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Ausgabe:

September/2020

Spalte:

853–856

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Lange, Dietz

Titel/Untertitel:

Glaube in fremder Zeit.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2019. XIII, 244 S. Kart. EUR 24,00. ISBN 978-3-16-158301-8.

Rezensent:

Hartmut von Sass

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Marschler, Thomas, u. Thomas Schärtl [Hrsg.]: Herausforderungen und Modifikationen des klassischen Theismus. Bd. 1: Trinität. Münster: Aschendorff Verlag 2019. VII, 460 S. = Studien zur systematischen Theologie, Ethik und Philosophie, 16/1. Geb. EUR 61,00. ISBN 978-3-402-11820-7.


Gelebter christlicher Glaube ist nie und nirgends selbstverständlich, und daher bedarf er der unablässigen selbstkritischen Reflexion auf die ihn begründenden geschichtlichen Zusammenhänge und Sprachtraditionen, seine theoretisch-weltanschaulichen An­nahmen und seine ethisch-sozialen Implikationen. In diesem Sinne hat Dietz Lange viele Jahrzehnte lang Generationen von Studenten an das Geschäft der Systematischen Theologie herangeführt – immer in enger Tuchfühlung mit der historisch-kritisch gelesenen Bibel, der Geschichte des christlichen Denkens sowie mit den theologischen und philosophischen Strömungen und Entwürfen der Gegenwart. Nachdem er in umfangreichen Lehrbüchern der Ethik (1992) und Dogmatik (2001) durchgearbeitete Einsichten und Erträge einer langen Reihe von Semestern zusammengefasst hatte, hat er sich ebenso intensiv wie extensiv mit Nathan Söderblom jemandem gewidmet, der, in den Traditionen eines modernitätsoffenen Luthertums stehend, das (evangelische) Christentum im Kontext der Religionen gedeutet und vertreten hat. In seinem hier vorliegenden neuesten Buch zeigt L. mehrfach, inwiefern er aus diesen historischen Studien auch noch einmal Gewinn für sein systematisch-theologisches Denken gezogen hat.
Für die gegenwartsspezifische Variante der Zeitfremdheit des christlichen Glaubens macht er zwei große Erschütterungen seiner Selbstverständlichkeit namhaft: Einmal verweist er auf die histo-rische Kritik hin, die alle hergebrachten Geltungsansprüche christlicher Traditionen relativiert hat; zum anderen benennt er die Lebens- und Denkbedingungen einer sich globalisierenden, pluralistischen Gesellschaft, in der christlicher Glaube sich als ein System religiöser Selbst- und Weltdeutung neben anderen zu verstehen und zu artikulieren hat. Die drei unabhängig voneinander entstandenen Einzelstücke dieses Bandes sind miteinander durch den Bezug auf dieses Problemsyndrom verknüpft.
Unter dem Stichwort »Wort Gottes und menschliche Sprache« geht der erste Beitrag (1–95) der Frage nach, inwiefern unter den Bedingungen der Moderne redlicherweise davon die Rede sein kann, dass ein gegenwärtiger Mensch in dem von Jesus von Nazareth ausgehenden sprachlichen Überlieferungszusammenhang der an ihn sich richtenden, ihn zur Sprache bringenden Zuwendung Gottes, des Absoluten, innewird. Allen Versuchen, christ-lichen Glauben und christliche Theologie auf eine dogmatische, quasi-gegenständliche Rede von einem Wort Gottes zu basieren, durch welches in der Welt menschlichen Sprechens, Hörens und Denkens das Absolute selbst sich in Menschensprache vernehmlich mache, erteilt er eine deutliche Absage; besonders lehrreich ist die kritisch-respektvolle Auseinandersetzung mit Gerhard Ebeling (14–27). Aber dennoch ist L. keinesfalls bereit, den Wort-Gottes-Begriff umstandslos der Dogmengeschichte zu übergeben. Vielmehr interpretiert er ihn im weit ausgreifenden Rückbezug auf sprachphilosophische Denktraditionen als eine unentbehrliche Metapher, die dafür steht, dass die christliche Religion sich wie alle Religion durch das Widerfahrnis von Transzendenz, des »Heiligen«, entbunden weiß und deshalb unterbestimmt bleibt, wenn sie als lediglich inner- bzw. intrasubjektives Geflecht von Sinnkonstruktionen gedeutet wird, welches erst sekundär das Postulat eines allbedingenden Unbedingten aus sich heraussetzt. Die allerdings wie auch der verwandte Offenbarungsbegriff auf die religionsphilo-sophische Ebene zu transponierende Rede vom »Wort« Gottes sei sachlich berechtigt, denn sie bringe treffend zum Ausdruck, dass das alle Religion erst hervorbringende prius, das Widerfahrnis von Transzendenz, eben zur worthaften, vernünftigen, auf Verstehen abzielenden Rechenschaft auffordere und ermächtige. Letztlich wird diese Rechenschaft allerdings immer auf dieses Transzendenzwiderfahrnis verweisen müssen, das sich jeder nachgängigen Rationalisierung entzieht:
