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Ausgabe:

Oktober/2020

Spalte:

915–916

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Birk, Ralph

Titel/Untertitel:

Türöffner des Himmels. Prosopographische Studien zur thebanischen Hohepriesterschaft der Ptolemäerzeit.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2020. V–XI, 566 S. m. 25 Abb., 40 Tab. u. 51 Tfn. = Ägyptologische Abhandlungen, 76. Geb. EUR 168,00. ISBN 978-3-447-11278-9.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation repräsentiert die überarbeitete Version der Doktorarbeit von Ralph Birk, die 2015 an der Ludwig-Maximilians-Universität München verteidigt wurde. B. hat sich die Untersuchung der thebanischen Hohepriesterschaft des ptolemäischen Ägypten als Ziel gesetzt.
In I werden einleitende Worte vorangestellt. In die Studie werden nach eigenen Angaben alle zugänglichen publizierten und unpublizierten thebanischen Privatdenkmäler des 4. bis 1. Jh.s. v. Chr. mit Namen und Titeln einbezogen (5).
In II werden die Dossiers der Ersten Propheten des Gottes Amun entwickelt. Das Graffito des Chapochrates am Luxortempel aus dem Jahr 320 v. Chr. bietet einen wichtigen chronologischen Fixpunkt für die Familie der Ersten Propheten des Amun (20). Das Amt des Ersten Propheten hat Osoroeris III. wohl erst am Ende seiner Karriere erhalten (41). Die Familie der Ersten Propheten des Amun ist seit der 30. Dynastie bis in das 3. Jh. v. Chr. historisch fassbar, der nächste sichere Träger des Amtes tritt erst wieder mit Espmetis II. am Ende des 2. Jh.s v. Chr. auf (63). Die Ähnlichkeiten in der Titulatur des Espmetis II. und der frühptolemäischen Ersten Propheten des Amun von Spotus I. bis Osoroeris III. deuten vielleicht auf eine gewisse Kontinuität im Amtsverständnis hin (65). Espmetis II. nahm als einziger Erster Prophet des Amun ein Priesteramt des ptolemäischen Königskultes wahr (66). Der genealogische An­schluss des Espmetis II. an die Ersten Propheten der frühen Ptolemäerzeit scheidet gleichwohl aus (66). Die Ersten Propheten des Amun trugen von der 30. Dynastie bis in die späte Ptolemäerzeit den charakteristischen Titel »Diener des Horus und Diener der Weißen«, der auf die Dualität des ägyptischen Königtums hinweist (73). Die Rolle des Ritualakteurs im Ort Djeme zählte zu den zentralen Aufgaben der Ersten Propheten des Amun (75). Die Familie der Ersten Propheten des Amun lässt sich über sieben Generationen verfolgen (78). Die Belege für die Ersten Propheten des Amun reißen mit Beginn des 1. Jh.s v. Chr. ab (78).
In III werden die Dossiers der Zweiten Propheten des Amun durchgeführt. Der älteste bekannte Zweite Prophet des Amun taucht in der ersten Hälfte des 4. Jh.s v. Chr. in Gestalt von Nechtmonthes auf (83). Der Zweite Prophet des Amun Spotus war mit der Leitung eines Richterkollegiums betraut (111). Die seltenen Titel »Vorsteher der Truppe der Domäne des Amun in den vier Phylen« und »Schreiber der Truppe« des Spotus hängen vielleicht mit den archaistischen Tendenzen der 30. Dynastie zusammen (113). In der Zeit vom 4. bis 2. Jh. v. Chr. sind sechs Zweite Propheten des Amun bekannt (119).
In IV werden die Dossiers der Dritten Propheten des Amun erläutert. Der Dritte Prophet Nechtmonthes I. war offenbar zwischenzeitlich in Ungnade gefallen und später rehabilitiert worden (146). Die rekonstruierte Genealogie der Dritten Propheten wird nach der Generation des Nechtmonthes I. durch einen Bruch markiert (146). Im ptolemäischen Theben gab es zwei Dritte Propheten des Amun mit dem Namen Chapochonsis, von denen der erste in der Mitte des 3. Jh.s v. Chr. und der zweite in der frühen ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. lebte (197). Der Dritte Prophet Nechtmonthes I. besaß den Titel »Schreiber des Tempels«, der unter den Ersten bis Vierten Propheten des Amun und Gouverneuren von Theben nur noch ein weiteres Mal vorkommt (208). Der Stammbaum der Dritten Propheten des Amun erstreckt sich über elf Generationen vom beginnenden 3. Jh. v. Chr. bis ans Ende des 2. Jh.s v. Chr., wobei keine lückenlose genealogische Abfolge besteht (227).
