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Ausgabe:

Oktober/2020

Spalte:

1020–1021

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Munsonius, Hendrik

Titel/Untertitel:

Kirche und Recht.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2019. 177 S. = Kompendien Praktische Theologie, 2. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-17-034090-9.

Rezensent:

Georg Kalinna

Da das Recht die kirchliche Wirklichkeit in entscheidender Weise prägt, ist es in kirchlichen wie theologischen Kontexten hilfreich, wenn nicht unerlässlich, über rechtliche Grundprobleme und -fragen informiert zu sein. Daher ist es nur konsequent, dass die Herausgeber der Reihe »Kompendien Praktische Theologie« dem Verhältnis von Kirche und Recht einen eigenen Band gewidmet haben. Mit Hendrik Munsonius haben sie für diese Aufgabe einen kundigen Fachvertreter gewinnen können, der als Oberkirchenrat am Kirchenrechtlichen Institut der EKD an der Universität Göttingen mit seiner Expertise in Forschung und Lehre bestens geeignet ist, ein breiteres Publikum mit diesem Themenbereich vertraut zu machen.
In fünf Kapitel entfaltet M. kirchentheoretische Grundlagen (1.), historische Perspektiven (2.), rechtssystematischen Grundlagen (3.), eine Darstellung des Kirchenrechts unter der Überschrift »Ordnung kirchlichen Handelns« (4.) und ein kurzes Abschlusskapitel, das »Horizonte« (5.) bietet.
M. analysiert den Kirchenbegriff aus einer eindrücklichen Vielfalt interdisziplinärer Perspektiven, die er gut lesbar und prägnant zusammenführt (Kapitel 1). Der systematisch entscheidende Ausdruck ist hierbei der des ›kirchlichen Handelns‹, der mehrere Pointen beinhaltet. Zunächst besagt der Ausdruck, dass Rechtssetzung »kein Selbstzweck« (22) ist, sondern auf die Eröffnung und Strukturierung von Gestaltungsräumen bezogen ist, so dass die Beschäftigung hiermit dazu dient, »die eigenen Handlungsmöglichkeiten besser einzuschätzen« (ebd.). Sodann ist ›kirchliches Handeln‹ ein hilfreicher Ausdruck zur Verschränkung der kirchentheoretischen und der rechtswissenschaftlichen Perspektive. Schließlich kann M. hiermit unterschiedliche Regelungsbedürfnisse sichtbar machen und führt zu diesem Zweck eine hilfreiche Typologie kirchlicher Handlungsfelder ein, die er als Konstitutiva, Vitalia, disponierendes und kirchenleitendes Handeln (22–25) bezeichnet. Zu den Kon stitutiva zählt M. diejenigen Bereiche kirchlichen Handelns, die aufgrund ihres Bezugs zur Kommunikation des Evangeliums für die Kirche konstitutiv sind (Gottesdienst, Amtshandlungen und Seelsorge). Die Vitalia sind dagegen Folge des Evangeliums bzw. »Ausdruck einer lebendigen Kirche« (23) wie das kirchliche Bildungshandeln, die Diakonie und der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche. Disponierendes Handeln ist demgegenüber das Handeln, das der Bereitstellung der Ressourcen dient, die für das konstitutive und das vitale Handeln nötig sind. Die Kirchenleitung bestimmt M. als Instanz, die das Handeln in allen diesen Feldern koordiniert (24).
Im Anschluss daran rekapituliert M. knapp, aber inhaltsreich die wichtigsten historischen Etappen des Verhältnisses von Recht und Kirche (Kapitel 2). Dieser historische Abriss mündet in einen Ausblick, der den demographischen Wandel als die »größte Herausforderung für das staatliche Religions- wie das Kirchenrecht« (52) identifiziert. Angesichts dessen wird es, so M., darum gehen, dass das Recht weiterhin dazu beiträgt, »das kirchliche Handeln wirkungsvoll zu gestalten« (53). Er gibt gleichzeitig zu erkennen, dass er das geltende Religionsverfassungsrecht hierfür weiterhin als »einen geeigneten Rahmen« (ebd.) ansieht.
In den rechtssystematischen Grundlagen (Kapitel 3) stellt M. in einer auch für juristische Laien gut verständlichen Art und Weise zentrale Funktionen und Logiken rechtlicher Mechanismen dar. So informiert er nicht nur über Rechtstheologie (57–59), das Religionsrecht (59–70) und das Kirchenrecht (70–82), sondern er erläutert auch allgemeine Funktionsbeschreibungen des Rechts sowie geltungstheoretische Grundfragen (54–57).
Wer sich über konkrete Rechtsfragen im kirchlichen Kontext informieren möchte, wird besonders im umfangreichsten vierten Kapitel fündig, in dem M. das Kirchenrecht unter der Überschrift »Ordnung kirchlichen Handelns« (83) darstellt. Hierbei geht er so vor, dass er zunächst die Strukturen (84–97), Personen (97–117) und Verfahren (117–129) entwickelt, die dem kirchlichen Handeln zu­grunde liegen, bevor die zuvor entwickelten Handlungsformen der Konstitutiva (129–138), Vitalia (138–146) und des disponierenden Handelns (146–152) in den Blick kommen. Der Band informiert dabei auch über gegenwärtig kontroverse Themenkomplexe wie etwa den sogenannten »Dritten Weg« im kirchlichen Arbeitsrecht, die Ablösung der Staatsleistungen oder die Kirchensteuer. Die sachlichen Ausführungen helfen dabei, etwaig vorhandene Vorurteile und Missverständnisse gegenüber dem geltenden Recht aufzuklären. Lediglich als Quisquilie sei angemerkt, dass die konsequente Verwendung des generischen Maskulinums beim Rezensenten für Irritation gesorgt hat. An die Herausgeber ist die Frage zu richten, ob es tatsächlich in ihrem Sinne ist, wenn in einem Band nur von »Theologen«, »Pfarrern« und »Juristen« die Rede ist. Jenseits dessen bietet M. in hervorragender Weise das, was die Reihe verspricht: einen kompakten, anschaulichen und fundierten Überblick über ein gegenwartsrelevantes Feld der Praktischen Theologie.