»Natürlich lässt sich die Berechtigung solcher Begründung religiöser Autorität in einer göttlichen Offenbarung nicht von einem Standpunkt außerhalb eines religiösen Bewusstseins beweisen. Dasselbe gilt jedoch auch von der dogmatisch-atheistischen Gegenthese, das Heilige sei bloße menschliche Erfindung. Von einem religionsphilosophischen Standpunkt scheint es zumindest plausibel, dass Religion tatsächlich auf göttliche Offenbarung zurückgeht. Das müsste dann aber für alle Religionen gelten. Für eine solche Annahme lassen sich die vielen Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen anführen, wenngleich natürlich nur für ihre Möglichkeit, nicht für ihre Notwendigkeit.« (63)
Für diese These verweist L. neben Schleiermacher und Otto Pfleiderer auch auf Söderblom.
Der eben zitierte Satz bezeichnet den Bedingungsrahmen, in den sich L.s Ausführungen zu Jesus Christus als dem »Wort Gottes schlechthin«, zugleich dem »Wort des Glaubens in Person« (84) fügen: Hier knüpft L. offenkundig, selbständig Anregungen von Emanuel Hirsch und Gerhard Ebeling verarbeitend, an Motive von Luthers Christologie an – unter durchgängiger Berücksichtigung der historischen Bibelkritik mitsamt ihren Voraussetzungen. Er erliegt also nirgends der Versuchung zur emphatischen Anempfindung, die so leicht zu repristinatorischen Kurzschlüssen (ver)führt (vgl. 26.84 f. mit Anm. 103). – Damit ist der Problemgehalt der beiden folgenden Stücke des Bandes antizipiert. L.s Ausführungen über »Säkularisierung – Pluralismus – christliche Identität« (97–157) führen diejenigen über christliches Glauben in theologisch akzeptierter religiöser Pluralität weiter, denn in der Gegenwart, so seine Diagnose, ist durch »den nicht zu eliminierenden Gegensatz der Religionen […] der gesellschaftliche Pluralismus vollständig, aber zugleich auch erheblich komplizierter geworden« (136).
L. wendet sich gegen ein Verstehensmuster, das hier so etwas wie eine marktförmige Situation der Konkurrenz zwar unterschiedlicher, aber funktionsäquivalenter Sinndeutungskonzeptionen ausmachen will. Der Anspruch aller Religionen, sich einem Widerfahrnis von Transzendenz, göttlicher Offenbarung, zu verdanken, mache es unmöglich, die Religionen auf einen solchen Wettbewerb festzulegen, in dem es letztlich darum gehe, wer das höchste Maß an wünschenswerter gesellschaftlicher Effizienz zu erbringen vermöge, wobei stillschweigend vorausgesetzt werde, über die Maßstäbe des Wünschenswerten bestehe immer schon Konsens. Dem hält L. entgegen, dass bei dieser Erschleichung »Religion« immer schon mit (liberal-protestantischem) Christentum gleichgesetzt werde. Gegenüber solchen Konsens-Modellen macht er geltend, dass kein Königsweg am klassischen Toleranzpostulat vorbeiführt, welches nötigenfalls durch den religiös neutralen Staat durchgesetzt werden muss. In diesem Zusammenhang setzt sich L. ausführlich mit Eilert Herms auseinander (117–121), der genau dieses Verständnis des Staates seiner historischen Genese wegen als genuin protestantisch reklamiert – dabei scheinen mir die beiden Positionen so weit nicht auseinanderzuliegen, zumal ja auch L. die Frage benennt, ob dieses Verständnis des Staates als Toleranzerzieher und -garant überhaupt außerhalb seines Herkunftskontextes plausibel und praktikabel ist. Auf dieser Basis plädiert er, angeregt durch sozialphilosophische Überlegungen Söderbloms, für eine Kultur des beharrlichen Dialogs, der gegebene Differenzen nicht überspielt, sondern markiert und aushält und damit in geduldiger Kleinarbeit Verhältnisse anbahnt, in denen »Wettbewerb und Zusammenarbeit« (148 f. u. ö.) bestimmend sind. – In diesem Zusammenhang kommt L. darauf zu sprechen, dass es gegenwärtigem Protestantismus schwerfalle, in solchen Dialogen ein unverwechselbares und unverhandelbares Proprium klar zu artikulieren: Das könne »Ausdruck der uneingestandenen Befürchtung sein, dass er des ›Kaisers neue Kleider‹ trägt« (155).