In V wird zu den Dossiers der Vierten und Fünften Propheten des Amun übergewechselt. Die genealogischen Wurzeln des Fünften Propheten des Amun Monthemhet III. reichten in die Familie der Vierten Propheten des Amun hinein (251). Die Familie des Monthemhet III. deckt einen Zeitraum von der Wende des 3. zum 2. Jh. v. Chr. bis in die zweite Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. ab (257). Die Titulatur des Nesmin I. zeichnet sich unter den fünf bekannten Vierten Propheten des Amun durch die größte Ausführlichkeit aus. In der Familie der Vierten Propheten des Amun ist der Titel »Semati von Koptos/Großer Semati« als wichtiges Erkennungsmerkmal zu finden (262). Die Vierten Propheten des Amun sind in eine spätdynas-tisch-frühptolemäische Gruppe mit Nesmin I. als Stammvater und die Familie des Monthemhet III. aus dem 2. Jh. v. Chr. zu unterteilen (277). Der Prophet Nesmin I. hatte verschiedene Schreiberämter inne und war auf religiöser Ebene am Kult der Göttin Maat beteiligt (278). Die Vierten Propheten Monthemhet II. und Monthemhet III. bekleideten das Amt des Großen Gouverneurs in Theben (278).
In VI werden die Dossiers der Gouverneure in Theben besprochen. Die thebanischen Gouverneure rekrutierten sich aus elf Familien, die vom 3. bis 1. Jh. v. Chr. attestiert sind (281). Die Familie des Nesmin II. diente von der Mitte des 3. Jh.s v. Chr. bis zu Be­ginn des 1. Jh.s v. Chr. in der thebanischen Hohepriesterschaft. Das Amt des Großen Gouverneurs war mit exklusiven Titeln und Epitheta versehen, zu denen z. B. »der den Horizont betritt und sieht, was in ihm ist« gehörte (335). Die erhaltenen Denkmäler der thebanischen Pries-terschaft der Ptolemäerzeit bezeugen zehn Familien als Inhaber des Amtes des Großen oder Nachfolgenden Gouverneurs in Theben, zwischen denen keine Verbindungen existierten (377). Das Amt des Gouverneurs wurde innerhalb von zehn Familien nur in einem Fall vom Vater auf den Sohn vererbt (386). Der Titel »Türöffner des Himmels« wurde den Großen / Nachfolgenden Gouverneuren als einziger einheitlicher Priestergruppe zuerkannt (415).
In VII wird die diachrone Entwicklung der Familien der thebanischen Hohepriesterschaft nachgezeichnet. Die Ersten, Zweiten und Vierten Propheten treten im 4. bis 3. Jh. v. Chr. über mehrere Generationen im Familienverbund auf (429). In VIII schließen sich Schlussbetrachtungen an.
In IX folgt das prosopographische Register, in welchem die im Buch vorher zitierten Objekte mit einschlägigen Informationen einzeln aufgelistet werden. In X wird das Literaturverzeichnis (523–553) hinzugefügt. In XI wird das Register angehängt. Der Tafelteil (1–51) verhilft zu einem visuellen Eindruck eines Teils der Denkmäler.
Die folgende Bewertung meint der Rezensent vertreten zu können: Die Erwartungen an das Buch sind nicht enttäuscht worden. Die meisten Ergebnisse können durchaus positiv beurteilt werden. Der Lesefluss wird ganz selten durch abrupte Gedankensprünge gehemmt, z. B. bei der Besprechung der Stele der Neschonsu im Vergleich zur Statue des Osoroeris II. (25–26). Der explizite Hinweis auf »ptolemäische« Schreibungen, die gleichzeitig schon im Altägyptischen begegnen (27–28), ist nicht besonders hilfreich.