von drei antiken Texten analysiert, die nach S. als Vergleichstexte für das Markusevangelium in Frage kommen. Aus der narrativen Literatur des Alten Testaments, der jüdischen biographischen Literatur und der didaktischen Biographie der hellenistisch-römischen Literatur zieht S. jeweils exemplarisch einen Erzähltext heran. Während sich zum Jonabuch ein impliziter intertextueller Bezug im Markusevangelium finde, begründet sich die Auswahl der Vita Mosis von Philo sowie der Demosthenes-Biographie von Plutarch einzig durch die »Nähe zur angenommenen Entstehungszeit des Markusevangeliums« sowie durch »stilistische und inhaltliche Parallelen« (290).
Dem markinischen Schluss widmen sich die Kapitel 8–9 (175–287), beginnend mit der Diskussion der Textvarianten. Lasse sich der längere Schluss Mk 16,9–20 »nicht nur theologisch, sondern […] auch literarkritisch gut von Mk 16,1–8 abgrenzen« (188), wird letzterer Abschnitt als ursprünglicher Schluss begriffen, da er »der kleinste gemeinsame Nenner aller Markusschlüsse« (192) sei. Dass die Verse innerhalb der Gesamterzählung auch tatsächlich als Schluss fun-gieren, kann erst die anschließende Analyse zeigen, die zumindest punktuell ebenfalls den längeren Schluss berücksichtigt (z. B. 241–242.253–254). Zuvor stellt S. noch selektiv einzelne, mehrheitlich ältere redaktionsgeschichtliche und synchrone An­sätze vor, die auf den eminenten Bezug von Mk 16,1–8 zur Gesamterzählung abheben .
Nach diesem ausführlichen Vorlauf soll die Betrachtung der Erzählstruktur des Markusevangeliums die »erzählstrukturelle Eigenständigkeit« (210) des Schlussabschnitts nachweisen, woraufhin in einem knappen Abschnitt das erarbeitete Analysemodell schließlich auf Mk 16,1–8 angewendet wird. Für ersteren Schritt nimmt S. zunächst – ohne etwa auf die grundlegenden Arbeiten Bas van Iersels hierzu einzugehen – geographische Räume in den Blick, sodann thematische Sammlungen und von S. ausgemachte Vorbereitungssequenzen, zu denen weitere ergänzt werden könnten. Nicht unterschieden wird dabei zwischen story und discourse, obwohl etwa Mk 6,24–29 nur in Letzterem die Funktion eines Vorverweises zukommt. Zweiterer Schritt zielt darauf, »die […] grundlegende Frage des wie der Schlussgebung zu beantworten« (243). Als Ergebnis kann S. festhalten, dass mit Mk 16,1–8 zwar das Schicksal der Hauptfigur Jesus, nicht aber das bleibende Unverständnis der ebenfalls zentralen Nebenfiguren der Jünger zu einem Ende ge­führt wird, ein Konflikt, den der sekundäre Schluss aufzulösen versucht (253–255). Nicht aus narratologischer, sondern aus theologischer Sicht besteht so die Problematik des Schlusses, die in der Spannung zwischen 16,7 und 16,8 gründet (252–253.280–281). Indem die markinische Erzählung auch auf die Nebenfiguren fokussiert, ist sie nicht nur narrative Christologie, sondern – wie freilich schon früh narrative Analysen des Markusevangeliums gezeigt haben – auch »Lehrstück über die rechte Nachfolge für den implizierten Rezipienten« (285).
Diese markinische Eigenheit wird mit der Methodik nur sehr bedingt erfasst und auch nicht im sehr kurzen, abschließenden Vergleich der vier Erzählschlüsse thematisiert. Hier zeigt sich, dass das angewandte Analysemodell erklären, nicht aber das für ein Verstehen grundlegende »Warum« der Schlussgebung erschließen kann (297). So werden weder die vielfältigen Varianten einer Re-lecture-Hypothese, die nur angerissen wird (258), diskutiert noch etwa die Bedeutung der Randfiguren ab Mk 10,46 wahrgenommen, die diskursiv eine Metafigur bilden und denen die Frauen am Grab zugehören. Anders als die Jünger scheitern sie nicht an der Passion Jesu, sondern an der Auferstehung als einem menschliche Möglichkeiten übersteigenden Geschehen, wohingegen S. sie weitestgehend mit den Jüngern parallelisiert (261).