Als akademischer Lehrer und als Autor hat L. ein Leben lang daran gearbeitet, derartige Befürchtungen als unbegründet zu erweisen, und im letzten Kapitel des hier anzuzeigenden Buches (»Ge­wissheit und Vergewisserung«, 159–234) tut er es noch einmal eindrücklich. Seine bisherigen Erörterungen, so stellt er fest, haben dargelegt, dass christlicher Glaube in der Gegenwart damit zu leben hat, dass Sprach- und Vorstellungsmuster, die einst als unerschütterliche Fundamente geschätzt wurden, lediglich metaphorischen Wert haben und dass er selbst nur ein Glied in einer Vielfalt gelebter und reflektierter Religionen ist. Dieses Problem hat »in der Tiefe nicht bloß intellektuellen, sondern existentiellen Charakter« (172 f.), und so wirft es die Frage nach der »Gewissheit und Vergewisserung« auf. Im Phänomen der Gewissheit sind individueller und kommunikativer Aspekt, Subjektivität und Gegenstandsbezug in eigentümlicher Weise miteinander verschränkt (175 f.), und so führt die Gewissheit in der Mannigfaltigkeit ihrer Bezüge auf das Gewissen zurück, das noch einmal »eine innere Differenz innerhalb des Subjekts« (177) anzeigt. Es ist dieser Kontext, in dem die Frage nach dem Glauben und seiner Gewissheit zu bedenken ist, ist doch die Beziehung zum Transzendenten nie gegenständlich-direkt, sondern immer vermittelt durch die Beziehungsgeflechte, in denen das Subjekt lebt und webt. Sie ist also in ihren Erscheinungs- und Ausdrucksformen vielgestaltig. Folgerichtig rekapituliert L., beginnend mit Luther, eine Reihe von neuzeitlichen Konfigurationen der Gewissheitsproblematik. Dabei stellt er Denkmodelle einander gegenüber, welche entweder die Gewissheitsfrage durch den Verweis auf objektive, außersubjektive Instanzen beantworten, oder aber das Subjekt radikal auf sich selbst als Produzent en seiner eigenen Gewissheit verweisen. Den Kurs, den er zwischen diesen Extremen steuert, deutet er schon semantisch an, indem er der Gewissheit als einem möglichen bzw. erstrebten Zu­stand den lebendige Bewegung signalisierenden Begriff der Vergewisserung gegenüberstellt. Er hat sein Widerlager an der spezifisch neuzeitlichen Situation, in der sich mögliche Transzendenzerfahrung und gegenständliches Bewusstsein dergestalt voneinander entfernt haben, dass die Realitätshaltigkeit der ersteren sich im letzteren schlechterdings nicht mehr zwingend verifizieren lässt (217 f.); in anderem Zusammenhang schreibt L., »dass keine objektive Instanz die Entscheidung zwischen Glaube und Unglaube treffen kann« (226).
Es ist nach L. genau diese Situation, in der die dynamischen Grundspannungen im christlichen Glauben wieder so deutlich hervortreten wie in seiner Ursprungsperiode: Gott ist zugleich gedacht und erfahren als Richter und Versöhner, der Mensch als verlorener und erlöster Sünder: »Die Klammer, welche dies alles miteinander verbindet, ist nach christlicher Überzeugung das Kreuz Jesu. Das Kreuz ist geradezu der Inbegriff des nicht Selbstverständlichen« (219). Die Botschaft von der Auferweckung stuft das Ärgernis des Kreuzes nicht etwa zurück in die Stellung einer überwundenen Episode, sondern qualifiziert vielmehr gerade das Kreuz zum Wort Gottes. Der Ort, an dem dieses Wort Gottes im Glauben zur Vergewisserung wird, ist das Gebet, das den Menschen jedoch nicht solipsistisch vereinzelt, denn die »Vergewisserung durch Gott erfolgt nicht an der Lebenswirklichkeit der Wechselwirkung, der Selbst- und Weltgewissheit vorbei, sondern wird intersubjektiv vermittelt« (230).
So weit meine Hinweise auf einige Grund- und Leitgedanken dieses Buches. L. entfaltet sie durchgängig im respektvoll-kritischen Dialog mit den theologischen Strömungen und Lehrern, die ihn geprägt haben: der dialektischen Theologie Karl Barths und Ru­dolf Bultmanns, der Luther-Renaissance des theologischen His­torismus, repräsentiert durch Emanuel Hirsch und Hanns Rückert, und Gerhard Ebeling, in dessen Werk diese beiden Denkrichtungen zu einer spannungsvollen Synthese gelangt waren (vgl. besonders 14–27.29 f.). Aber genauso intensiv zieht er auch Generationsgenossen und Angehörige der Schülergeneration(en) ins Ge­spräch, und so lässt sich dieses Buch auch lesen als eine Reihe von Kommentaren zur evangelischen Theologiegeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg, die L. miterlebt und aktiv mitgestaltet hat.

