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Ausgabe:

November/2020

Spalte:

1049–1050

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Meyer-Blanck, Michael [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Nach der Reformation. Deutsch-polnische Beiträge im europäischen Kontext.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2019. 210 S. Kart. EUR 36,00. ISBN 978-3-374-06153-2.

Rezensent:

Volker Gummelt

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Partnerschaft der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn mit der Christlich-Theologischen Akademie Warschau fand im September 2018 in Bonn ein Symposium statt, dessen Vorträge in dem vorliegenden Band publiziert sind. Alle Beiträge stehen unter dem allgemeinen und zugleich komplexen Thema: »Die Rolle von Religion und Theologie in Europa nach der Reformation«. Dabei soll die Formulierung »nach der Reformation« – wie der Initiator dieser Tagung Michael Meyer-Blanck in seiner Einführung betont – nicht in erster Linie zeitlich, sondern vor allem in dem Sinne von »entsprechend der Reformation« verstanden werden. Wichtig war dem Veranstalter zudem, nicht nur deutsche und polnische Sichtweisen zu dem Thema zu vereinen, sondern zugleich Perspektiven verschiedener theologischer Fächer, unterschiedlicher Konfessionen und anderer universitärer Fachrichtungen zusammenzubringen.
So hielt der Kultursoziologe Clemens Albrecht den Eröffnungsvortrag »Zur Säkularisierung der europäischen Deutungsmuster von Religion«, in welchem er ein Konglomerat verschiedenster Themen und Theorien der neueren Religionssoziologie vorstellt. Unter einem theologiegeschichtlichen Blickwinkel beleuchtet Martina Kumlehn die Konstellation von Religion, Aufklärung und Bürgertum zu Beginn des 19. Jh.s anhand ausgewählter Aussagen Friedrich Daniel Schleiermachers. Andreas Pangritz konzentriert sich in seiner »Response« auf Kumlehns Beitrag auf den Begriff des Bürgertums und zeichnet einige charakteristische Züge in der konfliktreichen Entwicklung des Bürgertums in der ersten Hälfte des 19. Jh.s auf. Jarosław Płuciennik zieht in einer kulturwissenschaftlichen Untersuchung zu »Religion, Enlightenment, Pluralism in Present Europe« verschiedene Entwicklungslinien von der Reformation über die Aufklärung hin zum Pluralismus der Gegenwart. Unter den Stichworten »Enlightenment, State and Religion« vergleicht der Jurist und Theologe Tadeusz J. Zieliński die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 sowie die US-Verfassung des Jahres 1787 mit der polnischen Verfassung vom 3. Mai 1791 im Hinblick auf die Gewissensfreiheit. Die Beiträge von Jakub Slawik und Monika Marose betrachten jeweils die Kategorie des Fremden im Alten Testament und ziehen daraus Rückschlüsse für den aktuellen Umgang mit Migranten in Europa. Marcin Hintz und Tabea Knura präsentieren ihre Sicht von »Glauben, Wahrheit und Verantwortung«, um daraufhin aus ihrem jeweiligen Blickwinkel Gedanken zu »einer ethischen Perspektive für Europa« darzulegen. In das vielschichtige Verständnis von »Glaube, Wahrheit und Konsens« bei Jürgen Habermas führt Daniel Bauer ein. Die dazugehörige »Response« von Jerzy Sojka zeigt einige Anknüpfungsstellen und Analogien zum Modell von Habermas in zwei Studiendokumenten des Lutherischen Weltbundes, die im Jahr 2016 im Rahmen der Vorbereitung zum Reformationsjubiläum erschienen waren. Bert Roebben stellt das katholische religionspädagogische Projekt »Sacred Spaces, Rituals and Texts in European Teacher Education« vor. Als Fazit ihrer Überlegungen zum »Religionsunterricht in der Zukunft« formuliert Laura Wolst, dass der konfessionelle Religionsunterricht zukünftig »streng interreligiös ausgerichtet sein« sollte. Die beiden abschließenden Studien von Bogusław Milerski und von Andreas Obermann benennen jeweils Aufgaben der derzeitigen Religionspädagogik angesichts eines Europas nach der Reformation und der Säkularisierung.
Somit dokumentiert der Großteil der Beiträge dieses Bandes die vielfältigen Herausforderungen, vor denen Religion und Theologie insgesamt in einem zusammenwachsenden Europa stehen. Die Studien aus deutscher und polnischer Perspektive, die verschie-denste Fragestellungen hinsichtlich des gestellten Themas behandeln, ergänzen sich im gegenwärtigen Kontext vielfach, obwohl sie oftmals aus deutlich unterschiedlichen historischen Situationen er­wachsen sind. Einigen Untersuchungen ist jedoch anzumerken, dass dabei Forschungsprojekte aus anderen Zusammenhängen unter der Allgemeinheit des Themas subsumiert wurden.