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Ausgabe:

Dezember/2020

Spalte:

1194–1196

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Blenkinsopp, Joseph

Titel/Untertitel:

The Beauty of Holiness. Re-Reading Isaiah in the Light of the Psalms.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2018. 174 S. Kart. £ 18,99. ISBN 978-0-567-68030-3.

Rezensent:

Torsten Uhlig

Die große Nähe zwischen dem Buch der Psalmen und dem Jesajabuch ist schon vielfach gesehen worden, umfangreichere Untersuchungen haben sich aber meist auf einzelne Aspekte konzentriert (ihr Verhältnis zur Ziontradition; die Rolle des Königs; JHWH als König bei Deuterojesaja und in den JHWH-König-Psalmen etc.). Der emeritierte Professor für Bibelwissenschaften, Joseph Blenkinsopp (University of Notre Dame, USA), gehört mit seinem dreibändigen Kommentar (Anchor Yale Bible Commentary, 2000–2003), einem Buch zur Rezeption des Jesajabuches in der Spätantike (Opening the Sealed Book, Grand Rapids u. a. 2006) sowie einer Aufsatzsammlung (Essays on the Book of Isaiah, FAT 128, Tübingen: Mohr Siebeck 2019) zu den renommiertesten Jesajaforschern weltweit (neben seinen vielen anderen Veröffentlichungen zum Alten Testament). Mit dem vorliegenden Buch möchte B. anhand des Vorkommens von Psalmen bzw. psalmenähnlichen Stücken im Jesajabuch, von zentralen Themen und der großen Bedeutung von Hymnen und Elementen des Tempelkults in beiden Büchern aufzeigen, dass das Buch der Psalmen und das Jesajabuch eine gemeinsame religiöse Sicht auf die fundamentalen Elemente des Glaubens im Alten Testament teilen, die sich markant von anderen Textbereichen, wie der Tora und den Schriften, unterscheidet. Dabei spielt er auch mit dem Gedanken, Psalmen und Jesajabuch als zwei Komponenten eines literarischen Werkes anzusehen (so 1), was in den weiteren Ausführungen dann allerdings so explizit nicht weiterverfolgt wird.
Die elf Kapitel, in denen B. seinen Vergleich darstellt, lassen sich einerseits als Zusammenstellung markanter Gemeinsamkeiten zwischen den Psalmen und dem Jesajabuch lesen, wofür das Buch sicher in der weiteren Psalmen- und Jesajaforschung als hilfreicher Ausgangspunkt dienen kann.
Kapitel 1 (Re-reading Isaiah in the light of Psalms) skizziert das Vorhaben und stellt den distinkten Charakter des »putative Isaianic-Psalmodic corpus« (1) bzw. »Isaiah-Psalms text« (5; Formulierungen, die so im weiteren Verlauf des Buches nicht mehr vorkommen) anhand ihres Verhältnisses zum Begriff torah im Gegensatz zu Pentateuch und Schriften heraus. Kapitel 2 (The Psalms and their authors) verweist knapp auf die generell hohe Bedeutung von Musik in den Religionen des Orient und stellt die Bedeutung der Tempelsänger (1/2Chr) und ihrer unterschiedlichen Gilden (Esr/Neh) mit ihren möglichen Wurzeln im Salomonischen Tempel heraus. In Kapitel 3 (Psalmody and prophecy) benennt B. Beispiele der engen Verknüpfung von Psalmodie und Prophetie in unterschiedlichen Kulturen und Religionen wie auch im frühen Prophetentum Israels (1Sam 10) und möchte nach einer kurzen Skizze der Forschungsgeschichte zur Kultprophetie im Alten Israel sein Buch auch als Beitrag zur Klärung des Verhältnisses von Prophetie und Tempelkult verstanden wissen. In Kapitel 4–6 greift B. Beispiele heraus vor allem für das Vorkommen von Psalmen-Elementen in Jes 1–39 (besonders anregend seine Ausführungen zu Jes 1–12); Jes 40–55 (leider begrenzt auf die gängigen Identifikationen von Hymnen) und 56–66 sowie punktuell zu Terminologie, Themen und religiöser Ausrichtung, die für ein enges Verhältnis sprechen. Kapitel 7–11 widmen sich dann einzelnen Themen: Kapitel 7 (Zion as reality and symbol in Psalms and Isaiah) zeichnet die doppelte Bedeutung Zions als gegenwärtige Wirklichkeit (Schwerpunkt in Pss) und eschatologisches Symbol (Schwerpunkt Jes) nach; Kapitel 8 (The two ways in Psalms and Isaiah) widmet sich einigen Begriffen von Personen