WuppertalMartin Ohst




Es lässt sich theologisch einiges daran ablesen, wie jemand zur Trinitätslehre steht. Bekanntlich entschied sich Schleiermacher dafür, jenes Lehrstück an das Ende der Glaubenslehre zu platzieren, und dies gerade nicht im Gestus eines krönenden Abschlusses, sondern in programmatischer Marginalisierung. Karl Barth hingegen votiert auch an diesem Punkt oppositorisch, um die gesamte Kirchliche Dogmatik dreifaltig aufzubauen und eine Theologie, die sich nicht trinitarisch versteht, als unchristlich auszusortieren. Zwei Theologen, die Barth in diesem Votum explizit oder zumindest faktisch gefolgt sind, beziehen das trinitarische Lehrstück auf die Frage nach einem christlichen Monotheismus, um auch auf dieser Ebene mit zwei kontradiktorischen Optionen aufzuwarten: Eberhard Jüngel erkennt in der Trinitätslehre die christliche Version eines recht verstandenen und folglich metaphysikkritischen Mo­notheismus (z. B. Unterwegs zur Sache, 294). Demgegenüber stellt Jürgen Moltmann die Abstraktion des »radikalen Monotheismus« einem geschichtlich-trinitarischen Denken entgegen (so in Trinität und Reich Gottes, 80 und 85). Im einen Fall ist die Trinitätslehre die sachgemäße Entfaltung eines christlichen Monotheismus, im anderen müsse man letzteren verabschieden, damit wirklich tri-nitarisch gedacht werden könne. Sogleich drohen dann die Häresien des Unitarismus und, viel schlimmer, des Tritheismus, um zum Argument für die jeweilige Gegenseite umfunktioniert zu werden.
Ganz analoge Debatten hat es auch auf katholischer Seite im Gefolge von Karl Rahners differenzierter Identifikation der heilsökonomischen mit der immanenten Trinität gegeben. Der hier zu besprechende Band nimmt diese Hintergründe nur von Ferne auf, bewegt sich jedoch sachlich, zumindest in wichtigen Teilen, genau auf diesen Spuren. Das zeigt sich bereits am Titel des von Thomas Marschler (Augsburg) und Thomas Schärtl (Regensburg) herausgegebenen Bandes. Um »Modifikationen des klassischen Theismus« soll es gehen, wobei dieser erste Band eines von Templeton und Thyssen geförderten Projektes zur Analytic Theology der Trinität gewidmet ist (ein zweiter Band zur Inkarnation ist geplant; so 3). Die Lehre von der Dreifaltigkeit wird demnach unter dem Aspekt herangezogen, wie sie ›analytisch‹ zu einer Transformation des Monotheismus in »klassischer« Gestalt beitragen könnte. Das aber ist ein alles andere als selbstverständliches Vorhaben; und bevor man weiterliest, drängen sich also einige methodische Fragen auf, etwa: Vom Theismus auszugehen, legt erstens nahe, dass dies eine halbwegs stabile Position sei, die nur einiger »Modifikationen« harrt. Womöglich wollen dies auch die Herausgeber nicht umweglos behaupten, nur kommt eine Diskussion zu den epistemischen und metaphysischen Problemen theistischer Position hier nirgends in Gang. Zweitens, selbst wenn man davon einmal absieht, irritiert das Attribut des »Klassischen«, während andere Varianten des Theismus – pantheistisch, panentheistisch, prozessual – zwar einleitend genannt werden (7 f.; seltsamerweise fehlt die gegenwärtig wohl wichtigste Form, der open theism), aber im weiteren Verlauf keine tragende Rolle spielen; dies ist deshalb bedauerlich, da diese »nicht-klassischen« Versionen größere Affinitäten zur Trinitätslehre unterhalten – an der Prozesstheologie ist das vielleicht am greifbarsten –, als dies im »klassischen« Theismus der Fall ist. Und schließlich wird angekündigt, jenes Projekt und damit auch dieser Band verstünden sich als Teil einer »analytischen Theologie« und damit einer an Begriffsklärung, argumentativer Klarheit und an intellektueller Kleinteiligkeit orientierten Dogmatik.
