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Ausgabe:

Dezember/2020

Spalte:

1183–1184

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Coppens, Filip, and Hana Vymazalová [Eds.]

Titel/Untertitel:

11. Ägyptolo-gische Tempeltagung: The Discourse between Tomb and Temple. Prague, May 24–27, 2017.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2020. IV, 332 S. m. Abb. = Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen, 3,6. Kart. EUR 68,00. ISBN 978-3-447-11429-5.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation liefert die Beiträge zur XI. Ägyptologischen Tempeltagung, die unter dem Motto »The Discourse between Tomb and Temple« vom 24.–27.5.2017 an der Karls Universität Prag zur Austragung gelangte. Der Leitgedanke des Treffens wurde von Beziehung, Verbindung und Wandel zwischen Tempel und Grab im alten Ägypten gebildet.
T. A. Bács untersucht die Grabkapelle im thebanischen Grab des Hohenpriesters Hapuseneb (TT 67). Der Signalausdruck »śkm nś« »mit vollendeter Zunge« in der Deckeninschrift der Querhalle deutet auf die Orientierung an Vorbildern des Mittleren Reiches hin (14). Der langgestreckte Hof vor dem Grabeingang greift ebenfalls Traditionen des Mittleren Reiches auf (21).
M. Barwik ediert das Ostrakon Deir el-Bahari Inv. No F 8941, das während der Grabungssaison 1984/85 durch die polnische Mission in Deir el-Bahari entdeckt wurde (41). In dem Text wird u. a. vom Steintransport zum Bau eines Tempels berichtet (45). Das architektonische Vokabular weist wohl auf den Tempel der Hatschepsut hin (47).
J. Budka setzt sich mit ptolemäischen Bestattungen im Grab TT 414 auseinander. Das Grab kann zu den Familiengrüften der ägyptischen Spätzeit gerechnet werden (60). Die Wiederverwendung des Grabes fing ab der 30. Dynastie an (60). Die Hauptänderungen der Bestattungssitten im 1. Jt. v. Chr. wurden durch die wachsende Bedeutung des Osiriskonzeptes hervorgerufen (65). Das Wesen des Talfestes und Dekadenfestes hat sich wohl während des 1. Jt.s v. Chr. bis hin zu deren Fusion gewandelt (68).
F. Coppens geht auf die »Light-well Chamber« in Gräbern und Tempeln des 1. Jt.s ein. Das Erscheinen des Sonnengottes in der Kammer wurde mit dessen Abstieg in die Unterwelt assoziiert (75). Die Kammer war eng mit der Darbringung des Großen Rituellen Opfers verbunden (79). Die Kammer des »Sitzes des Ersten Festes« in der griechisch-römischen Zeit baut die Tradition des Lichthofes der spätzeitlichen Asasif-Gräber aus (82).
A. Cwiek hebt Züge des Tempelkomplexes der Hatschepsut hervor. Der Tempel der Hatschepsut in Deir el-Bahari und der Tempelkomplex des Amun-Re in Karnak sind als ideologische und rituelle Einheit zu verstehen (91). Das Grab KV 20 entwickelte die gewundene Form der Kenotaphe weiter (95). Der Gedanke an osirianische Aspekte im Bereich des königlichen Totenkultes des Tempels ist wohl aufzugeben (101). Die fehlende ramessidenzeitliche Reparatur der amarnazeitlichen Schäden im Oberen Anubisschrein ist mit dessen rein königlicher, nichtgöttlicher Natur zu erklären (104).
N. Guilhou wertet den »idmi«-Stoff im Bestattungsritual und Kultritual aus. Der Stoff kommt bereits in den Pyramidentexten vor (117). Im Mundöffnungsritual übt er eine wichtige Funktion aus (120).
H. Kockelmann wendet sich Körperkonzepten in Tempel und Bestattung zu. In ägyptischen Tempelhymnen tauchen Körper von Göttern nur selten auf (138). Das bekannteste Beispiel für die Auffassung des Körpers als Summe der Einzelteile ist in TB 42 zu finden (139).
E. Kormysheva betrachtet den Natakamani-Tempel von Abu Ertaila vor dem Hintergrund der meroitischen Architektur. Die Türkonstruktion mit der charakteristischen Schwelle besitzt Analogien in El-Hassa, Musawwarat es Sufra und Naga (148). Die hypostyle Halle wurde ursprünglich von zwei Säulen gestützt (149). Die Dekoration der hypostylen Halle mit einer Scheibe und Halbmond könnte für das Attribut eines Mondgottes sprechen (150).