in Pss und Jes, die auf die Entwicklung einer Selbstabgrenzung religiöser Gruppen hinweisen; Kapitel 9 geht dem Begriff der »Knechte« in Pss und Jes nach; Kapitel 10 geht auf einige dem Opfer gegenüber kritische Texte in Jes und Pss ein. Kapitel 11 schließt unter Beachtung von Pss 96; 27 und Jes 6 mit der großen Bedeutung der Gegenwart Gottes im Tempel und Lobpreis in Pss und Jes, auf die schon der Titel des Buches Hinweis gibt und den B. hier erklärt: The Beauty of Holiness entstammt Ps 96,9 im Book of Common Prayer und der KJV und war Schlagwort der Befürworter und Gegner des Erzbischofs von Canterbury, William Laud, und seiner Bemühungen um eine Stärkung der Liturgie in Opposition zu den Puritanern im England des 17. Jh.s.
Es können die Kapitel aber auch als Argumente einer These gelesen werden, die besonders ab Kapitel 7 in den Darstellungen ge­meinsamer Themen unterschiedlich deutlich anklingt. Demzufolge legen die Schwerpunkte der gemeinsamen Themen in Jes und Pss sowie die jeweilige große Wertschätzung des kultischen Lobpreises den Schluss nahe, die Entstehung der Psalmen und des Je-sajabuches gingen auf gemeinsame Trägerkreise zurück, die sich zunehmend von anderen Gruppen des Volkes, namentlich den Priestern, abgrenzen und als »Knechte« immer stärker in den Vordergrund treten.
Schon zu den Berührungen zwischen Psalmen und Jes 40–55 (Kapitel 5) weist B. auf die These von Ulrich Berges hin, der levitische Tempelsänger als Trägerkreise des anwachsenden Jesajabuches für möglich hält (vgl. in seinem Kommentar Jesaja 40–48, HThK.AT, Freiburg i. Br. u. a. 2008; jüngst in Hossfeld/Bremer/Steiner [Hrsg.]: Trägerkreise in den Psalmen, BBB 178, Göttingen 2017, 11–33). B. hebt einige Aspekte hervor, die für diese These sprechen (so insbesondere die Entwicklung der Leviten unter Esra), sieht in den Disputationsworten, der Götzenbilderpolemik und dem Verweis auf Gottes geschichtliches Handeln in Kyrus aber auch dezidierte prophetische Züge, die sich von Tempelsängern deutlich unterscheiden (vgl. 65–67). Dann finden sich in der Darstellung zu Zion (Kapitel 7) Bemerkungen zur Separierung der Tempelsänger von den Priestern einerseits und andererseits zur großen Nähe der Tempelsänger zu schriftgelehrten Frommen als soziologischem Hintergrund für die Entstehung von Pss und Jes; es begegnen in dem Durchgang durch markante Gruppenbezeichnungen (Kapitel 8) Hinweise auf zunehmende Abgrenzung; in dem Kapitel zu den »Knechten« vermerkt B. als »Postscript«, dass die sich abgrenzenden kleinen Gruppen (B. nennt sie teilweise »Sekten«) im Judentum des Hellenismus ihre Vorläufer in dem Selbstverständnis der »Knechte« haben könnten; schließlich könnte die Ablehnung des Opfers in Jes und Pss (Kapitel 10) auf Konflikte mit den dafür zuständigen Priestern bei den sich abgrenzenden Tempelsängern zurückgehen.
Für beide Lektüremöglichkeiten von B.s Buch – als Zusammenstellung markanter Gemeinsamkeiten wie als These einer gemeinsamen Trägergruppe für Pss und Jes – kann es als hilfreicher Startpunkt mit gewichtigen Beobachtungen dienen; gleichzeitig ist klar, dass sie jeweils weiterer Vertiefung bedürfen.
Damit ist eine substantielle Anregung für die weitere Forschung zum Verhältnis von Psalmen und Jesajabuch gesetzt, und mehr will das Buch letztlich auch nicht leisten; denn: »To demonstrate this as thoroughly as it deserves would require commenting on the entire range of material in Isaiah and would call for a substantial volume, which we leave to an Isaian scholar of the future.« (37) Nur dürfte allein die Tatsache, dass B. diese Anregung nach der Veröffentlichung vieler Bücher zu Jesaja (siehe oben) und als Frucht einer lebenslangen Beschäftigung nicht nur mit diesem Buch verfasst, Hinweis genug sein, dass es dazu mehr als einer Forscherin bzw. eines Forschers bedarf; es wird ein Projekt der Gemeinschaft von Psalmen- und Jesajaforscherinnen und -forschern werden.