Die Polyphonie der hier versammelten Beiträge ganz unterschiedlicher Anliegen, Methoden und Standards – auch ganz verschiedener Qualität – spricht eine andere Sprache. Interpretiert man das wohlwollend, gliche dies der Inklusion methodisch alternativer Wege in ein analytisch kodiertes Programm. Für diesen Band wird dadurch aber eine gewisse Beliebigkeit unausweichlich. Die eingangs gestellte Frage, wie der klassische Theismus trinitarisch modifiziert werden könnte, gerät folglich in den Hintergrund.
Der Band mit insgesamt 15 Beiträgen besteht aus vier Abteilungen. Die erste ist der mittelalterlichen Trinitätslehre gewidmet und enthält Texte von G. Emery zu Thomas, R. Cross zu »Sameness with(out) Identity« bei Duns Scotus und J. Stoffers zu Cusanus. Der zweite Teil vereinigt überblicksartige – und in der Tat artige – Texte zur idealistischen Trinitätslehre: J. Rohls für die protestantische Seite (besonders zu Daub, Hegel und Baur), Th. Marschler zu katholischen Parallelentwicklungen (bei J. Zukrigl und J. N. Oischinger) und Th. Schärtl zum göttlichen Selbstvollzug. Abteilung 3 und 4 teilen thematisch in trinitarisch-theistische Texte sowie posttheistische Trinitätstheologien – was kaum kaschieren kann, dass diese Einteilungen auch einfach durch »Sonstiges« verlustfrei zu ersetzen wären: D. Tuggy weist nochmals auf die Reibungen zwischen Bibel und Trinitätsspekulation hin, K. Müller deutet essayistisch auf einen trinitarischen Panentheismus, K. Ruhstorfer denkt der komplexen Verbindung von Trinität und Postmoderne nach undW. Härle beschließt diesen Teil etwas lustlos mit einer zeichentheoretischen Lesart der Trinitätslehre, ohne aber in die doch eigentlich spannenden Details gehen zu wollen (vgl. die Arbeiten von M. Vetter und V. Colapietro zur Ch. S. Peirce); der »Posttheismus« wird vertreten durch M. Schulz, der »Hinweise zum Dia-log mit dem Islam« gibt, D. Kraschl zur »Sozietät in der Gottes-lehre«, U. Meixner, der sich um den Begriff der »Wesenseinheit« be­müht, und Th. Ruster, der der Einzige ist, der das Attribut des Nachtheistischen selbst aufnimmt.
Auf drei Aspekte anhand je eines Textes möchte ich etwas genauer eingehen. Es ist interessant zu sehen, dass die »liberale« Theologie des 19. Jh.s zwar grundsätzlich Schleiermacher folgt, aber an einem wesentlichen Punkt hegelianisch abweicht: Der Zugang zur Religion wird nicht nur über das religiöse Selbstbewusstsein gesucht, sondern diese Selbstrelation wird zugleich trinitarisch ausbuchstabiert. Thomas Schärtl geht dieser Transformation exemplarisch nach und verfolgt sie bis in die Gegenwart. Insbesondere die dezidiert trinitarischen Entwürfe von August Tweesten und Richard Rothe (mit auch heute noch gültigen »Anforderungen« an eine Trinitätslehre, 183 f.) kommen zu Wort. Diese subjektivitätstheoretische Rahmung der Trinitätslehre als Nachvollzug von Gottes »Selbsterfassung und Selbstaffirmation« (191) ist der wohl wichtigste Paradigmenwechsel in der neuzeitlichen Trinitätslehre. Wie Schärtl allerdings nun selbst die dabei gewonnene Prozessualität Gottes mit dem immer wieder eingespielten Substanzdenken – die trinitarischen Personen repräsentierten die »Beziehungen zwischen Ursubstanz und Folgesubstanz« (ebd.) – verbinden möchte, bleibt undeutlich.
