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Ausgabe:

Oktober/2020

Spalte:

1009–1011

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Franke, Arnd

Titel/Untertitel:

Stewardship. Das bedeutendste Pastoralkonzept in den USA als Inspiration für den deutschen Kontext.

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2019. 283 S. Geb. EUR 29,90. ISBN 978-3-402-13380-4.

Rezensent:

Norbert Mette

Diese Studie von And Franke, eine von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum angenommene Dissertation, ist aus dem an dieser Fakultät angesiedelten Forschungsprojekt Crossing over hervorgegangen. Ein inzwischen abgeschlossener Schwerpunkt dieses Projekts widmete sich der Frage eines möglichen Transfers von im Gemeindeleben in den USA gemachten Erfahrungen in die hiesige pastorale Praxis. Die vorliegende Studie hat dies am Beispiel des in den USA unter dem Stichwort Stewardship verbreiteten Pas­toralkonzepts unternommen. Ihr Verfasser ist seit dem Ab­schluss des Promotionsverfahrens als Pfarrer in Potsdam tätig.
Gegliedert ist die Arbeit in zehn Kapitel. Laut Einleitung (Kapitel 1) hat F. seine Untersuchung als Beitrag zu der von Adolf Exeler vorgeschlagenen komparativen Pastoraltheologie konzipiert, und zwar methodisch auf der Grundlage des von Christian Bauer konzipierten abduktiven Diskursmodells. Im 2. Kapitel geht es um die Klärung des Begriffs und Konzepts von Stewardship. Etymologisch hängt er mit dem Begriffsfeld des Wachens und Hütens von Gütern zusammen, die jemandem anvertraut sind. Aus dem Ge­brauch des im anglophonen Sprachraum geläufigen Wortes lassen sich nach F. drei Perspektiven herauskristallisieren, die der Beziehung, die des Wachstums und die der Wächterschaft. Sie durchziehen als Ankerbegriffe die weitere Untersuchung. Weitergeführt wird der etymologische Befund durch Hinweise auf den Begriffsgebrauch in der Ökologie, der Ökonomie, der Philosophie und schließlich in der Bibel. In deren Übersetzung ins Englische werden die Begriffe stew-ard und stewardship für das griechische Wort oikonomía verwendet. Den theologischen Gehalt dessen und seines semantischen Um­felds zeigt F. anhand ausgewählter Bibelstellen auf.
Wie der Begriffsgebrauch von Stewardship aus seinen protestantischen Ursprüngen in den US-Katholizimsus übergegangen ist und welche unterschiedlichen Akzentsetzungen damit verbunden worden sind, wird im 4. Kapitel beschrieben. Zur inhaltlichen und sachlichen Klärung hat ein Pastoralbrief der amerikanischen Bischöfe aus dem Jahr 1992 mit dem Titel »Stewardship – A Dis-ciple’s Response« beigetragen. Seinen Hintergründen, dem Inhalt, der Theologie und Wirkungsgeschichte geht das 5. Kapitel nach.
Zur Verbreitung dieses Pastoralkonzepts dient das International Catholic Stewardship Council (ICSC), das auch Regionen außerhalb der USA umfasst. Sechs Pfarrgemeinden in verschiedenen Teilen der USA, die diesem Verbund angehören, hat F. ausgewählt, in denen er mittels teilnehmender Beobachtung erkundet hat, wie sie sich mithilfe des Stewardship-Konzepts sich der in ih­nen jeweils unterschiedlich stellenden pastoralen Herausforderungen vergewissern und sie angehen. Die so gewonnenen Einsichten, die das 7. Kapitel vorstellt, bieten ein breites Panorama, an­gefangen vom Fundraising über das Teilen von Verantwortung im Gemeindeleben bis hin zum Bemühen zur Gewinnung einer spirituell fundierten christlichen Identität in einer säkularen Umwelt.
Die Kapitelfolge der Arbeit wird durch drei »interpretative Zwischenblenden« unterbrochen. Mit ihnen beabsichtigt F. eine vertiefende hermeneutischen Reflexion der Theologie des Stewardship-Konzepts, nicht zuletzt mit Blick auf dessen mögliche Relevanz für Deutschland. Die erste Zwischenbilanz (Kapitel 3) ent-faltet mithilfe des Rückgriffs auf die Tugendethik des Moraltheologen James Keenan Stewardship die Entwicklung einer Gemeindespiritualität. Die zweite Zwischenblende (Kapitel 6) zeigt u. a. mit Verweis auf den Zusammenhang von Geld und Pastoral auf, wie sich aus Stewardship ein spirituell begründetes pastorales Managementkonzept gewinnen lässt. In der dritten Zwischenblende (Kapitel 8) werden ergänzend zwei weitere Modelle für eine partizipative Kirchenentwicklung aus Südafrika und den Philippinen herangezogen und mit dem Stewardship-Konzept verglichen.
Die beiden letzten Kapitel 9 und 10 sind der Frage des möglichen Transfers nach Deutschland gewidmet. Dabei wird insbesondere das hierzulande entwickelte Konzept der Lokalen Kirchenentwicklung untersucht und aufgezeigt, wie zu den ihm innewohnenden Desideraten das Stewardship-Konzept Lösungen anzubieten vermag.
Diese Studie unterstreicht am Beispiel des Themas Kirchenentwicklung, das derzeit in beiden deutschen Großkirchen hochaktuell ist, die Fruchtbarkeit eines Blicks über den hiesigen Tellerrand hinaus in andere Regionen der Weltkirche und der Ökumene. Das Stewardship-Konzept gibt der hiesigen kirchlich-pastoralen Planungsarbeit wichtige Anregungen nicht nur in methodischer Hinsicht, sondern vermag auch zu deren theologischen und spirituellen Vertiefung beizutragen. Das Verständnis, dass so wie die Welt auch die Kirche von Gott den Gläubigen (und zwar allen) anvertraut und nicht deren Eigentum ist, ist dafür grundlegend. Ein wenig zu kurz kommt insgesamt, gerade auch in den Fallbeispielen, die damit gegebene Weltverantwortung von Kirche und Ge­meinde.