D. Kurth stellt den Tempel von Edfu als temporäres Grab des Sonnengottes hin. Die Krypten im Tempel wurden offenbar als Unterwelt interpretiert (180). Der Tempel diente als Schutzraum für das göttliche Kultbild während dessen nächtlicher Phase (181).
R. Landgrávová/D. Mičková befassen sich mit dem königlichen Reinigungsritual im Schachtgrab des Iufaa. Das Ritual ist außer im Grab des Iufaa auf vier römerzeitlichen Papyi überliefert (184). Das Ritual könnte zu einer Krönungszeremonie und der heliopolitanischen Sonnentheologie gehört haben (185). Die Fassung im Grab des Iufaa könnte unter den benutzten Sprüchen eine persönliche Auswahl getroffen haben (199).
D. M. Méndez-Rodríguez erläutert das »Buch der Zwölf Grüfte« unter dem Gesichtspunkt der Liminalität. Die Komposition ist vom Neuen Reich bis zum Ende der Ptolemäerzeit dokumentiert (210). Die Tempelfassung des Rituals hat dessen funerären Quellen näher als dessen liturgischen Quellen gestanden (215). Die Versionen im Osireion und Petosirisgrab sind besonders eng verwandt (215). Die Hälfte des Buches muss bereits früh verloren gegangen sein, da schon die ältesten erhaltenen Dokumente nur die fünf letzten Grüfte zeigen (215). Das Buch wurde aufgrund seines solaren Kerns vielleicht in Heliopolis verfasst (216).
A. Oppenheim evaluiert Tempel für Götter und Könige im Alten und Mittleren Reich. Der erste größere Tempel in der Nähe einer Pyramide ist der Taltempel im Osten der Knickpyramide aus der 4. Dynastie (220). Im Pyramidenkomplex des Userkaf aus der 5. Dynastie wurde eine unabhängige Opferkapelle an der Ostseite hinzugefügt (221). Im Alten und teilweise Mittleren Reich wurden menschliche Akteure aus der Dekoration von Göttertempeln ausgelassen (223). Die königlichen Taltempel des Alten Reiches scheiden als Ort der Mumifikation aus (226). Der Satettempel von Elephantine wurde wohl die meiste Zeit des Alten Reiches von der staatlichen Zentralverwaltung ignoriert (230). Im Pyramidenkomplex des Amenemhet I. in Lischt Nord traten zahlreiche Reliefspolien aus dem Alten Reich auf, die vielleicht von Göttertempeln aus jener Epoche in Memphis oder Lischt stammen (232–233). Der Sonnentempel des Niuserre aus der 5. Dynastie wurde als einziges Beispiel mit Dekoration versehen (240). Die Kulttempel der Pyramiden folgten ab der Zeit des Unas einem festen Standard (343). Das früheste bekannte »mr.t«-Heiligtum wurde von König Snofru errichtet (249).
U. Rummel erörtert die Grabtempel der Hohepriester Ramsesnacht und Amenophis in Dra Abu el-Naga. Das ägyptische Grab nahm in der Ramessidenzeit tempelähnliche Merkmale an (281). Der Gebrauch von Hathorsäulen wurde von Ramsesnacht als Innovation eingeführt (284). Der Grabkomplex des Ramsesnacht und Amenophis kündigt in der Ferne die monumentalen Spätzeitgräber an (290).
A. J. Spalinger blickt auf die ägyptische Mentalität und Fahrt des Re. Die Steinbarke außerhalb des Sonnentempels des Niuserre kann vielleicht mit der schriftlich bezeugten Barke im Palermostein identifiziert werden (308). Der Medinet Habu-Kalender von Ramses III. könnte mit der Betonung auf Tag 29 eine Parallele zur Fahrt des Re im Sonnentempel des Neferirkare bieten (309). Der Tag 29 markiert die synodische Wiederbegegnung von Sonne und Mond (310). Die Modellbarken des Re können wohl mit dessen täglichen und nächtlichen Reisen in Verbindung gebracht werden (313).
Der Rezensent tendiert zu folgender Beurteilung. Die Beiträge sind mehrheitlich durchaus interessant zu lesen. In wenigen Fällen hängen sie nur lose mit dem Oberthema zusammen.