Die zweite große Rahmung der Trinitätstheologie ist eine ge-schichtsphilosophische. Hier ist der trinitarische Gott nicht die Ge­samtheit der dynamischen Selbstentfaltung am Anderen seiner selbst, sondern »subsistiert« im Lauf der Dinge und kommt so zu sich. Soll das »postmodern« – wie bei Karlheinz Ruhstorfer – geschehen, müssen die Ambivalenzen (in) dieser Geschichte bedacht werden. Das gelte für die Postmoderne selbst, die sich nach Ruhstorfer erschöpft habe (253). In spekulationsfreudigem Gestus geht der Autor nun den vestigia trinitatis nach, die jedoch nicht ontologisch, sondern gleichsam heuristisch verstanden werden und in ein fünft eiliges Phasenmodell münden: Gott-Vater über uns (Identität), Gott-Sohn unter uns (Differenz), Gott-Geist in uns (Identität von Differenz und Identität), dann nochmals der Sohn (in Derridascher Differenz* von Identität und Differenz) und der Geist reloaded (weder Mensch noch Gott in Pluralität). Zuvor hatte R. allerdings für diese »Trinität als Geschichte« (271) noch ein einfacheres proto-semiotisches Tryptichon vorgesehen; das liest sich so: »War die Metaphysik mit dem Signifikat (Idee) verbunden, die industrielle Moderne mit dem Referenten (Phänomen), so bewegt sich die mediale, globale oder Post-Moderne im Horizont des Signifikanten.« (269; im Original kursiv) Passagen wie diese dokumentieren den dezidiert nicht-analytischen Charakter dieses Beitrags; statt dies zu bemängeln, könnte man ihn – mit dem am Ende verhandelten J.-L. Nancy – als »Öffnung« der Debatte lesen, die es weiterzuführen gilt.
Das trifft auch auf den letzten Beitrag des Bandes zu, der von Thomas Ruster stammt (der wiederum mit einer sehr lesenswerten Arbeit zu Ernst Fuchs hervorgetreten ist; Sakramentales Verstehen, 1983). Ihm geht es um eine ganz andere, gleichwohl zentrale Denkfigur der Trinitätstheologie, nämlich um die Frage, wie sich dieses Lehrstück zur Politischen Theologie verhält, und damit um die Aussichten einer nachtheistischen Trinitätstheologie als political theology. Auch hier wird der eigentlich vorgegebene Rahmen, in­nerhalb dessen der »klassische Theismus« modifiziert werden solle, ausdrücklich verlassen. Stattdessen wird die mit Carl Schmitt und seinem Gegenspieler Erik Peterson verbundene Debatte aufgenommen, inwiefern Monotheismus und Trinitätstheologie Allianzen mit bestimmten politischen Formationen eingehen und wie diese zur Legitimität der Monarchie stünden. Bekanntlich hatte Peterson diese Relation mit der negativen These hergestellt, es sei unmöglich den Trinitätsbegriff mit einem strikten Monarchie-Denken zusammenzubringen ( Der Monotheismus als politisches Problem, 1935, 50). Das ist sicher kein alternativloses Votum, das jedoch in methodischer Hinsicht dazu einlädt, Petersons Frage neu aufzurollen, wie auch Ruster dies in Andeutungen tut: Wie steht es um die politische Bedeutung der Trinitätslehre im »Diskurs der Moderne«? (440 f.) Die Bearbeitung dieses Problems hängt wiederum davon ab, wie man zur Sozialität der Trinität, zu ihrer inneren Hierarchie oder deren Dementierung und zum ontologischen Status dessen, was diese Lehre auszudrücken versucht, genau steht. Dieser letzte Punkt ist der wohl wichtigste, bleibt jedoch im gesamten Band implizit, statt wirklich zum Thema zu werden.
Was aber auffällt, ist der ökumenische Charakter des Bandes, der nicht nur prominente Vertreter – und tatsächlich keine Ver-treterinnen – beider Konfessionen versammelt, sondern auch deutschsprachige und angloamerikanische Autoren zusammen-bringt. Es war damit zu rechnen, dass für deren opera ad extra gilt: divisa sunt.